Jürgen Hermann ist Frühaufsteher. Oft ist er schon in den Weinbergen um Sulzfeld unterwegs, bevor die Sonne aufgegangen ist. „Einen Hund brauch ich dafür nicht“, sagt der 68-Jährige und lacht verschmitzt. Ihm reicht Katze Shy, die ihn jeden Tag gegen 6.30 Uhr weckt. Anschließend räkelt sie sich aber lieber gemütlich auf dem Sessel am Fenster als durch das dunkle Maustal oder den Cyrakiusberg zu tigern.
Zufällig Tierbesitzer geworden
Eigentlich gehört die Katze Jürgen Hermanns Sohn Christian, der im selben Haus wohnt, vor ein paar Jahren hat sie sich aber seine Wohnung zum Leben ausgesucht. „Ich bin zufällig zu dem Tier gekommen“, sagt Hermann. Ebenso zufällig kam er dazu, Leserfotograf für die Zeitung zu werden. Gefallen hat ihm das Fotografieren schon immer.
Als 1970 sein Sohn und vier Jahre später die Tochter geboren wurden, hat er zunächst vor allem die Familie fotografiert – damals noch mit der Kamera seiner Schwiegereltern, die er nach der Hochzeit übernommen hat. Noch heute macht er viele Bilder bei Familienfeiern und fotografiert jedes Jahr im Sommer seine beiden Enkelinnen, die am selben Tag, aber mit drei Jahren Abstand, Geburtstag haben.
Fast jeden Tag auf den Spuren der Sonne unterwegs
Besonders angetan hat es ihm aber die Natur – und Bilder von der Sonne. Fast jeden Tag setzt er sich ins Auto und fährt in die Weinberge um Sulzfeld oder ist Richtung Erlach und Sommerhausen unterwegs. Er mag den Blick von dort oben. Seine Kamera, eine handliche Panasonic Lumix FZ45, mit der er seit rund drei Jahren fotografiert, hat er zusammen mit einem Stativ immer im Auto.
Mit dem Apparat dreht er auch kleine Filme, die er auf seiner Facebook-Seite hochlädt. Dafür steht er zum Teil richtig früh auf. Um Fledermäuse oder Vogelstimmen, wie die der Nachtigall, vor die Kamera zu bekommen, bemüht er sich auch schon mal um 3 Uhr nachts aus dem Bett. Beim Filmen wie beim Fotografieren gilt für
ihn: „Man muss Zeit haben, sonst kann man's lassen.“ Dass allerdings stimmt, was er vorher oft gehört hat – als Rentner hat man keine Zeit – hätte er nicht für möglich gehalten, als er 2009 in Altersteilzeit ging. Der gelernte Elektroinstallateur hat immer etwas zu tun und „man lernt immer dazu“, wie er sagt.
Arbeit am Computer als Rentner selbst beigebracht
Das Arbeiten am Computer und die digitale Fotografie hat er sich als Rentner selbst beigebracht. Einen Kurs hat er nie besucht, er nimmt aber gern Tipps an, etwa durch Kommentare auf die Bilder, die er auf Facebook stellt. „Wenn einer schreibt, dass ich beim nächsten Mal darauf achten soll, dass kein Strommast im Bild ist, dann greif ich das gern auf“, sagt er.
Zeit nehmen auch Projekte in Anspruch, die er für sich selbst, aber vor allem für Freunde und Verwandte macht. Auf dem Tisch im Wohnzimmer stapeln sich selbst gemachte Fotobücher – Ausflüge mit dem VdK oder dem Schützenverein, Faschingsumzug, die Sachs-Franken-Classics, die Sonnenfinsternis 2015 oder ein Buch zum Thema Hochwasser in Sulzfeld. Alle Bilder stammen aus seinem eigenen Fundus, alte Ortseinsichten hat er zum Teil eingescannt.
Fotokalender in Blindenschrift
Für eine Bekannte hat er einen Fotokalender mit zwölf Heiligenfiguren und Sulzfelder Sehenswürdigkeiten gestaltet. Weil die Frau blind ist, hat er sich von deren Mutter heimlich eine Schreibmaschine, die Blindenschrift schreibt, ausgeliehen und hat so jedes Bild extra beschriftet. Ein anderes Mal hat er die elf Rosenstöcke, die sie im Lauf der Jahre bekommen hat, fotografiert, sich noch ein zwölftes Rosenmotiv gesucht und einen Kalender gebastelt.
So wie er schöne Momente sammelt und anderen damit gern eine Freude macht, zeugt sein Wohnzimmer noch von anderen Sammelleidenschaften und den Leuten, die dabei an ihn denken: In der Vitrine stehen glänzende Modellautos neben Uhren und einer großen Schweine-Sammlung – ob aus Holz, Stoff, Porzellan, Pappe oder von den Enkeln aus Papier gebastelt, die klugen Tiere haben es ihm angetan. Viele hat er geschenkt bekommen.
Ein Schwein mit Flügeln
An der Wand über dem Sofa hängen auch einige Bilder von seinem Nachbarn, dem Sulzfelder Künstler Harald Schmaußer. Das Motiv hat Jürgen Hermann selbst bestimmt: Ein Schwein auf Wolken gebettet, ein weiteres mit Flügeln durch die Luft schwebend. „Ich bin eben ein lustiger Vogel“, sagt Hermann über sich selbst und muss dabei ein bisschen grinsen. Und Vögel sind ja bekanntlich Frühaufsteher.
Zur Person: Jürgen Hermann
Der gebürtige Gerolzhöfer, Jahrgang 1948, wuchs als Ältester von acht Geschwistern in Lülsfeld auf. Nach der Hochzeit 1969 zog er nach kurzer Zeit in Sulzfeld zunächst mit nach Bruchsal zu den Eltern seiner Frau. Dort wurden Sohn Christian (1970) und Tochter Melanie (1974) geboren.
Mitte der 1970er Jahre kehrte die Familie nach Sulzfeld zurück und zog ins ehemalige Elternhaus der Frau, ein denkmalgeschützter Fachwerkbau, den Hermann über einige Jahre sanierte und umbaute. 1996 trennten sich Jürgen Hermann und seine Frau. Nach kurzer Zeit in Hohenfeld, lebt er heute wieder in Sulzfeld.
Der gelernte Elektroinstallateur arbeitete bei verschiedenen Firmen unter anderem in Frankenwinheim, Bruchsal, Volkach und Heidingsfeld bis er 1979 zum Gusswerk Fichtel & Sachs (heute Franken Guss) nach Kitzingen kam, wo er bis zur Rente 2009 blieb.
Jürgen Hermann ist Mitglied beim VdK und bei den Schützen, mit denen er früher zahlreiche Reisen unternahm und fotografisch festhielt. Er hat vier Enkel.
Hinweis in eigener Sache: Vor etwa einem Jahr haben wir begonnen, einige unserer Leser, die oft Fotos an die Redaktion schicken, vorzustellen. Jetzt geht die Serie weiter. Alle bisher erschienen Artikel finden Sie im Rückblick (unten).