
Wilde Rosen und Ranken vorm Eingang, ein paar Spinnweben überm Portal: Die Kirche "Maria – Hilfe der Christen" am Ortsausgang Richtung Abtswind liegt seit drei Jahren im Dornröschenschlaf. Matthias Eller muss sie auflösen – auch wenn ihm das widerstrebt.
Der Pfarrer im Pastoralen Raum Schwarzach am Main – St. Benedikt ist seit zweieinhalb Jahren auch für die katholische Kirchengemeinde in Rüdenhausen zuständig. "Allerdings existiert diese quasi nicht mehr", wie Eller sagt. Die Konsequenz formuliert er so: "Wenn eine Kirche de facto nicht mehr genutzt wird, ist es auch unsere Aufgabe, das Areal der Allgemeinheit wieder zur Verfügung zu stellen."

1954 erbaut und geweiht, diente "Maria Hilf" der katholischen Gemeinde, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg im traditionell evangelischen Rüdenhausen angesiedelt hatte, jahrzehntelang als Ort des Glaubens. Zwar gibt es noch immer rund 200 Katholiken im Ort – "auf dem Papier", wie Kirchenpfleger Paul Schug sagt –, aber keine zusammengehörige Gemeinde mehr.
Was geschieht mit einer Kirche ohne Gläubige?
"Alle, für die 'Maria Hilf' eine Herzensangelegenheit war, sind entweder verstorben oder hochbetagt", sagt Pfarrer Eller. "Auch sonst fragt kaum einer nach." Seit dem Jahr 2020 finden in Rüdenhausen keine regelmäßigen Gottesdienste mehr statt. Was passiert mit einer Kirche ohne Gläubige?
Die Antwort formuliert Paul Schug so: "Wir geben sie nur schwer her. Aber was sollen wir sonst machen? Vom Winterdienst angefangen bis hin zur Heizung haben wir laufende Kosten, aber keine Einnahmen." Seit einigen Jahren finde sich niemand mehr aus dem Dorf, der sich um die Kirche kümmere.
Mit den verbliebenen Gemeindemitgliedern habe man nach einem mehrjährigen Meinungsbildungsprozess entschieden, die Kirche zu entwidmen und anderweitig zu nutzen, erklärt Pfarrer Eller. "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir eine lebendige Gemeinde für die Kirche wünschen. Doch die Realität ist eine andere."
Knochensplitter von Heiligen werden dem Bischof in Würzburg zurückgegeben
Bundesweit sind in den vergangenen fünf Jahren 131 katholische Kirchen geschlossen worden. 126 von diesen wurden auch profaniert, wie die Deutsche Presseagentur Ende 2023 unter Berufung auf die Deutsche Bischofskonferenz mitteilte. Jetzt trifft es zum ersten Mal in jüngster Zeit ein Gotteshaus im Raum Kitzingen.

Die Rüdenhäuser Kirche samt Nebengebäuden und dem freistehenden Glockenturm soll profaniert und dann verkauft oder in Erbpacht vergeben werden. Profaniert bedeutet, dass bestimmte Objekte aus dem Kirchenraum entfernt werden: Neben dem Allerheiligsten, den Hostien, die bereits im November 2020 aus dem Tabernakel geholt wurden, sind das in Rüdenhausen die im Altar beigesetzten Reliquien der drei Heiligen Prudentius, Bonifatius und Burkard.
"Es handelt sich um kleine Knochensplitter", erklärt Pfarrer Eller. "Solche Reliquien in katholischen Kirchen sollen symbolisieren, dass die Kirche auf Zeugen des Glaubens aufbaut."

Die sterblichen Überreste der Heiligen werden aus dem steinernen Altarfach herausgenommen und Bischof Franz Jung in Würzburg zurückgegeben. Eine Ikone aus dem Kirchenraum will die katholische Kirche dem evangelischen Ortspfarrer Martin Fromm und seiner Gemeinde schenken – "als Dank für die immer gute Zusammenarbeit und das Angebot, künftig Taufen oder Beerdigungen in der evangelischen Kirche zu ermöglichen", so Eller.
Die Nutzungsideen reichen vom Café bis zum Bürogebäude
Es habe Ideen gegeben, "Maria Hilf" zu einer Urnen-Begräbnisstätte oder einer Themenkirche umzuwidmen, sagt Pfarrer Eller. Diese hätten sich aber aus dem gleichen Grund zerschlagen wie eine soziale Weiternutzung durch die politische Gemeinde, denn: All das wäre mit enormen Kosten für die jeweiligen Träger verbunden.
Dennoch haben Eller und Schug die Hoffnung auf eine Weiternutzung durch kulturelle oder soziale Einrichtungen noch nicht aufgegeben. "Die Bausubstanz der Kirche ist gut", sagt Schug. "Man kann sich hier so einiges vorstellen." Eine Option sei natürlich auch die Umgestaltung zu Wohn- oder Geschäftsräumen. Ein Gutachter habe den Sachwert der Gebäude bestimmt.

Sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche ist die Auflösung von Kirchen nach bislang noch kein Riesenthema, betonen die jeweiligen Pressesprecher – auch wenn die vermehrten Kirchenaustritte natürlich zu Problemen führen. Kirchenrat Johannes Minkus, Pressesprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern, hat in den vergangenen acht Jahren 14 Profanierungen in Bayern gezählt, die nähesten in Coburg, Nürnberg und Aschaffenburg. Manche Gotteshäuser wurden umgenutzt zu Gemeindehäusern oder Wohnungen, vier wurden abgerissen.
Ähnlich äußert sich sein katholischer Amtskollege Bernhard Schweßinger, Pressesprecher der Diözese Würzburg. "Ganz wenige Kirchen", darunter ein kleineres Gotteshaus in Sommerhausen, seien in den vergangenen Jahren profaniert worden. Abgerissen wurden Kirchen in Sailauf (Kreis Aschaffenburg) und Himmelstadt (Main-Spessart), so Schweßinger. Denn in den weiter im Ort bestehenden Kirchen "reicht für die Gottesdienstbesucher der Platz aus".
