Es ist kein historisches Gebäude mit langer Geschichte, kein tiefes Gewölbe oder hoher Turm: Heute geht es um einen Blick in die Zukunft – ins Schalthaus des regionalen Energieversorgers Unterfränkische Überlandzentrale Lülsfeld (ÜZ) an der Straße zwischen Wiesentheid und Prichsenstadt.
Etwas verloren steht es da in der Landschaft, ein schmuckloses kubisches Gebäude, das fast wie ein vom Himmel gefallener Würfel wirkt. Die äußeren Maße betragen rund 14 auf 16 Meter, es ist rund vier Meter hoch.
Energiewende und lokale Solaranlagen
Schnörkellos ist auch das Innere: Weiße Wände und Decke, in der Mitte das Herzstück, die Schaltanlage, mit zwölf Schaltfeldern, die bei Bedarf um weitere acht erweitert werden können. Grund für den Bau des Schalthauses in Wiesentheid war zum einen die Energiewende. Regenerativer Strom, der hier produziert wird, soll auch hier genutzt werden. Wird von den lokalen Solaranlagen zu viel Strom produziert, wird er weiter ins übergeordnete Netz gereicht. Kommt zu wenig regenerative Energie an, kann von außen Strom eingespeist werden.
Schaltmeister Wolfgang Haas, der zusammen mit dem Bereichsleiter Netze Elmar Tell durch die Anlage führt, zeigt das Prinzip: Obwohl der Himmel an diesem Vormittag bedeckt ist, kommt in einem der Schaltfelder, aus dem Wiesentheider Wohngebiet Weihersbrunnen mit Solaranlagen auf den Dachflächen, Strom an.
Gleichzeitig zeigt ein anderes Schaltfeld für das Industriegebiet Wiesentheid, über das viele Gewerbebetriebe versorgt werden, dass hier Energie benötigt wird. Der Strom aus den Solaranlagen wird nun direkt wieder nach Wiesentheid zurückgeschickt, um den Bedarf dort zu decken. Er fließt also nicht erst ins übergeordnete Netz, sondern wird vor Ort, dort wo er produziert worden ist, verbraucht.
Wenn mehr Strom gebraucht als produziert wird
Natürlich gibt es Zeiten, in denen im Umkreis des Schalthauses mehr Strom gebraucht als produziert wird. Um diesen Bedarf zu decken, war ursprünglich geplant, von einer 110 000 Volt Leitung den Strom hierher zu führen. Dann wäre hier kein Schalthaus, sondern ein Umspannwerk entstanden, das die 110 000 Volt in 20 000 Volt umwandelt. Allerdings wäre dafür der Bau einer Hochspannungsleitung von der mehrere Kilometer entfernten Hochspannungstrasse nötig gewesen. Und dieser Bau benötigt ein Raumordnungsverfahren zur Genehmigung – was sicher einige Jahre beansprucht hätte.
So war es einfacher, ein Mittelspannungsdoppelkabel aus dem Umspannwerk Brünnstadt nach Wiesentheid zu verlegen. Sowohl die Platzverhältnisse als auch die Bauart des Schalthauses lassen – sofern der Bedarf eines Tages gegeben ist – die Erweiterung zu einem Umspannwerk problemlos zu.
Insgesamt investierte die ÜZ rund vier Millionen Euro ins Schalthaus Wiesentheid. Dabei fielen auf die reinen Bauarbeiten und die Einrichtung etwa 1,5 Millionen Euro. Rund 2,5 Millionen kostete die Anbindung ans Umspannwerk.
194 Solar- und Windanlagen
Ohne das Schalthaus, so sind sich die beiden Fachleute vor Ort sicher, wäre das weitere Einspeisen von Anlagen zur regenerativen Energiegewinnung, von denen einige im Baujahr des Gebäudes 2012 bereits genehmigt waren, nicht möglich gewesen.
Und als Energieversorger und Netzbetreiber ist die ÜZ verpflichtet, Strom aus Solar- und Windenergie aufzunehmen. Ende 2012 waren in Wiesentheid und seinen Ortsteilen 194 solcher Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 6000 Kilowatt installiert.
Der zweite große Vorteil des Schalthauses: „Die Netzsicherheit für Wiesentheid und Umgebung konnte nochmals verbessert werden“, so Elmar Tell. Denn mit dem Schalthaus wurde das Stromnetz besser aufgeteilt. Bei einem Stromausfall, wenn etwa ein Bagger ein Kabel beschädigt, fällt der Strom nur in einem kleineren Bereich aus, damit sind weniger Bürger betroffen und der Stromausfall beim Kunden ist nur kurz. Dass dies wirkt, zeigen Zahlen: Bundesweit lag im Jahr 2014 der Durchschnitt der Versorgungsunterbrechungen, die pro Kunde und Jahr auftreten, bei 13,1 Minuten. Im Versorgungsgebiet der ÜZ waren es nur 3,1 Minuten.
Die Steuerung des Schalthauses erfolgt nicht vor Ort, sondern von der ÜZ-Zentrale in Lülsfeld aus. Das Schalthaus ist komplett ferngesteuert. „Wir sind planmäßig nur viermal pro Jahr zur Inspektion vor Ort“, sagt Haas, ansonsten nur noch zu Wartungsarbeiten im Ortsnetz oder zu Reinigungsarbeiten. Alles andere erfolgt von der Zentrale aus.
Dafür, dass die Fernsteuerung auch bei einem Stromausfall im Schalthaus funktioniert, ist gesorgt. In einem separaten Raum stehen Batterien, ähnlich wie Autobatterien, die einen Stromausfall bis zu 72 Stunden lang überbrücken können. Damit diese Sicherheit im gesamten Netz der ÜZ gewährleistet ist, betreibt der Stromversorger insgesamt 20 solcher Schalthäuser, von denen sechs gleichzeitig Umspannwerke mit einer Anbindung an das 110 000 Volt Netz sind.
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