Der junge Mann ist 19 Jahre alt und kann den Griff in fremde Geldbeutel nicht lassen. 2017 hat er nach sechs Diebstählen soziale Hilfsdienste bekommen und erneut gestohlen. 2018 bekam er vier Wochen Jugendarrest und hat wieder zugeschlagen. Auch eine halbjährige Jugendstrafe 2019 und eine offene Bewährung hielten ihn nicht ab, im Mai 2022 vier Mitschüler im beruflichen Fortbildungszentrum in Kitzingen um insgesamt 135 Euro zu erleichtern.
Diebstahl in vier Fällen. Dafür saß er jetzt vor dem Jugendschöffengericht. Das schickte den derzeit Arbeitslosen unter Vorsitz von Jugendrichter Wolfang Hülle für ein Jahr in die Jugendvollzugsanstalt. Eine Möglichkeit zur Bewährung sah das Gericht nicht. Das hatten zuvor sowohl der Staatsanwalt, aber auch der Pflichtverteidiger ähnlich gesehen. Der Jugendrichter forderte den Heranwachsenden auf, die Zeit und die Angebote im Jugendgefängnis zu nutzen, um sein Problem in den Griff zu kriegen. "Da sind die richtigen Leute, die ihnen helfen können", gab Hülle ihm mit auf den Weg. Er zeigte auch die Alternative auf. Beim nächsten Mal sei der Mann über 21: "Dann gilt das Erwachsenenrecht und da kommen sie aus dem Knast nicht mehr raus."
Schüchtern und unsicher
Dass er was tun muss, scheint dem unsicher und schüchtern wirkenden jungen Mann auf der Anklagebank klar zu sein. Er räumte alle Vorwürfe ein, erklären kann er die Serie von Diebstählen allerdings nicht. Die Straftaten laufen seit 2017 immer nach dem genau gleichen Muster ab. Ob bei einem Praktikum im Lebensmittelmarkt, einem Altenheim oder in der Schule: Immer wenn der junge Mann die Gelegenheit dazu hat, greift er in fremde Geldbeutel.
"Wenn ich weiß, dass Geld da ist, verspüre ich einen Drang und greife zu", versuchte er dem Gericht zu erklären: "Ich kann mich nicht beherrschen, habe das Gefühl, dass ich das machen muss". Danach gehe es ihm besser, sagte er. Gleichzeitig sprach er aber auch davon, sich im Nachhinein für die Diebstähle zu schämen. Was ihn aber nicht davon abhält, sich mit dem gestohlenen Geld "etwas zu leisten". Zu einer Entschuldigung oder einer Wiedergutmachung hat sich sich bisher nicht durchringen können.
Angeklagter hat eine komplizierte Persönlichkeit
Klar wurde schnell, dass es in den vergangenen Jahren schon alle möglichen Hilfsangebote für den jungen Mann gegeben hat. Gescheitert sind sie bisher alle. An der "komplizierten Persönlichkeit" des Angeklagten hatte ein Bewährungshelfer einmal geschrieben. Und die Situation wird nicht besser. Aktuell ist der 19-Jährige zuhause rausgeschmissen worden. Er lebt im Kitzinger Notwohngebiet – "ohne Einkommen und Struktur", wie die Jugendgerichtshilfe sagte. Immerhin gebe es inzwischen einen Lichtblick. Der junge Mann bemühe sich um einen Job, habe ein Bewerbungsgespräch in Aussicht und er stehe seit kurzem unter umfassender gesetzlicher Betreuung.
Um eine Jugendstrafe zu verhindern, war das allerdings zu wenig. Da waren sich alle Beteiligten einig. Eine vom Verteidiger angesichts des "inneren Zwanges" angesprochene eingeschränkte Schuldfähigkeit, sah das Gericht nicht. Hülle und die beiden Schöffen entschieden sich für die harte Linie. Wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, schickte das Gericht den Angeklagten in Jugendstrafanstalt und eröffneten ihm damit "vielleicht die letzte Chance, doch noch in ein geregeltes Fahrwasser zu kommen".