Es ist ein echtes Naturschauspiel, was sich auf den Feldern zwischen Gewerbegebiet Goldberg und Flugplatz abgespielt hat. Innerhalb von drei Jahren ist dort ein einzigartiges Feuchtbiotop entstanden – zur Freude von Biberberater Tobias Gust. Er weiß aber auch, dass das aktive Biberpärchen nicht nur Freunde hat – und wird zum Vermittler zwischen tierischen und menschlichen Bedürfnissen.
Dabei überwiegt ganz klar die Freude über die Ansiedlung des Bibers am Rödelbach. Das Gelände, südöstlich der Panzerstraße gelegen, scheint prädestiniert: Es ist in Besitz der Stadt und bietet weite, naturbelassene Flächen, die der tierische Baumeister nach seinen Vorstellungen gestalten konnte, ohne dass die menschlichen Nachbarn entscheidend beeinträchtigt wurden – wenn man von einigen kahlgefressenen Stellen auf nahegelegenen Selleriefeldern absieht. An anderen Stellen, die Biber für sich beanspruchten, ist das anders. Alleine in der Stadt Kitzingen gibt es fünf Reviere: am Bimbach (Nähe Bleichwasen und Richtung Großlangheim), am Rodenbach (Nähe Albertshofen) und eben am Rödelbach. Besonders prekär ist die Lage im Sickergrund, wo in unmittelbarer Bachnähe die Erich-Kästner-Schule steht. Baut der Biber in der Sicker, kann das Wasser innerhalb von einem auf den anderen Tag so hoch steigen, dass die Schüler nasse Füße bekommen. Das zu vermeiden, ist die Aufgabe von Tobias Gust.
Bis zum Strich und nicht weiter
In einem einwöchigen Seminar hat sich der Kitzinger Bauhofmitarbeiter zum Biberberater ausbilden lassen und arbeitet seitdem nicht nur eng mit Hilmar Hein, der am Stadtbauamt die Abteilung Tiefbau leitet, sondern auch mit Dieter Lang von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt zusammen. Immer wieder muss ausgelotet werden, wo sich die Biber in welcher Art und Weise einen Lebensraum erschließen dürfen.
Im Falle des neu entstandenen Biotops am Goldberg waren sich die Parteien einig: Hier darf sich der Biber austoben – bis zum blauen Strich. Den haben Tobias Gust und seine Mitarbeiter als Messlatte an einen der Bäume in der Nähe des neuesten Biberdammes gesprüht. Übersteigt der Wasserpegel die Marke, müssen die Menschen eingreifen und den Damm regulieren. Im Klartext heißt das: Holz entnehmen, niederdrücken. Das Wasser ein Stück weit abfließen lassen. Das muss mit schwerem Gerät passieren, Bagger und Laster sind im Einsatz, um der Holzmenge Herr zu werden.
An der Sicker ist dieser Vorgang in schöner Regelmäßigkeit nötig, weil die Biber es dort anscheinend besonders schön finden. Immer wieder beseitigen Tobias Gust und sein Team dort die Dämme und versuchen so, die Tiere zu vertreiben. Das muss gelingen, bevor sie einen Bau angelegt haben. „Wenn es erst einmal so weit ist, kommt man kaum mehr an sie heran“, sagt der Experte. Mehrere Stunden in der Woche sind die Stadtarbeiter damit beschäftigt, unerwünschte Biberdämme zu regulieren oder zu entfernen. Die – nicht unerheblichen – Kosten dafür übernimmt die Stadt.
Kitzingen leistet sich seine Biber
Und ein Ende der Biberpopulation in Kitzingen ist nicht in Sicht. Mit zwei bis drei Jahren sind die Jungtiere geschlechtsreif, müssen sich ein eigenes Revier suchen. Tobias Gust findet es trotzdem richtig, dass die Nager so streng geschützt sind. Das Biotop zwischen Goldberg und Flugplatz sei noch ausbaufähig, die Stadt hat in Person von Hilmar Hein schon die Bereitschaft signalisiert, den Besitzern von zwei anliegenden Feldern im Falle des Falles ein Tauschgeschäft anzubieten. Den Gärtnern und Gartenbesitzern, die vom vegetarisch lebenden Nagetier heimgesucht werden, werden mit Unterstützung des Freistaats Ausgleichszahlungen angeboten. Kitzingen leistet sich trotzdem seine Biber. Wo kann man auch sonst mitten in der Stadt ein solches Naturschauspiel beobachten?
Der Biber und das Biotop
Biotop Die 3,5 Hektar große Fläche liegt am Goldberg zwischen Otto-Hahn- und Großlangheimer Straße. Entlang des Rödelbachs ist durch einen Biberdamm ein Feuchtbiotop aus unterschiedlich großen Teichen entstanden, das von Größe und Art her im Landkreis einzigartig ist. Durch die verlangsamte Fließgeschwindigkeit können sich Sedimente im Wasser ablagern, das Wasser wir nährstoffreicher, es entstehen ideale Laichplätze für Fische und Frösche, die wiederum ziehen Vögel wie Kiebitz, Rohrweihe oder Graureiher an.
Biber Aktuell leben im Landkreis Kitzingen etwa 200 bis 250 Biber, alleine in der Stadt Kitzingen gibt es fünf Reviere. Deshalb gibt es seit 2018 auch den Biberbeauftragten Tobias Gust. Er kümmert sich um die vier Säulen des Bibermanagements: Beratung, Prävention, Schadensausgleich und Zugriff.
Bildung Die Stadt will in Zukunft kindgerechte Biberführungen für Schulen und Kindergärten anbieten. Der Städtische Bauhof und Biberberater Tobias Gust sind gerade dabei, dafür ein Konzept zu erstellen. Mehr Info dazu und zu anderen grünen Themen gibt es unter zu grünen Themen in der Stadt unter www.kitzingen.info