Die Verzweiflung ist Dr. Michael Bedö anzumerken, die Ratlosigkeit unübersehbar. Wie geht ein Arzt mit den Überlegungen der Regierung für eine Krankenhausreform um? "Ich bin kein Politiker", sagt der Vorsitzende des Gesundheitsnetzes Kitzinger Land. "Soll ich den Leuten Angst machen, wenn ich sage, was durch die Reform aus der Sicht eines Praktikers zu erwarten ist? Oder soll ich den Mund halten?`" Der Mainbernheimer Internist hat sich entschieden, nicht zu schweigen. Weil er, wie auch der Kreistag, verhindern will, dass die Klinik Kitzinger Land zu einem Krankenhaus der Grundversorgung mit Notfallbehandlung (Level 1) zurückgestuft wird. Bedö schildert die drohenden Probleme aus Sicht eines Mediziners – und spricht dabei mehrfach von "Lüge" und "Utopie".
Welche Folgen hätte es, wenn die Klinik Kitzinger Land "Level 1-Klinik" werden würde?
"Die Klinik dürfte die Fachabteilungen nicht behalten", sagt Michael Bedö. Keine Bauchchirurgie, keine Knochenchirurgie, keine Fachkardiologie, keine Gastroenterologie. Was medizinisch aufwändiger ist, müsste nach Würzburg in ein Level 2-Krankenhaus oder die Uniklinik (Level 3) geschickt werden. Wäre nicht mal mehr eine akute Blinddarm-OP in Kitzingen möglich? "So wie ich die Pläne verstehe, nicht", so Bedö. Alles, was in den letzten Jahrzehnten "an hervorragender medizinischer Versorgung" an der Klinik aufgebaut worden sei, wäre dann weg." Dabei steige der Bedarf.
Welche Folgen wären für die niedergelassenen Ärzte zu erwarten?
Die Ärzte wüssten dann nicht mehr, wie ihre Patienten versorgt werden können. Es sei "eine Lüge und eine Utopie", dass die bestehenden Häuser in Würzburg das auffangen könnten, so Bedö. Die Uniklinik kämpfe schon seit Jahren um Flächen für eine Erweiterung. Und das Klinikum Würzburg-Mitte habe keinen Platz, um sich zu vergrößern.
Warum würden die bestehenden Kapazitäten in Würzburg und Schweinfurt nicht reichen?
Grund ist die Baby-Boomer-Generation, argumentiert der Internist. Die Krankheitslast ist zwischen dem 60. und 90. Lebensjahr sei besonders hoch. Die Zahl der Menschen, die eine Behandlung brauchen, steige noch etwa 25 Jahre an. "2035 werden wir so viele über 80-Jährige haben wie noch nie." Der Bedarf nehme massiv zu, gleichzeitig fahre man die Kapazitäten in Kliniken und Praxen nicht nach, sondern mache sogar die vorhandenen Strukturen kaputt, obwohl sie noch lange gebraucht würden. "Erst in 25 Jahren ist der Engpass vorbei."
Gibt es bereits jetzt Engpässe für die Patienten im Landkreis Kitzingen und in der Region?
Schon jetzt melden sich laut Michael Bedö immer wieder Klinik-Abteilungen bei der Leitstelle ab, nehmen keine Patienten mehr auf. "Auch in der Klinik Kitzinger Land." Wollen die Ärzte einen Patienten einweisen und hören am Telefon, dass die betreffende Abteilung voll sei, versuchen sie, eine Zwangsbelegung zu erreichen. "Die Leitstelle sagt mir dann, welches Haus an der Reihe ist." So würden Patienten, die nach Kitzingen sollen oder alternativ nach Würzburg, letztlich manchmal in Schweinfurt behandelt. Für Patienten bedeutet das zugleich, dass sie wegen der langen Anfahrt kaum Besuch bekommen.
Was bedeuten die geplante Krankenhausreform für Patienten?
Die Wartezeiten auf Facharzttermine oder chirurgische Eingriffe werden noch deutlich länger, als sie jetzt schon sind, befürchtet der Internist. "Schon jetzt warten Sie bei einem Kardiologen manchmal acht Monate auf einen Termin und auf ein neues Hüftgelenk über ein Jahr." Das werde sich mit der Reform noch verschlimmern. Zugleich werde den Bürgern vorgegaukelt, der Hausarzt müsse nur beim Kollegen anrufen und dann gehe alles ganz schnell. "Aber wir blitzen genauso ab - und verschleißen mit dem Herumtelefonieren viel Arbeitszeit." Falle die Kitzinger Klinik als erster Ansprechpartner für die Ärzte weg, sehe es für die Patienten "zappenduster" aus. Bedö nennt akute Blutungen als Beispiel oder schnell nötige Abklärungen, wie bei Thrombosen oder Lungenembolien. Es gehe wertvolle Zeit verloren.
Welche Auswirkungen hätte die Reform für das Personal?
Erhebliche, ist Bedö überzeugt. Gut ausgebildetes Personal, vor allem auch jüngeres, würde an eine höhergestufte Klinik mit Fachabteilungen wechseln. "Die besten Leute wandern uns ab." Schon jetzt sei der Anspruch, den Ärzte und Mitarbeiter an sich stellen, mit der Realität nicht vereinbar. Medizinisches Personal und auch die Ärzte könnten nicht pausenlos arbeiten. Wartezeiten auf Termine und Behandlungen werden für alle Patienten zunehmend zum Ärgernis. "Wenn mehr Patienten zu versorgen sind als zeitlich möglich ist, müssen wir auch in der Praxis Nein sagen. Dann habe ich das Gefühl, dass ich den Patienten im Stich lasse." An der Pflege sehe man, wohin das führe. "Viele sind aus Selbstschutz aus dem Beruf raus."
Ist die Krankenhausreform unnötig?
Es gebe berechtigte Gründe für eine Reform, sagt Bedö. Die Kliniken müssten besser finanziert werden und dürften nicht mehr dem Druck der reinen Rentabilität ausgesetzt sein. So, wie sie angedacht ist, hält er die Pläne für falsch. Es gehe ums Geld und nicht um die Versorgung. " Durch die Reform wird der Mangel verstärkt und nur anders finanziert." In Großstädten Häuser zusammenzulegen, gefährde die Versorgung nicht. Im ländlichen Raum aber schon. Bedös Plädoyer: "Zerstört nicht die funktionierenden Strukturen, die wir in den nächsten 15 bis 25 Jahren dringend brauchen." Wer schweige, wo er widersprechen sollte, dem werde Zustimmung unterstellt. "Und deshalb widerspreche ich dem geplanten Aus für unser Krankenhaus."
Dr. med. Georg Klose, Vorsitzender "Förderring Gesundheit Mainschleife Volkach e.V."
Man darf nicht vergessen, dass Krankenhausplanung Ländersache ist und somit der ländliche Raum einiges an Fürsprechern bei der Reform hat - da wird keiner Angst haben müssen, dass wegen einer wie auch immer gearteten Reform jemand plötzlich nicht versorgt wird; solche Szenarien werden dem Personalmangel geschuldet sein bzw. sind dies bereits.
Unweigerlich vorbei sein werden aber die Zeiten, in denen quasi jedes Krankenhaus die Abteilungen etablieren kann, die es möchte und dann darauf hofft, dass genug Patienten angelockt werden um das Ganze dann durch die Fallpauschalen refinanzieren zu können - das ist definitiv begrüßenswert, denn wenn sich so manches Haus auf seine Rolle als Grundversorger konzentriert hätte, würde heute nicht so eine Panik dort herrschen...