Den Treffpunkt fürs Wahlporträt darf sich der Kandidat aussuchen. Jochen Keßler-Rosa, der Bewerber der Freien Wähler (FW) für Bundes- und Bezirkstag, schlägt die Keßlergasse vor. „Ich bin gerne mitten in der Stadt, ich kaufe auch hier ein“, sagt er und zählt etliche Innenstadtgeschäfte auf, bei denen er Kunde ist.
Als der Reporter auf die denkbare Alternative „Villa Rosa“ hinweist, da lacht der gelernte evangelische Pfarrer und Chef der Diakonie in Schweinfurt und Kitzingen lauthals, gibt aber ganz freimütig zu, dass er lange nicht wusste, dass der Volksmund den Knast in der Hadergasse so nennt. Seine Frau Susanne habe ihn irgendwann darüber aufgeklärt.
Das Interview in der Keßlergasse kommt wegen des Bekanntheitsgrades des Kandidaten nicht voran. Ein großer Teil findet deshalb auf einer Bank auf dem Oberen Wall statt. Auch dieser Ort gefällt Keßler-Rosa.
Seine Zeit bei der CSU muss natürlich eine Rolle spielen. Der Vater war Mitglied der CDU. Und er, der Sohn, habe sich schon immer für politische Themen interessiert, ob in der kirchlichen Jugendarbeit oder in der Schülervertretung. „Deshalb bin ich ja auch Pfarrer geworden, da konnte ich meine christliche Überzeugung und die Gestaltung des sozialen Miteinanders zu meinem Beruf machen“, sagt der 57-Jährige.
Franz Lauerbach, sein Vorgänger bei der Diakonie, war der Steigbügelhalter in die Lokalpolitik. 1994 trat Keßler-Rosa der CSU bei, 1996 rückte er in den Stadtrat ein, geriet aber parteiintern immer wieder in die Kritik, weil er vor allem bei den Sozialthemen auch mal eine andere und eigene Meinung vertrat.
Dass er 2002 nicht wieder antrat, hatte aber damit zu tun, dass die Geschäftsführung auch in Kitzingen hinzukam und der Familienvater mehr gefordert war. 1997 wurde das zweite Kind geboren, da war mehr los zu Hause. Dann aber der Rückzug von Gudrun Grieser. Das OB-Amt reizte Keßler-Rosa, er wurde von namhaften CSU-Politikern aufgefordert, sogar ermuntert, aber dann „riss der Faden und keiner der CSU-Verantwortlichen hat mehr offen mit mir gesprochen, außer Hans-Gerhard Stockinger“.
2010 hat er die Konsequenzen gezogen, ist aus der CSU ausgetreten, das vor allem aber wegen der Sozialpolitik und des Umgangstons. Namentlich nennt er Christine Haderthauer, gegen die er persönlich nichts habe, aber „sie steht dafür“. Das Amt des Bezirksrats, 2008 gewählt, hat er als Freier weiter ausgeübt und er hofft, dass er seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen kann, künftig eben in der FW-Fraktion. „Ich will weiter politisch aktiv bleiben, da bleibe ich mir treu und es macht mir trotz allem viel Spaß.“ Mit Freunden und einer Gruppe geht das natürlich besser und „dazu braucht man Freunde und eine Gruppe“. Die neue politische Heimat hat Keßler-Rosa nun gefunden, sagt er. Er sei auf allen Ebenen mit großer Freundlichkeit aufgenommen worden.
Hubert Aiwanger? Keßler-Rosa hat mit dieser Frage gerechnet. „Aiwanger ist nicht der Papst und nicht der Übervater, das ist anders als zum Beispiel in der CSU“, stellt er fest und will sagen: Alleine kann es der FW-Chef nicht machen, dem Keßler–Rosa attestiert, ein gutes Gespür für Themen zu haben und authentisch zu sein. „Der ist bodenständig und redet Klartext“, sagt er und ergänzt, dass er mit Leuten wie dem FW-Fraktionschef im Stadtrat und Landtagskandidaten Adi Schön auf lokaler Ebene, oder Tamara Bischof, Landrätin in Kitzingen und Bezirksrätin, sehr gut zusammenarbeiten könne. „Die sind geerdet, da ist kein Taktieren dabei, die leisten ehrliche Basisarbeit.“ Daher sei auch er gekommen und das sei das, was er bevorzugt: „Man muss schon wissen, was die Menschen wirklich bewegt“, sagt Keßler-Rosa und verweist auf seine Zeit als Seelsorger und dann auch in der Sozialarbeit. Das komme ihm auch in der Rolle als Vorgesetzter und Arbeitgeber zugute.
Dass er, der Direktkandidat, nicht die besten Chancen auf den Bundestag hat, weiß Keßler-Rosa. Trotzdem habe er kandidiert, weil viele seiner Themen, vor allem das Soziale, auf Bundesebene entschieden würden und er sich auf die Diskussionen mit den Mitkonkurrenten im Wahlkampf freut. In den Bezirkstag will er wieder einziehen. Klar. Er will, wie gewohnt, Klartext reden, seine Haltung deutlich machen. Ein Beispiel? „Mir leuchtet nicht ein, dass Menschen mit einer Behinderung oder einer psychischen Erkrankung im Bezirk Oberbayern bessere Bedingungen vorfinden als in Unterfranken.“
Keßler-Rosa missfällt auch, dass „zu viele Bürgermeister Bezirksräte sind“. Sie vertreten damit doch den Umlagezahler, „die sind also parteiisch“. Das sei er zwar auch, allerdings eben stärker mit dem Blick der Sozialarbeit und der Betroffenen. „Ich freue mich über jede einzelne Stimme“, sagt Jochen Keßler-Rosa am Ende.
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Jochen Keßler-Rosa
1956 wurde Jochen Keßler-Rosa in Münster/Westfalen geboren. Seit 1984 ist er mit Susanne Rosa, Pfarrerin im Leopoldina-Krankenhaus, verheiratet. Die Familie, Tochter Ann-Katrin und Sohn Justus, wohnen in der Hermann-Löns-Straße 50.
Nach dem Abitur 1974 in Hofheim/Taunus studierte er evangelische Theologie in Mainz und Münster, das Vikariat in Hof von 1984 bis 1987 folgte.
Die erste Pfarrstelle trat er 1987 in Poppenlauer (Landkreis Bad Kissingen) an. Seit 1992 ist Keßler-Rosa Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Schweinfurt.
Die Qualifizierung im Bereich Sozialmanagement absolvierte er berufsbegleitend von 1995 bis 1998. Seit 2004 ist er Vorstand der Diakonie Schweinfurt mit Geschäftsführung für 20 weitere Rechtsträger der Diakonie. Jochen Keßler-Rosa ist Mitglied im Dekanatsausschuss des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirks Schweinfurt, Aufsichtsrat der Diakonie Bayern, Vorsitzender des Haus Marienthal Schweinfurt und des Grunelius-Kindergartens Oberlauringen.