
Längst ist sie zum beliebten Touristenmagnet geworden. Im Laufe der Jahre ist jedoch die ursprüngliche Botschaft als "Fest der Vielfalt und Zeichen gelebter Demokratie" zunehmend in Vergessenheit geraten. Dieses "25. Jubiläum" am 5. Oktober um 11 Uhr, aber noch vielmehr die aktuellen politischen Veränderungen durch Erstarken rechter Parteien und zunehmender Akzeptanz ihrer Positionen in der Gesellschaft, nimmt der Arbeitskreis "Ge‘h’wissen" zum Anlass, an die Entstehung der "Letzten Fuhre" zu erinnern, schreiben die Initiatoren in einer Mitteilung, aus der diese Informationen stammen.
Im Oktober 2000 soll auf dem Markplatz in Iphofen eine groß angelegte Kundgebung stattfinden, bei der führende Neonazis als Hauptredner auftreten. Bundesweit wird in rechten Netzwerken zur Teilnahme aufgerufen. Grundsätzlich wird geplant, Iphofen als Stützpunkt rechter Gruppierungen zu verorten. Die Kundgebung wird genehmigt, nach Intervention verboten, wieder genehmigt …. letztlich wieder kurzfristig gerichtlich verboten, in der Nacht vor der Kundgebung.
Präsenz zeigen gegen Rechte
Ein breites Aktionsbündnis von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, initiiert von beiden Kirchen, mit voller Unterstützung des Stadtrates und Bürgermeister formiert sich schnell, um aktiv, kreativ wirksame Lösungen für ein Verhindern des Aufmarsches zu finden. Das Wiederbeleben der "Letzten Fuhre" als Tradition der Weinstadt wird innerhalb kürzester Zeit als wirksamste Lösung gesehen und vorangebracht. Der Marktplatz wird zum Ort des Festes und damit zum sichtbaren Zeichen: Präsenz zu zeigen, den Rechten keine Räume, keine Bühne zu geben.
Viele sind am Gelingen beteiligt: Winzerinnen und Winzer, die ihre Fuhrwerke schmücken und gleich am Morgen sich auf dem Marktplatz positionieren. Vereine, die für Ausschank und Verpflegung sorgen, die Touristinfo, die Winzertanzgruppe, viele Ehrenamtliche aus dem Aktionsbündnis Arbeitskreis Ge’h‘wissen, Kirchenglocken und Friedensgebet, Transparente an allen Stadttoren und die Unterschriften von über 1000 Bürgerinnen und Bürger sind die eindrucksvollen Zeichen einer gelungenen Zusammenarbeit für das gemeinsame Ziel! Spannung und Sorge vor Eskalationen sind dennoch spürbar und durchaus berechtigt, denn rechte Gruppierungen treffen trotz Verbot der Kundgebung ein. Ein hohes Polizeiaufgebot sichert die Stadt und die friedliche Feier des Festes ab. Letzten Endes ist und bleibt diese Initiative ein gelungenes Beispiel für demokratisches Engagement.
Wo Fuhrwerke den Platz einnehmen, engagierte Menschen sich positionieren für demokratische Grundhaltungen und Zivilcourage leben, ist kein Platz für rechte Parolen. Das war die Botschaft und der Geist der ersten letzten Fuhre: Friedliches Miteinander, Vielfalt und Dialog, konstruktive Lösungen. Diesen "Geist" weiter zu tragen und zu leben ist in diesen Zeiten, 24 Jahre danach, wichtiger denn je und unser aller Auftrag.