Lass mich mal!“. Energisch schiebt Lukas seine kleine Schwester zur Seite und drückt mit seinen Händen die Erdbeerpflanze fest in die Erde. Gar nicht so einfach, die Dinger aus den Töpfchen zu holen, ohne dass dabei die Stengel abknicken. Das Pflänzchen sitzt jetzt im Pflanzloch, sieht aber ziemlich lädiert aus. Lukas stört das nicht. Der Siebenjährige und seine fünfjährige Schwester, die schon mal mit ihrem Gießkännchen Wasser geholt hat, schuften unermüdlich weiter. Sie haben von ihren Eltern ein eigenes Beet im Garten bekommen – und dafür sind sie alleine zuständig.
Europa Mingärtner im Landkreis Kitzingen
„Kinder lieben Gartenarbeit“, sagt Margot Burger aus Geiselwind (Lkr. Kitzingen). Die Gartenfachfrau unterrichtet an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) und leitet seit September 2017 im Landkreis Kitzingen das zweijährige Projekt „Europa Minigärtner“. Nach Baden-Württemberg und Österreich ist nun auch Bayern mit im Boot und die unterfränkische Gruppe die erste Regionalgruppe, die an den Start gegangen ist.
22 Kinder im Alter zwischen neun und elf Jahren hatten sich im vergangenen Sommer bei Margot Burger als Minigärtner beworben – und alle sind noch mit Feuereifer dabei. Gerade jetzt, im Frühling, wird es besonders spannend. „Gartenchecker“ steht auf den grünen T-Shirts und ja, das sind sie auch. „Eltern und Großeltern ziehen da natürlich mit, bringen die Kinder, holen sie ab und freuen sich, dass die Kleinen in und mit der Natur sind“, erzählt Margot Burger. Zwei ihrer eigenen vier Kinder, Helena (8) und Belana (10), sind ebenfalls im Team dabei – und verfolgen mit ihrer Mutter gemeinsam das Ziel dieses europaweiten Projektes: Kinder an die grüne Branche heranzuführen.
Bei Mädchen ist Floristik sehr beliebt
Einmal im Monat sind die angehenden Gartenprofis zu Gast in einem Fachbetrieb und erfahren in Theorie und Praxis, was hinter dem Begriff Gartenbau eigentlich so alles steckt. „Es ist ein Gewinn für alle, denn durch das Projekt stehen die Betriebe in der Öffentlichkeit und können für ihre Arbeit und ihre Produkte werben.“
Natürlich, so sagt Burger, werde nicht aus jedem Projektkind später mal ein Gärtner oder eine Gärtnerin. „Doch hier und da wird der Funke überspringen“, ist sie überzeugt. Gerade bei den Mädchen sei die Floristik sehr beliebt. Die Idee zu den Minigärtnern hatte Bettina Gräfin Bernadotte auf der Bodensee-Insel Mainau. Kindern den Wert des gärtnerischen Tuns nahe bringen, ist ihr Hauptanliegen.
Ob Erdbeeren pflanzen, Spargel ernten, Kräuter bestimmen, sich mit der Rasenpflege auf einem Golfplatz beschäftigen, Pflanzversuche mit verschiedenen Sorten verfolgen, Adventskränze binden, das Einwintern in einer Baumschule begleiten – für jeden Monat hat sich die unterfränkische Teamleiterin Margot Burger etwas ausgedacht. Dazu gehört auch der Besuch der Landesgartenschau in Würzburg.
Schule im Grünen bei der Landesgartenschau
Die hat ein umfangreiches Kinderprogramm und lockt mit „Schule im Grünen“ auch viele Schüler an. Das könnte, so glauben viele Experten, zu einem Boom auch im Nachwuchsbereich führen. Für die unterfränkischen Obst- und Gartenbauvereine wäre das ein echter Gewinn. In einigen Landkreisen gehören Kindergruppen schon seit Jahren selbstverständlich dazu. In Sommerach (Lkr. Kitzingen) etwa heißen sie „Wühlmäuse“, in Neuhütten (Lkr. Main-Spessart) sind die „Gartenzwerge“ mächtig aktiv, in Gemünden-Langenprozelten die „Proazeller Dreggspatz'n“. In einigen anderen Vereinen indes ist Nachwuchsarbeit ein noch völlig unbearbeitetes Feld. Gärtnern als echtes Hobby wie Fußball oder Klavier spielen gilt bei Kindern vor allem in den Städten allgemein als etwas exotisch.
Amarilda Magerl ist Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins In Estenfeld (Lkr. Würzburg) und leitet dort die beiden Kindergruppen, die sich wöchentlich treffen. „Es ist schon erstaunlich, wie wenig Kinder manchmal über Pflanzen und Gemüse Bescheid wissen“, erzählt die langjährige Garten-Expertin, die ihr umfangreiches Wissen auch in Schulen weitergibt. So habe ein Junge jüngst gar nicht glauben können, dass der gerade geerntete Salat wirklich essbar sei und seine Mutter daraus einen „echten Salat wie aus dem Supermarkt“ machen könne.
Das Elternhaus ist auch für die Gartenarbeit prägend
Zum Gärtnern, so erzählt Magerl, gehöre weit mehr, als Pflanzen in die Erde zu bringen und sie zu gießen. „Es ist das Zusammenspiel der Natur, das wir den Kindern nahebringen wollen, dazu gehört zum Beispiel eben auch das Wirken von Bienen oder Würmern.“ Christine Bender, Geschäftsführerin des Bezirksverbandes für Gartenbau- und Landespflege mit Sitz in Kitzingen, ist das Einbinden von Kindern in die Gartenwelt enorm wichtig. Das Elternhaus sei entscheidend und prägend. Wer seinen Kindern frühzeitig die Natur nahebringe und sie Verantwortung für Pflanzen übernehmen lasse, könne eher damit rechnen, dass die Kinder später selbst zu begeisterten Hobby- oder gar Profigärtnern würden.
„Dass man hier erfolgreich agiert hat, merkt man schon, wenn später in der Studentenbude der Kinder Pflanzen am Fensterbrett gedeihen oder immer frische Blumen auf dem Tisch stehen“, weiß die Expertin aus eigener Erfahrung.
Insofern seien erste eigenständige Aktionen wie das Pflanzen von Erdbeeren ein guter Anfang. Ob aus Lukas und seiner Schwester mal Gartenprofis werden, kann jetzt freilich noch niemand wissen. Entscheidend ist ja ohnehin erst einmal nur die Freude am eigenen Tun.