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KITZINGEN
In der Heimat droht ihr die Ermordung: 29-Jährige aus Kitzingen abgeschoben
Flüchtlinge in Deutschland       -  Polizisten begleiten eine Frau und ihre beiden Kinder zum Flugzeug. Wie auf diesem Archivbild erging es am vergangenen Dienstag Naila und ihren beiden Kindern.
Foto: Dpa-Archiv/ Sebastian Willnow | Polizisten begleiten eine Frau und ihre beiden Kinder zum Flugzeug. Wie auf diesem Archivbild erging es am vergangenen Dienstag Naila und ihren beiden Kindern.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:09 Uhr

Wie es ihr geht? Ob sie ihre Kinder noch hat? Es herrscht Unsicherheit über das Schicksal einer Frau aus Aserbaidschan, die seit mehreren Jahren in Kitzingen gelebt hat. Am Dienstagmorgen wurde die 29-Jährige mit ihren beiden Kindern aus der Unterkunft im Innopark abgeholt, berichtet Astrid Glos, Integrationsbeauftragte der Stadt. Wenige Stunden später saßen Mutter und Kinder im Flieger und wurden nach Aserbaidschan abgeschoben. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hält das für rechtswidrig. Über den Asylfolgeantrag sei noch nicht entschieden gewesen. „Es wurde kein rechtsgültiger Asylfolgeantrag gestellt“, sagt dagegen die Regierung von Unterfranken.

2015 ist Naila mit ihrem Mann nach Deutschland gekommen, ihre beiden Kinder, ein Sohn und eine Tochter, kamen in Kitzingen zur Welt, gingen hier in den Kindergarten und zur Schule. Ihr Mann stellte einen Asylantrag, der wurde abgelehnt, die Familie erhielt eine Duldung. Anfangs sei innerhalb der Familie alles in Ordnung gewesen, sagt Eylem Tamahkar, die sich mit der Frau aus Aserbaidschan angefreundet hat. Dann aber kam es zu Problemen, es habe Streit gegeben, der Mann habe seine Frau bedroht, sei handgreiflich geworden. Zur Polizei habe die junge Frau nicht gehen wollen. „Sie hat sich geschämt“, erzählt Eylem Tamahkar. Weil sich an der Situation nichts änderte, schaltete sie die Kitzinger Bürgermeisterin und Integrationsbeauftragte Astrid Glos ein. „Bereits in der Gemeinschaftsunterkunft in Kitzingen übte der Mann massive häusliche Gewalt aus und bedrohte seine Frau“, berichtet auch Glos, zudem habe er jede Art der Integration abgelehnt. Auf Bitten der ehrenamtlichen Betreuer und der Integrationsbeauftragten sei der Ehemann letztendlich in eine andere Unterkunft verlegt worden. Im Sommer 2021 kehrte er freiwillig nach Aserbaidschan zurück. Die Bedrohungen hätten damit aber nicht aufgehört, so Glos. Er werde ihr die Kinder wegnehmen, sobald sie abgeschoben werde. „Außerdem warf er ihr vor, Beziehungen zu anderen Männern gehabt zu haben und drohte, sie umzubringen.“ Eylem Tamahkar bestätigt diese Drohungen. „Naila hatte Angst.“

Was die Regierung sagt

Am 24. Januar hat ein Anwalt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens beantragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe ihn darauf hingewiesen, dass dafür ein rechtsgültiger Asylfolgeantrag gestellt werden müsse, informiert der Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, Johannes Hardenacke. Anwalt und die Betroffene hätten das gewusst. „Aber es wurde kein rechtsgültiger Asylfolgeantrag gestellt.“

In einem Schreiben vom 18. März forderte das Bamf noch einmal dazu auf, innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens den Grund mitzuteilen, der eine schriftliche Antragstellung zulässt, oder die persönliche Antragstellung in Zirndorf zu veranlassen. Die Freundin habe vielfach versucht, dort telefonisch einen Termin für Naila zu machen, sei aber nicht durchgekommen, auf Mails sei keine Antwort gekommen, versichert Silke B., die seit Jahren in der Flüchtlingshilfe tätig ist und auch Naila unterstützte. „Die Frist war noch nicht abgelaufen“, sagt Astrid Glos bezüglich des Schreibens vom 18. März, die persönliche Vorsprache hätte noch erfolgen können. Doch tatsächlich sind die genannten 14 Tage nicht als Frist zu verstehen. Solange kein rechtsgültiger Asylfolgeantrag gestellt ist, kann jederzeit eine Abschiebung erfolgen, erklärt Johannes Hardenacke.

Am Dienstag gegen 6 Uhr klingelte bei Eylem Tamahkar das Telefon: „Naila war dran. Sie hat geweint und gesagt, dass sie und die Kinder abgeholt, nach München gefahren und abgeschoben werden.“ Gemeinsam mit Silke B. versuchte die Freundin, vor Gericht noch eine Aufhebung der Abschiebung zu erlangen, während die Familie bereits am Flughafen in München war. Sowohl der Antrag für die Mutter als auch der für die Kinder wurden als unbegründet abgelehnt. Auch das Gericht verwies darauf, dass der Folgeantrag nicht wirksam gestellt wurde, was dem Anwalt bereits im Januar mitgeteilt worden sei. Die Situation sei schrecklich, sagt Eylem Tamahkar, die nach dem Telefonat am Dienstagmorgen keinen Kontakt mehr zu der 29-Jährigen hatte. Astrid Glos ist „entsetzt“ über das, was da passiert ist und fordert die sofortige Aussetzung der Abschiebung und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für die Frau und ihre Kinder, „um einen Mord zu verhindern“.

Terre des Femmes, eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation, die sich für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes und freies Leben für Mädchen und Frauen weltweit einsetzt, hält die mehrfachen Morddrohungen für sehr glaubwürdig. In Aserbaidschan seien tief verwurzelte Geschlechterstereotypen zu finden, die Legitimation für Gewalt an Frauen bieten und Gleichberechtigung verhindern. Körperlicher, sexueller und psychischer Missbrauch von Frauen im privaten Bereich werde in der Regel toleriert, da er zur familiären Privatsache erklärt werde. Die Organisation verweist auf einen UN-Bericht, in dem festgestellt wird, dass besondere Schutzmaßnahmen im Strafrechtssystem für weibliche Opfer häuslicher Gewalt fehlen. Schutzeinrichtungen, wie Naila sie benötige, könnten ihr in Aserbaidschan nicht geboten werden. Weil das Paar noch verheiratet ist, sei davon auszugehen, dass der Mann die Kinder bekomme, sagt Myria Böhmecke vom Referat Gewalt im Namen der Ehre. „Es sieht nicht gut aus.“ In einer schriftlichen Stellungnahme, den sie für den Asylfolgeantrag von Naila geschrieben hat, drückt sie sich noch deutlicher aus: „Bei einer Abschiebung der Frau ist zu befürchten, dass ihr Mann und seine Familie seine Drohungen wahrmachen und sie umbringen werden.“ Terre des Femmes hat den Anwalt kontaktiert und darum gebeten, weiterhin den Asylfolgeantrag aufrecht zu erhalten.

Die Freunde sind in Sorge

Um die Ehre, genau darum geht es in diesem Familienstreit, sagt Silke B. Der Mann sei überzeugt, dass die Frau ihn betrogen habe, was nicht der Wahrheit entspreche. Doch in den Augen des Mannes sei die Ehre der Familie beschmutzt. Der Mann habe angekündigt, dass er das Sorgerecht für die Kinder bekomme, sobald die Frau nach Aserbaidschan zurückkehren werde – und seine Frau werde er umbringen. Auch sein Bruder habe mit Rache gedroht.

 
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  • forchheimer
    Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen....es geht um die Ehre des Mannes....das ist Alltag in sehr vielen Ländern und kommt auch bei uns nicht selten vor. Aber.....ist es ein Grund für Asyl oder ein Bleiberecht, wenn man vom eigenen Ehemann bedroht wird? Wohl kaum, ansonsten hätten sehr viele Frauen die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen, bei Asyl geht es aber nicht um Bedrohung durch Angehörige sondern um Bedrohung durch den Staat. Wir können nicht die patriarchalischen Gesellschaftsformen in den vielen Staaten aufbrechen und verändern, das können nur die Frauen selbst, wie uns unsere eigene Geschichte gelehrt hat. Auch deutsche Frauen hatten und haben einen steinigen Weg zu gehen und von voller Gleichberechtigung sind wir auch noch ein ganzes Stück entfernt.....
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