
Im September 2022 schlug der Handwerker und zweifache Familienvater bei einer Kirchweih im Landkreis zu. Mit gut 2,5 Promille Alkohol im Blut traf er in einem Vereinsheim seinen 14-jährigen Sohn mit der Faust im Gesicht. Dass der Sportschütze zudem eine Gaspistole in seinem Rucksack mit sich trug, brachte ihm ein Verfahren wegen Körperverletzung und wegen des unerlaubten Besitzes und Führens einer Waffe ein. Jetzt stand er vor dem Kitzinger Amtsgericht – und kam glimpflich davon. Weil er seine Lektion offenbar gelernt hatte.
"Mein Mandant hat seit dem Vorfall sehr, sehr, sehr viel getan", sagte die Verteidigerin des Mannes. Der habe ein Alkoholproblem und gehe es intensiv an. Die Anwältin legte Richterin Ilka Matthes Dokumente vor, die beweisen sollten, mit welchen Maßnahmen ihr Mandant seine Sucht zu bekämpfen versucht: Besuch bei der Caritas, psychologische und psychotherapeutische Beratung sowie eine stationäre Entgiftung. Auch sei inzwischen die Kostenübernahme für eine 15-wöchige Langzeittherapie zugesagt. Und er habe sein Alkoholproblem mit der Familie sowie dem Arbeitgeber besprochen.
Der Handwerker ertränkt seine Probleme in Alkohol
Der Vorfall bei der Kirchweih sei für ihn nicht nur ein Schuss vor den Bug gewesen, sondern "einer voll ins Schiff", sagte der 47-Jährige, der allerdings auf einige alkoholbedingte Erinnerungslücken verwies. Er habe versucht, die Probleme seiner nachlassenden Leistungsfähigkeit nach einem schweren Unfall mit Alkohol zu lösen. "Das war ein Fehler", räumte der Handwerker ein und versicherte dem Gericht: "Ich schaue, dass ich wieder ein anderer Mensch werde."
Die Botschaft kam an – allerdings nicht überall. Der Staatsanwalt sah nach den Aussagen zweier Zeugen die Vorwürfe in der Anklage bestätigt. Danach hatte der selbst stark angetrunkene Mann seinem Sohn im Streit um dessen Alkoholkonsum mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Die herbeigerufene Polizei fand eine Gastpistole im Rucksack des Mannes. Ein Zeuge bestätigte den Schlag. Gegenüber der Polizei erklärte der Mann die Mitnahme der Waffe mit "früheren Schwierigkeiten" bei der Kirchweih. Für die Anklage waren die Vorwürfe somit erwiesen. Die Strafforderung: 250 Tagessätze zu 60 Euro, also insgesamt 15.000 Euro.
Die Verteidigerin plädiert auf verminderte Schuldfähigkeit
Ein Antrag, der die Verteidigerin eher sprachlos zurückließ. Sie verwies auf das schon erwähnte Nach-Tat-Verhalten ihres Mandanten und betonte, dass es bei der "folgenlosen Rangelei" weder Verletzungen noch einen Strafantrag gegeben habe. Die Pistole, die der Mann eher zufällig im Rucksack mitführte, sei weder geladen noch sei Munition vorhanden gewesen. Zudem habe der Mann die Waffe in dem Sportheim weggeschlossen. Für sie war auch klar: Bei der hohen Alkoholkonzentration müsse nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen werden. Das Strafmaß stellte sie ins Ermessen des Gerichts.
Die Richterin lag am Ende eher auf Linie der Verteidigung: 90 Tagessätze zu 50 Euro. Auch wenn sie wegen des erwiesenen Faustschlags ("Das ist eine besonders gefährliche Form der Körperverletzung") den Antrag des Staatsanwalts nachvollziehen konnte, kam sie wegen der "besonderen Umstände" zu einem anderen Ergebnis: Beide Anklagepunkte lägen "knapp an der Strafbarkeitsgrenze", so Ilka Matthes . Eine verminderte Schuldfähigkeit spielte im Urteil ebenso eine Rolle wie der Weg, den der Mann eingeschlagen hat. Manchmal ist das letzte Wort eines Angeklagten wichtig, sagte Matthes – und meinte damit die Geschichte mit dem "anderen Menschen".