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KITZINGEN
Jugendamt holt „Wolfskind“ aus der Familie
Engpässe bei Kita-Plätzen       -  Ein geordnetes Leben ist nicht für jedes Kind selbstverständlich. Der Landkreis Kitzingen muss sich zurzeit um außergewöhnlich viele und gravierende Fälle von verwahrlosten Kindern kümmern.
Foto: Julia Stratenschulte/dpa | Ein geordnetes Leben ist nicht für jedes Kind selbstverständlich. Der Landkreis Kitzingen muss sich zurzeit um außergewöhnlich viele und gravierende Fälle von verwahrlosten Kindern kümmern.
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:06 Uhr

Gleich mit mehreren Fällen von Verwahrlosungen in Familien hat es das Kitzinger Jugendamt seit einigen Wochen zu tun. Bernd Adler, Leiter des Allgemeinen sozialen Dienstes (AsD), und seine Mitarbeiter erleben derzeit „ein Ausmaß von Verwahrlosungen, wie es so noch nie da war“. Eine Erklärung hat der erfahrene Sozialpädagoge dafür nicht.

Drei spektakuläre Fälle

„Wasserstandsmeldungen von der Front“ nannte Bernd Adler seine kurzen, aber für einige Betroffenheit sorgenden Ausführungen am Ende der Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kitzinger Kreistags. Danach haben er und seine Mitarbeiter derzeit mit drei „spektakulären Fällen von Verwahrlosungen“ zu tun. Sie endeten mit der Inobhutnahme von insgesamt neun Kindern.

Eltern im Amphetaminrausch

Besonders krass: der Fall einer Familie mit vier Kindern. Die Eltern lebten im Amphetaminrausch, die Kinder, darunter fast noch ein Baby, seien völlig verwahrlost. Die Wohnung sei verdreckt und verkotet und mittendrin fand die Behörde ein Mädchen, „das wir intern Wolfskind“ nennen, sagte Adler. „Die Sechsjährige kann nichts“, sagte der AsD-Leiter – so wie die Kinder aus den Legenden, die von Tieren großgezogen wurden und als menschenscheue Wolfskinder in die Literatur und die Schlagzeilen gekommen sind.

Das Mädchen habe keinerlei Erziehung auf keinem Gebiet. „Sie spuckt, beißt, schlägt, tritt um sich“, sagte Adler. Die Kinder hätten aus der Familie geholt werden müssen. Es sei „eine enorme Arbeit“, die Kinder in Pflegefamilien oder Heimen unterzubringen, zumal die Geschwister möglichst zusammenbleiben sollten.

Besonders schwieriger Fall

Im Fall der Sechsjährigen sei das besonders schwierig. Eine Wohngruppe reiche als Hilfe nicht. Das „Wolfskind“ verletze nicht nur sich selbst, sondern habe inzwischen eine Betreuerin so attackiert, dass diese länger krank geschrieben sei. Einzelbetreuung sei nötig, auch in der Schule. In die musste das Mädchen mit sechs Jahren eingeschult werden und besucht sie vorerst stundenweise, erzählte Adler. Immerhin seien Fortschritte erkennbar.

Beispiellose Fälle

Das sei nur einer von drei Fällen aus letzter Zeit, die „von der Art und der Qualität her beispiellos sind“, sagte Adler. Aus einer weiteren Familie mussten drei Kinder geholt werden, um sie vor Schaden zu bewahren. Zuletzt seien es zwei Kinder gewesen, die in einer total verwahrlosten Wohnung gehaust hätten, in der sich die Eltern nach extremem Alkoholkonsum so verletzt hätten, „dass alles voller Blut war“. In solchen Gefahrensituationen gibt es nach Adler nur eines: Die Kinder müssen sofort aus der Familien.

Hervorragende Zusammenarbeit

Dass das bei „den nicht einfachen Menschen“ klappt, das ist laut Adler vor allem „auf die hervorragende Zusammenarbeit“ mit der Kitzinger Polizei zurückzuführen, die in einem Fall mit vier Streifenwagen und viel Verständnis dabei war. Wichtig sei bei solchen Aktionen auch, dass der Landkreis über ein gutes Netz von Pflegeltern verfüge, die einspringen könnten, auch im Extremfall.

Extremfälle

Um solche Extremfälle handelte es sich in den letzten Wochen. Warum sie sich gerade jetzt häufen, dafür hatten weder Adler noch Landrätin Tamara Bischof eine Erklärung. Sie zeigten aber, dass es trotz aller Hilfsangebote Menschen gebe, die immer weiter abstürzten. Dann sei der Landkreis gefragt, auch wenn das ins Geld gehe. Allein das „Wolfkind“ kostet laut Bischof derzeit 13 500 Euro pro Monat.

Noch kein Hilferuf

Dennoch, ein durchgehender Trend scheint das nicht zu sein. „Sonst hätte Tanja Meeder schon Hilfe gerufen“, sagte Bischof. Meeder hat als Sachgebietsleiterin Jugend und Familie beim Landkreis die Kosten in diesem Bereich im Blick und – trotz der spektakulären Fälle – offenbar noch im Griff.

 
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Kommentare
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  • G. S.
    Ich kann auch nicht verstehen, weshalb so schlimme Zustände so lange unbemerkt bleiben. Da müsste man sich doch ordentlich den Hals verrenken, um nicht hinzuschauen. Anscheinend ist Kinderleid nicht sensationell genug. Umgekehrt werden Helfer bei Unfällen behindert oder angegriffen, um nichts für die Kamera zu verpassen. Solche Leute (die entweder wegschauen oder rücksichtslos sensationsgeil sind), sind im Prinzip genauso "verkommen", wie die betreffenden Familien.
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  • A. S.
    Ich kann nicht verstehen wie man dieses Kind, nur weil es 6 Jahre ist, einschulen muss! In meinem Bekantenkreis war auch mal ein Pflegekind, sie wog mit 3 Jahren weniger als das Adoptivkind mit 7 Monaten. Sie musste auch mit 6 in die Schule obwohl sie körperlich und geistig noch lange nicht schulreif war. Ergebnis: Förderschule ohne Abschluss - warum nur lässt man diesen Kindern nicht die Zeit die sie brauchen. Sie sind psychisch und physisch am Ende !
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  • P. K.
    Ein guter Kommentar.
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  • E. B.
    "Wasserstandsmeldungen von der Front", gibt es denn von dem Pädagogen keine bessere Formulierung? Ich störe mich besonders an dem Wort "Front".
    Schlimm, das ganze. Ich stimme Bauering zu.
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  • T. B.
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  • A. S.
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  • M. P.
    derzeit 13 500 Euro pro Monat: Das Kind muss in eine Fürsorge ins Kloster mMn.
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  • H. H.
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    Es kann doch nicht sein, dass niemand aus dem Umfeld etwas bemerkt hat - das Mädchen ist bereits 6 Jahre alt. Wer, außer den Eltern, hat hier nichts sehen wollen?
    Eine Mitschuld kann auch durch Unterlassung zustande kommen.
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