Zum Abschluss der diesjährigen Holzernte im Ansbacher Güterwald bei Gnodstadt erfolgte vergangene Woche die Ernte der sogenannten „Reißlein“. Als solche bezeichnen die Gnodstadter Rechtler, die den Ansbacher Güterwald bewirtschaften, die mächtigen Eichen des Laubwaldes. Diese wurden zuvor versteigert – ein exklusives Ereignis, denn nur die Rechtler der Körperschaft dürfen bei der „Reißleinversteigerung“ mitbieten.
Gemeinsam durch den Wald ziehen, Bäume steigern und die Stimmung genießen: „Bei der Versteigerung geht es immer lustig zu“, schreibt Gerhard Kleinschroth, Hübnermeister des Ansbacher Güterwalds, in einer Pressemitteilung. Daran konnte auch der coronabedingt größere Abstand zwischen den 30 Rechtlern, die sich an dem traditionellen Ereignis beteiligten, nichts ändern. „Die Gebote wurden eben einfach ein bisschen lauter rausgeschrien“, erzählt Kleinschroth und lacht.
Neun Eichen gefällt und versteigert
In dem drei Hektar großen Waldgebiet, in dem diesen Winter der Holzeinschlag erfolgte, wurden neun Eichen versteigert und gefällt. Was für Außenstehende vielleicht nach wenig klingt, ist für die Rechtler des Ansbacher Güterwalds völlig normal. Denn der 31 Hektar große Wald wird als Mittelwald bewirtschaftet und in dieser Waldbauform gibt es nur wenige große, alte Bäume, heißt es in der Pressemitteilung.
Der Rest des Waldes besteht aus sogenannten Stockausschlägen. Das sind mehrstämmige Gehölze, die entstehen, wenn ein Baum kurz über dem Boden abgeschnitten wird und dann wieder austreibt. Bei jeder Holzernte werden in einem der 13 Teilbereiche des Waldes die gesamten, arm- bis beindicken Stockausschläge und einige ausgewählte große Bäume geerntet. Alle zwei Jahre ist eine andere Fläche an der Reihe, sodass es 26 Jahre dauert bis wieder dieselbe Fläche eingeschlagen wird.
Mit Tradition zu mehr Artenvielfalt
Mit der traditionellen Mittelwaldwirtschaft leisten die Rechtler einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Denn durch die kleinräumige Bewirtschaftung entsteht ein Waldmosaik mit vielfältigen Strukturen, in dem sich besonders viele Arten wohlfühlen. Insbesondere viele licht- und wärmeliebende Pflanzen und Tiere, die in dunkleren Wäldern keine guten Lebensbedingungen vorfinden, profitieren von der Mittelwaldwirtschaft.
Vom hohen Stellenwert der Mittelwälder für den Artenschutz zeugt auch ein eigens für sie ins Leben gerufenes Projekt am Biodiversitätszentrum Rhön des Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), an dem auch der Ansbacher Güterwald teilnimmt. Gemeinsam mit der Bayerischen Forstverwaltung unterstützt das Biodiversitätszentrum die Bewirtschafter der letzten Mittelwälder Bayerns beim Erhalt dieser wertvollen Waldbauform.
Höhepunkt ist Gnodstadter Holz-Kärwa
Zudem halten die Rechtler mit der Mittelwaldwirtschaft ein mittlerweile seltenes Kulturgut am Leben, schreibt der Hübnermeister Kleinschroth. Die Hubbücher der Gemeinschaft deuten darauf hin, dass die Gnodstadter das Recht zur Bewirtschaftung des Ansbacher Güterwalds schon seit Mitte des 15. Jahrhunderts innehaben. Damals war es nicht unüblich, dass Adelige ganzen Dorfgemeinschaften das Nutzungsrecht an Wäldern übertrugen, damit die Bevölkerung sich daraus versorgen konnte.
Um die gemeinsame Waldbewirtschaftung gewährleisten zu können, entwickelten sich im Lauf von Jahrhunderten gewisse Regeln, die von den Gnodstadtern heute noch praktiziert werden. Den Höhepunkt der Tradition bildet dabei die Gnodstadter Holz-Kärwa zur Verteilung der Waldparzellen auf die Rechtler, die diesen Winter coronabedingt ausfallen musste.