Von 1993 an war Reinhard Hüßner Museumsleiter in Mönchsondheim, im Juni hat er den Posten „mit einem guten Gefühl“ an Nicolas Jagla übergeben. Jetzt blickt er auf dem Platz vor der Kirchenburg auf diese Jahre zurück. Dabei wird schnell deutlich: Das Interesse am Leben der Vergangenheit streift der Volkskundler mit Eintritt in den Ruhestand nicht ab. „Ich hab' schon noch einiges zu tun“, sagt er.
Reinhard Hüßner ist einer der Menschen, die man gerne als fränkisches Original bezeichnet. Die passende Auszeichnung hat er schon 2001 erhalten: den Frankenwürfel, mit dem Wendige, Witzige, Widersprüchliche geehrt werden, Menschen mit den typisch fränkischen Charakterzügen eben. Dabei würden ganz Strenge Reinhard Hüßner womöglich als „Neigschmeckten“ bezeichnen, denn zur Welt kam er im Mai 1958 im westfälischen Soest. Fränkisch wurde er schnell, kam schon als kleines Kind nach Wiesenbronn, wo er noch heute lebt.
Von Weinbergen umgeben aufgewachsen, da scheint es wenig verwunderlich, dass Reinhard Hüßner den Beruf des Winzers erlernte. Danach ging er auf die Fachoberschule mit dem Ziel, Weinbau zu studieren. Den Studienplatz schon in der Tasche, hat er in der FOS die Eignungsprüfung für den öffentlichen Dienst abgelegt. Es folgte ein Angebot, in die Verwaltungsschule und das Landratsamt zu wechseln. Gutes Geld in einer Behörde verdienen oder Weinbauingenieur werden, wofür es damals wenige Stellen gab? Hüßner entschied sich für die Verwaltung und arbeitete nach der Ausbildung im Jugendamt, war dort für Pflegschaften und Vormundschaften zuständig. „Das war angenehm, weil ich selbstständig arbeiten konnte.“ Ein Satz, der viel aussagt über den Wiesenbronner. Er ist keiner, dem man vorkauen muss, was er zu tun hat. Er übernimmt gerne Verantwortung, hat viele Ideen, setzt sie mit großem Engagement um, arbeitet zielstrebig, kann hartnäckig sein, um das zu erreichen, was er für richtig hält.
Überraschender Besuch im Büro
1992 bekam er Besuch im Büro: Peter Merten, damals im Landratsamt zuständig für das Sachgebiet Kultur, und Dr. Rudolf Schöpfel standen da und fragten ihn, ob er sich vorstellen könnte, Schöpfels Nachfolger als Leiter des Kirchenburgmuseums Mönchsondheim zu werden. „Ich habe ohne Zögern zugesagt. Ohne zu wissen, was da genau auf mich zukommt.“
Hüßner war bereits Mitglied im Kirchenburgverein, hatte den Tag der Volksmusik dort auf die Beine gestellt, war an Kultur und Heimatpflege interessiert, hatte 1991 nochmal an der Uni Würzburg angefangen, Volkskunde und Geschichte zu studieren – „damals ohne zu wissen, dass es mal wichtig werden könnte“.
Als Hüßner Anfang 1993 den Posten des Vorsitzenden und damit ehrenamtlichen Museumsleiters übernahm, war das Museum in der Kirchenburg fertig. Die meisten Gebäude, die inzwischen zum Museum gehören, waren noch außen vor. Auch an die archäologischen Ausgrabungen, die 1996 folgen sollten, dachte damals noch keiner. Vor Antritt der Stelle hatte er klar gemacht: ehrenamtlich lässt sich so ein Museum nicht leiten und ausbauen. „Ich habe ein Pamphlet aufgesetzt, dass ich eine Halbtagsstelle brauche.“ Mit Erfolg: Er wurde zunächst halbtags, 1998 dann ganztags für die Museumsleitung freigestellt und war so bis zu seiner Pensionierung beim Landratsamt beschäftigt.
1975 hatten Rudolf Schöpfel, Fritz Endres und Otto Beck die Idee, aus der Kirchenburg ein Bauern- und Handwerkermuseum zu machen. Eine ideale Kombination, wie Reinhard Hüßner heute sagt: Beck hatte die Ausstellungsstücke, Schöpfel übernahm die Organisation, der Mönchsondheimer Endres kannte die Menschen vor Ort. Die brauchte es, um das erste Kirchenburgfest 1980 auf die Beine zu stellen und das Museum 1981 zu eröffnen.
Drei große Feste gibt es jedes Jahr, die nur mit Hilfe der Einwohner gestemmt werden können. Neben dem Kirchenburgfest stehen längst der Volksmusiktag und das Herbstfest fest im Jahreskalender. „Ich muss wirklich hoch anerkennen, dass die Mönchsondheimer sich dreimal im Jahr hinstellen, Vorführungen machen, helfen, grillen und so weiter“, lobt der langjährige Museumsleiter.
Im Mai 1995 hat Reinhard Hüßner ein Konzept für das Museum entworfen. Sechs Seiten, mit vielen Unterpunkten, allesamt mit dem Ziel, im Museum das Dorf als Ganzes darzustellen, als Gemeinschaft in kirchlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, damit verbunden die Gemarkung rund ums Dorf. Von der Dreifelderwirtschaft über die Sozialgeschichte eines Dorfes bis zu den Herrschaftsverhältnissen und Verwaltungsstrukturen: „Es gibt kein Thema, das man hier nicht darstellen kann. Das fasziniert mich an Mönchsondheim so.“ In Archiven hat er dafür gelesen, mit den Bürgern gesprochen, unzählige Stunden investiert. „Zeit ist nicht wichtig. Ich bin immer gern nach Mönchsondheim gefahren. So eine schöne Arbeitsstelle muss man erst mal kriegen.“
Hüßner hält das damalige Konzept in den Händen, blättert es durch, nickt zufrieden: Eigentlich alles erreicht. Möglich war das nur, weil erst Landrat Naser und dann Landrätin Bischof sowie der Iphöfer Bürgermeister Josef Mend ihm immer Vertrauen entgegenbrachten und Freiraum ließen. Das rechnet er ihnen sehr hoch an. Und auch der Wunsch, für das Museum einen Zweckverband zu gründen, wurde umgesetzt. Der Zweckverband und die damit verbundene finanzielle und personelle Sicherheit waren ihm wichtig, um mit dem schon zitierten „guten Gefühl“ in Ruhestand gehen zu können.
Das Kirchenburgmuseum ist ein Ort, der die Vergangenheit zeigt. Wie die Menschen gelebt haben, sich versorgt haben, gebaut haben in früheren Jahren, wie sich das Dorf entwickelt hat. „So ein Museum ist aber auch ein Zukunftsort“, sagt Reinhard Hüßner. Man könne viel lernen von dem, was früher war. Die Traubenstöcke am Haus, die im Sommer für Kühle sorgten und im Herbst Früchte lieferten. Der von einem Schreiner gefertigte Stuhl, der jahrzehntelang hält. „Für den braucht man weniger Energie, als wenn man fünf günstige von der Industrie kauft, die man für den gleichen Zeitraum braucht, weil sie schneller kaputtgehen.“ Was wie angebaut wurde, wie sich Lebensmittel haltbar machen ließen, wie die Wärme erzeugt wurde.... es sind viele aktuelle Fragen, auf die es im Kirchenburgmuseum eine Antwort gibt.
Kampf gegen das Vergessen
Dem Volkskundler Hüßner geht es aber auch um die Gemeinschaft, das Miteinander. In den Familien, im Dorf, zwischen den Religionen. Und genau da liegt sein „Ruhestandsprojekt“: die frühere Synagoge in Wiesenbronn, in der er mit seiner Frau wohnt. Es geht ihm da um mehr als ums Gebäude, das beide hergerichtet haben. „Es gibt viele Dokumente, die belegen, dass bei uns Juden und Christen über lange Zeit ganz normal miteinander gelebt haben“, sagt Hüßner. Denen will er sich widmen, die will er bekannt machen. „Es ist mir ein Anliegen zu zeigen, dass es jahrhundertelang funktioniert hat. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.“