Karo Murat: Ich freue mich sehr über das Wahlergebnis – besonders weil ich erstmals in meiner Karriere für einen Wettbewerb dieser Art nominiert worden bin. Es macht mich stolz, wenn ich merke, dass die Menschen Notiz von meinen sportlichen Leistungen nehmen.
Murat: Das stimmt. So wussten nicht nur Fans aus Kitzingen Bescheid, und ich konnte meine Anhänger aus ganz Deutschland und dem Ausland darauf hinweisen, mir ihre Stimme zu geben. Jedoch habe ich nicht mit dem ersten Platz gerechnet: Christina Leibold von Germany's Next Topmodel hielt ich für die Kandidatin mit den besten Chancen.
Murat: Nein, aber ich finde es schade, dass ich noch keine Einladung bekommen habe. Dabei mache ich die Region bekannt, wenn ich im Boxring als Kämpfer aus Kitzingen vorgestellt werde. Meine Auftritte werden von den Fernseh-Sendern ARD und Eurosport in 42 Länder übertragen. Allein in Deutschland sehen immer rund zweieinhalb Millionen Leute zu.
Murat: In Kitzingen kenne ich mich aus, hier habe ich meine Freunde, hier fühle ich mich wohl. Damit verbinde ich die Erinnerungen meiner Jugend. Berlin ist eine andere Welt, eine lebendige, hektische Metropole. Deshalb sehne ich mich immer wieder nach der Ruhe Kitzingens. Was Kitzingen mir gibt, kann Berlin nicht bieten.
„Wir sind als Christen aus dem Irak geflohen und hatten nichts“
Karo Murat über seine Kindheit
Murat: Ich bin gerne am Oberen Mainkai, setze mich in die Sonne und füttere die Enten. Sonst verbringe ich die Zeit bei meinen Eltern in Etwashausen. Über Weihnachten und Neujahr habe ich sie zuletzt für zehn Tage besucht. Auch nach Kämpfen bekomme ich von meinem Trainer Ulli Wegner zwei bis drei Wochen Urlaub, um nach Kitzingen zu fahren.
Murat: Ich telefoniere häufiger mit Boxerkollegen von einst. Manche sind voriges Jahr sogar nach Neubrandenburg und Bielefeld gefahren, als ich meine Europameisterschaftskämpfe hatte. Ich weiß nicht, ob alle beim KSV Kitzingen stolz auf mich sind. Zu meinem früheren Trainer Friedrich Dollinger habe ich nach wie vor ein etwas gespanntes Verhältnis. Bevor ich Profi geworden bin, hatten wir immer wieder Meinungsverschiedenheiten.
Murat: Das wäre ein Traum. Mein Management hat sich darum bemüht, dort eine Boxveranstaltung zu organisieren. Leider hat die s.Oliver-Arena aber nicht die baulichen Voraussetzungen.
Murat: Das ist schon immer mein Ziel gewesen. Wenn ich mich weiterentwickle und meine Deckung verbessere, werde ich zu den Besten der Welt gehören. Wenn ich als Europameister auch künftig erfolgreich bin, bekomme ich vielleicht schon in einem Jahr den Kampf um die WM.
Murat: Ich fühle mich ganz normal. Aber ich habe einen Beruf, den nicht jeder ausüben kann, und werde für meine Leistungen belohnt.
Murat: Wir sind aus dem Irak vor den alltäglichen zwischenmenschlichen Problemen, die man als Christ unter Muslimen hat, geflohen. Als ich 1996 mit meinen Eltern und Brüdern nach Deutschland kam, hatten wir nichts. Ich will genug Geld verdienen, damit ich die Familie unterstützen kann. Aber das Geschäft ist hart: Talent allein reicht nicht, der Wille ist entscheidend.
Murat: Ich bin noch nicht allzu lange bei den Profis. Selbst als Europameister fängt es mit dem Geld erst langsam an. Wer eine gewisse Zeit Weltmeister bleibt, hat die Chance, sehr reich zu werden. Von meinen Kampfbörsen kann ich inzwischen gut leben. Aufhören könnte ich aber nicht, um für den Rest des Lebens versorgt zu sein.
„Heimat ist dort, wo mein Herz ist“
Karo Murat über seine Umgebung
Murat: Heimat ist dort, wo mein Herz ist. Es schlägt gleichzeitig für Kitzingen und das Land meiner Vorfahren, obwohl ich noch nie in Armenien gewesen bin.
Murat: Als Flüchtlinge hatten wir keine Aufenthaltsgenehmigung, keine Arbeitserlaubnis und waren lange Zeit nur geduldet. Wir mussten immer damit rechnen, abgeschoben zu werden. Diese Erfahrungen sind Teil meines Lebens. Hätte ich damals andere Möglichkeiten gehabt, wäre ich vielleicht nie zum Boxen gegangen. Womöglich würde ich heute als Kfz-Mechaniker arbeiten.
Zur Person
Karo Murat Vor zweieinhalb Jahren unterschrieb der Kitzinger einen Vertrag bei Wilfried Sauerland, dem renommierten Boxmanager, der einst Henry Maske vermarktete. Seitdem hat Murat in der Supermittelgewichtsklasse (bis 76,2 Kilogramm) sämtliche 18 Kämpfe gewonnen, elf davon durch K.o. Als Amateur wurde er mehrfach bayerischer Meister und siegte in 90 von 118 Kämpfen. Seine größte Niederlage erlitt Murat jedoch nicht im Ring: „Ich war verliebt – und dadurch sehr schwach.“