zurück
MARKTBREIT
Karl Schönherr: Ein Leben für die Fotografie
Raupe beim Sonnentanz.
Foto: Karl Schönherr | Raupe beim Sonnentanz.
Franziska Strobel
Franziska Schmitt
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:04 Uhr

Er sitzt am Klavier, seine Finger huschen leichthändig über die Tasten, als er die „Wichtige Begebenheit“ von Robert Schumann spielt. Was er als Kind begonnen hat, geht heute, über sechs Jahrzehnte später, immer noch flüssig.

Die Musik war für Karl Schönherr aus Marktbreit immer ein Ventil, um abzuschalten und um etwas gemeinsam mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern zu tun. Denn musiziert haben im Hause Schönherr alle.

Gelernt im familieneigenen Fotogeschäft

Mit seinem Vater Richard und zwei seiner Geschwister verband den 83-Jährigen aber noch mehr: Sie haben alle im familieneigenen Fotogeschäft gelernt und gearbeitet. So hat Schönherr das Fotografieren fast ein Leben lang begleitet und damit ist es ein bisschen wie mit dem Klavierspielen – verlernt hat er nichts, auch wenn er sein eigenes Geschäft in der Marktbreiter Altstadt schon vor 23 Jahren an eine ehemalige Mitarbeiterin übergeben hat.

1963 war es, als er vom schwäbischen Wemding ins unterfränkische Marktbreit kam. Angelockt hatte ihn die Anzeige eines Fotogeschäfts, das einen Nachfolger suchte. Schönherr, 30 Jahre alt, seit zwei Jahren verheiratet, griff zu. Er wollte sich schon länger selbstständig machen und raus aus dem elterlichen Geschäft. Gelernt hatte er bei seinem Vater in Wemding. Der ältere Bruder war schon dort, die jüngere Schwester kam schließlich auch noch dazu. „Vier Geschwister, drei Fotografen“, sagt Karl Schönherr und schmunzelt.

Fotografieren liegt der Familie Schönherr im Blut

Seine eigene Tochter hat auch bei ihm in Marktbreit gelernt, aber festgestellt, dass es nichts für sie ist. Dafür führt sein Neffe das Fotogeschäft seines Vaters in Dinkelsbühl weiter. Das Fotografieren liegt der Familie einfach im Blut. Von seiner Ausbildung profitiert Karl Schönherr noch heute: „Ich komme in einen Raum und weiß sofort, wo die Kamera stehen muss.“ Für ihn wird ein gutes Bild zuerst mit den Augen gemacht, nicht mit der Kamera: „Es ist wichtig, dass ich sehe, was ich fotografiere!“, sagt er. Deshalb ist ihm auch fast egal, mit was für einem Apparat er fotografiert – und in seiner Laufbahn hat er mit vielen Fotoapparaten gearbeitet.

Auf dem Dachboden steht noch die alte Atelierkamera, mit der er im Geschäft seines Vaters fotografiert hat. Sie ist fast so hoch wie er selbst und arbeitet noch mit dem so genannten Grundner-Verschluss, der mit Hilfe eines Gummiballs betätigt wird. Rund 300 Sammlerstücke hat er insgesamt, darunter von Welta, Mamiya und Leica. „Früher war alles noch anders“, stellt er nüchtern fest. Ein Satz, der sonst abgedroschen klingt, beinhaltet viel Wahrheit, wenn Schönherr ihn sagt.

Blitzen mit Magnesiumpulver

Der 83-Jährige fürchtet, dass spätere Generationen gar nicht mehr wissen, dass Fotos früher in einer Dunkelkammer belichtet wurden. Geblitzt wurde mit Magnesiumpulver. Das Pulver wurde angezündet und ist mit sehr starkem, aber kurzem, Leuchten verbrannt. „Das hat geknallt, dass die Fenster gezittert haben“, erinnert er sich.

Er selbst weiß die digitale Fotografie und ihre Möglichkeiten heute aber durchaus zu schätzen. Beigebracht hat er sich das, als er schon im Ruhestand war. Sein Geschäft hat er 1963 abgegeben, seine erste digitale Kamera hat er sich im Jahr 2000 gekauft, da war sein Enkelkind ein Jahr alt.

Fotoserie

Die Familie und die Natur sind heute seine Hauptthemen beim Fotografieren. Für solche „Stimmungsbilder“, etwa von Sonnenuntergängen, war während des Berufslebens kaum Zeit. In seiner aktiven Zeit hat Schönherr mit zwei Mitarbeitern bis zu 15 Hochzeiten an einem Tag fotografiert. „Das waren oft die Samstage. An den Sonntagen waren dann Kommunionen und Konfirmationen dran“, erzählt er. Am Wochenende zu arbeiten, gehörte dazu.

Nicht abgehetzt fotografieren

Er hat gern gearbeitet, aber jetzt genießt er es, seine Zeit selbst einteilen zu können. Vor kurzem hat er sich ein E-Bike gekauft, mit dem er durch Marktbreit fährt, denn „abgehetzt zu fotografieren, ist nichts“, sagt er. Unterwegs hat er meist nur eine kleine Lumix dabei, die große Spiegelreflex schleppt er nicht gerne rum.

Zuhause am Computer bearbeitet Karl Schönherr seine Bilder, wenn er Zeit hat. Das ist für ihn „Entspannung pur.“ Es kommt durchaus vor, dass er dabei Dinge, die ihn im Bild stören, rausretuschiert, etwa Kabel oder Laternenmasten. Auch etwas, das er so gelernt hat. „Früher wurden selbst Passbilder bis zu 30 Minuten mit einem spitzen Bleistift bearbeitet, um die Falten rauszubekommen“, erinnert er sich. Heute machen das Bildbearbeitungsprogramme.

Auch die Hintergründe auf Fotos wurden zum Teil von Hand aufgespritzt. Sein Großvater Paul beherrschte diese Technik. Im Arbeitszimmer hängt ein oval gerahmtes Bild, auf dem Schönherrs Vater als kleiner Junge zu sehen es. Sechs Jahre alt, am Tag der Einschulung. Der Großvater hat das Foto gemacht, anschließend wurde es freigestellt und das Schulgebäude im Hintergrund mit Hilfe von Farbe, Druckluft und einer Spritzpistole aufgetragen. Was damals gängig war, ist heute nicht mehr üblich. Dafür gibt es technische Neuerungen.

Ein Kindheitstraum wird Realität

Etwas, wovon Karl Schönherr früher nur träumen konnte, sind zum Beispiel Drohnen mit Kamera, mit denen man Bilder von hoch oben machen kann. Als Schönherr etwa 28 Jahre alt war, hat er einen Drachen gebastelt und darauf eine Kamera montiert. Das Problem, das sich damals technisch nicht lösen ließ, war der Auslöser – wie sollte man ihn bedienen, wenn der Drachen in der Luft ist? Seinen Traum von Luftbildern musste er damals begraben.

Heute hat sein Sohn eine solche Drohne, mit der er das Elternhaus auch schon von oben fotografiert hat. „Manche Entwicklungen brauchen einfach ein paar Jahre“, sagt Schönherr achselzuckend. Er selbst hat heute allerdings keine Lust mehr darauf, Luftbilder zu machen, das überlässt er der jüngeren Generation – für ihn gibt es heute andere „wichtige Begebenheiten“.




Zur Person: Karl Schönherr


Der 83-Jährige, Jahrgang 1933, ist nach seinem Großvater und Vater Fotograf in dritter Generation. Die vierte Generation bildet sein Neffe, der ein Fotogeschäft in Dinkelsbühl führt.

Karl Schönherr kam in Ostheim in Mittelfranken zur Welt. Aufgewachsen ist er im schwäbischen Wemding, wo er mit 16 Jahren eine Ausbildung im elterlichen Geschäft begann und anschließend dort und in der Zweigstelle in Wassertrüdingen sein Geld verdiente. Zwischendurch arbeitete er ein Jahr lang als Fotograf bei der Fränkischen Landeszeitung in Ansbach.

1963 kam er mit seiner Frau Margarete, genannt Eta, nach Marktbreit. Bis 1993 führte er im Altort das Fotogeschäft Schönherr. Er hat zwei Söhne, eine Tochter und zwei Enkelkinder. Früher war er Mitglied im Turnverein, hatte aber bald kaum noch Zeit dafür. Heute geht er regelmäßig zum Stammtisch.

Einige seiner Fotografien waren vor kurzem im Schloss-Café in Marktbreit zu sehen.

Hinweis der Redaktion: Weil er beruflich fotografiert hat, überlegte Karl Schönherr lange, ob er sich an unserer Serie beteiligen soll. „Manche erwarten dann vielleicht mehr, andere denken, dass das ja keine Kunst ist, wenn ich es gelernt habe,“ so seine Befürchtungen. Für uns, also die Zeitung, erfüllt er aber alle Merkmale eines Leserfotografen: Schönherr schickt uns seine Bilder aus freien Stücken und ohne Auftrag, Geld bekommt er dafür nicht. Und Überschneidungen mit seinem Beruf sind ausgeschlossen: Er arbeitet seit über 20 Jahren nicht mehr.

Wir stellen einige unserer Leserfotografen in einer Serie vor. Alle bisher erschienen Artikel finden Sie im Rückblick (unten):

 

„Charakterköpfe“, wie diesen in Nepal, hält er auf seinen zahlreichen Reisen fest.
Foto: Karl Schönherr | „Charakterköpfe“, wie diesen in Nepal, hält er auf seinen zahlreichen Reisen fest.
Lichtblick: Ein Sonnenstrahl fällt durch eine enge Gasse in Marktbreit.
Foto: Karl Schönherr | Lichtblick: Ein Sonnenstrahl fällt durch eine enge Gasse in Marktbreit.
Den Blitz, der nur Sekunden zu sehen ist, hat Schönherr vom Balkon fotografiert.
Foto: Karl Schönherr | Den Blitz, der nur Sekunden zu sehen ist, hat Schönherr vom Balkon fotografiert.
Rotkehlchen vor Abendrot.
Foto: Karl Schönherr | Rotkehlchen vor Abendrot.
Frühlingsstimmung in Marktbreit.
Foto: Karl Schönherr | Frühlingsstimmung in Marktbreit.
Leserfotograf Karl Schönherr, Jahrgang 1933, mit einer alten Atelierkamera, mit der er früher im elterlichen Geschäft selbst fotografiert hat.
Foto: Karl Schönherr | Leserfotograf Karl Schönherr, Jahrgang 1933, mit einer alten Atelierkamera, mit der er früher im elterlichen Geschäft selbst fotografiert hat.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Marktbreit
Franziska Schmitt
Fotografinnen und Fotografen
Leserfotografen Kitzingen
Musizieren
Robert Schumann
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top