Ostersonntag 1945, ein 1. April: Gedrückt war die Stimmung der Menschen, voll bangen Fragens, was die nächsten Tage angesichts der immer näher rückenden Front bringen würde, Vernichtung oder Befreiung. Auch das trübe Wetter mit Graupelschauern passte dazu. Selbst bei uns Kindern, der Schreiber dieses Berichts war damals siebeneinhalb Jahre alt, wollte keine rechte Freude aufkommen, als die wenigen Ostereier, die in der Scheune des großelterlichen Anwesens versteckt waren, gesucht und gefunden wurden.
Unerbittlich rückte die amerikanische Armee vor. Dumpf war der Geschützdonner zu vernehmen, im Verlauf der Tage bedrohlich näher kommend. Wertgegenstände wurden in sichere Verstecke gebracht, Notrationen in den Kellern angelegt. Da in früherer Zeit in Mainbernheim der Weinbau stark vertreten war, standen zumindest in der Altstadt zahlreiche gewölbte Keller zur Verfügung, in denen die Menschen Schutz suchten. Auch in den in die Hänge gegrabenen Bierkellern vor den Mauern der Stadt fand man Zuflucht.
Letzte Verteidigungsmaßnahmen wurden ergriffen. Im Stadtwald wurden rechteckig angelegte Schützengräben ausgehoben, um die anrückenden amerikanischen Truppen vor allem mit der in den letzten Kriegsjahren entwickelten Panzerfaust zu stoppen. In Mainbernheim hielt sich noch eine deutsche SS-Panzereinheit auf.
Dem Ort drohte Zerstörung durch feindliche Bomben wie Kitzingen und Würzburg. Deshalb wandte sich Schneidermeister Georg Büchlein, der Vater von Heinrich Büchlein und Lore Baunach, an den Kommandanten der deutschen Panzertruppe mit der Bitte, sich mit seiner Einheit abzusetzen. Das war mutig, denn noch in den letzten Kriegstagen wurden solche Leute von Fanatikern wegen Zersetzung der Wehrkraft an die Wand gestellt und standrechtlich erschossen.
Nur kurz war nach den Osterfeiertagen die Frist, bis der gewaltige Artilleriebeschuss der näher kommenden amerikanischen Truppen einsetze. Jedes Mal wenn das Heulen der Geschosse zu vernehmen war, hielt man in den Kellern die Luft an, die Frauen vor allem hatten die Hände gefaltet oder drückten die Kinder an sich. Ziele des Beschusses waren die Dörfer, südöstlich von Mainbernheim vor allem im Mittelfränkischen gelegen, wo die Amerikaner einen letzten Verteidigungswall der Deutschen vor Nürnberg, der Stadt der Reichsparteitage, zu brechen suchten. Gehöfte und Kirchen in den Nachbargemeinden wurden zerstört. Die Ruine des Wässerndorfer Schlosses ist letzte Zeugin dieser Verwüstung.
In den kurzen Pausen, in denen die Geschütze schwiegen, wagte sich der Großvater hinaus in den Hof, um nach eventuellen Schäden zu sehen. Die im heutigen Gartenweg Wohnenden sind von Treffern verschont geblieben. In der Altstadt allerdings verloren drei Mitbürger durch Geschosssplitter getroffen ihr Leben. Es waren dies Karl Alt aus der Herrenstraße, Sebastian Meier aus der Sonnengasse und der junge Toni Schobert aus der Judengasse.
Betttuch gehisst
Schneidermeister Georg Büchlein war es, nachdem der amtierende Bürgermeister schon nicht mehr vor Ort war, der ein weißes Betttuch am Kirchturm hisste. So fiel Mainbernheim am 6. April 1945 kampflos in die Hände der Amerikaner. Die Nachwelt allerdings hat vergessen, dem beherzten Mitbürger den „Ehrenkranz zu flechten“.
Bei uns Kindern überwog Neugier die Angst. Einige wagten sich an die Michelfelder Straße, um den Einmarsch der vom „Gebertsberg“ herankommenden Amerikaner zu beobachten: Voran ein Jeep mit schussbereitem Maschinengewehr, dahinter ein Sherman-Panzer mit Begleitfahrzeugen.
Zwei Soldaten durchstöberten das Haus der Großeltern Max und Babette Köhler im Gartenweg. Mit den auf den Gewehren aufgepflanzten Bajonetten stocherten sie hinter jeden Vorhang. Dann kam der Befehl, dass das Haus innerhalb zweier Stunden zu räumen sei, da sich hier der Stab einquartiere. Der Großvater lud den Leiterwagen mit dem Nötigen voll und so zog die Familie zu Verwandten in die Badgasse.
Kriegsrecht herrschte, Ausgangssperre war angeordnet, die im Laufe der nächsten Wochen gelockert und dann ganz aufgehoben wurde. Da die Großeltern eine Landwirtschaft betrieben, mussten die Tiere im Stall gefüttert, die Kühe gemolken werden. Der Standortkommandant erteilte die Genehmigung, dass zwei Personen aus der Familie mit Sonderausweis ausgestattet morgens zwischen sechs und acht Uhr und abends zur selben Zeit das Vieh versorgen dürfen.
Ziemlich schnell wich bei den Kindern die Scheu vor den Fremden. Schnell lernten sie als erstes englisches Wort „Chewinggum“. Die farbigen Soldaten erwiesen sich meist als kinderfreundlich. Einer warf uns einmal eine Ananasfrucht zu. In der Meinung, es handle sich auf Grund der Ähnlichkeit mit einer Handgranate, schleuderten wir die Frucht weit weg und warfen uns selbst zur Deckung auf den Boden.
Basketball – eine neue Sportart
Im Gegensatz zu den abgemagerten deutschen Kriegsgefangenen, die die B 8 heruntergetrieben oder auf Lastwagen gepfercht in die Gefangenenlager transportiert wurden, fehlte es den GI's an Nichts. Selbst Sportgeräte lieferte der Nachschub. So konnte man zum ersten Mal sehen, wie Baseball gespielt wurde.
Das Dritte Reich war in Mainbernheim endgültig zu Ende, als das Hakenkreuz auf dem Kirchturm – bereits im Jahre 1933 dort aufgepflanzt – von Dachdecker Kahabka abgebaut, die „Adolf-Hitler-Straße“ wieder zur alt gewohnten „Herrnstraße“ und Adolf Hitler als Ehrenbürger aus den Annalen gestrichen worden war.
und jene Zeit erlebt haben, haben sie erlebt und wissen darum.
Andere, später geborene, später hinzugezogene, ist es 'wurscht' !!