Die nächste Grippe kommt bestimmt, doch nicht zu dem, der Thymian nimmt: Wenn überall um uns herum die Menschen niesen, husten oder gar mit Fieber das Bett hüten, lässt eine alte Volksweisheit aufhorchen. Wie viel Wahrheit sie birgt und welche Pflanzen neben Thymian noch antibiotisch wirken, verriet Apothekerin Katharina Mantel den Ortsbäuerinnen aus dem Landkreis Kitzingen kürzlich im Amt für Landwirtschaft.
Kaum übt der Mörser Druck auf die getrockneten Kräuter aus, entfaltet sich auch schon der Duft: Es riecht gut im Saal des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, nach Thymian und Pfefferminze. Es ist eine aromatische Mischung, die etwa 65 Frauen an diesem Morgen herstellen. Sehr gesund ist sie noch dazu, denn richtig eingesetzt, können die pflanzlichen Helfer dazu beitragen, schneller wieder fit zu werden oder einen Infekt von Anfang an abzuwehren.
Das Kräuter-Knoblauch-Honig-Brot ist eines der Rezepte, das Katharina Mantel den Frauen mitgebracht hat. Die Kombination hört sich ungewohnt an und so manche Dame blickt skeptisch, als sie frischen Knoblauch auf dem Honig-Butterbrot verteilt und dann die Kräuter darüber streut. Aber die Mienen hellen sich schnell auf, es schmeckt wirklich lecker – und es ist sehr gesund. Was vor allem der Wirkung der ätherischen Öle in den Kräutern zu verdanken ist.
Antimikrobielle Inhaltsstoffe
Eine Pflanze muss sich wehren, erklärt die Apothekerin, gegen Insekten zum Beispiel oder andere Schädlinge. „Sie muss Stoffe bilden, um in der Natur überleben zu können.“ So manche Pflanze setzt dazu antimikrobielle Inhaltsstoffe ein, ätherische Öle, Senfölglykoside oder Saponine zum Beispiel, außerdem Gerbstoffe oder Scharfstoffe.
Genau diese Inhaltsstoffe können auch dem menschlichen Körper helfen, sich gegen Viren und Bakterien zu wehren – wenn man sie in der richtigen Dosierung und der richtigen Kombination anwendet. Pfefferminze, Thymian, Ingwer, Süßholzwurzel, Meerrettich, Kapuzinerkresse, verschiedene Kohlarten.... Katharina Mantel zählte eine ganze Reihe von Pflanzen auf, die sich der Mensch zunutze machen kann, wenn er gesund bleiben oder gesund werden möchte. Die ätherischen Öle zerstören beispielsweise die Schutzhüllen der Viren und haben noch weitere Angriffspunkte. Zudem verbessern sie die Wirkung mancher Antibiotika.
Katharina Mantel baut viele dieser Pflanzen selbst an. Sie ist Leiterin des Klostergartens des Klosters Oberzell und als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Klostermedizin firm darin, welche Pflanzen besonders gut wirken und worauf man aufpassen muss. Feldthymian zum Beispiel ist angenehmer im Geschmack, hat aber weniger ätherische Öle. Für Kinder ist er besser geeignet als der Gartenthymian, der stärker antimikrobiell wirkt und eher für Erwachsene gedacht ist. Asthmatiker müssen beim Einsatz ätherischer Öle vorsichtig sein und Menschen, die einen empfindlichen Magen haben. Zudem gilt es, bei allen Arzneipflanzen die Einzel- und Tagesdosis zu beachten, denn auch bei pflanzlichen Stoffen kann ein Zuviel schädlich sein. Und sie können, wie Medikamente auch, Nebenwirkungen wie Allergien hervorrufen.
Bei der Wirksamkeit der Pflanzen geht es nicht nur um die Sorte und den richtigen Anbau, sondern auch um den idealen Erntezeitpunkt und die Weiterverarbeitung. Nach der Ernte lässt Katharina Mantel die Pflanzen am Stiel auf großen, aufgespannten Tüchern in einem luftdurchfluteten, möglichst dunklen Raum trocknen. Zerkleinert werden sie erst bei der Zubereitung. Verwendet werden können sie unter anderem als Tee, als Gewürz oder als Pulver – einzeln oder in Kombination. So wirkt Thymian mit Pfefferminze gut bei verdorbenem Magen. Dass die Kombination auch noch schmeckt, merkten die Frauen bei den Kräuter-Knoblauch-Honig-Broten, die sie selbst zubereiteten. Der Knoblauch ist dabei nur leicht antimikrobiell, wie Mantel erklärt, „aber er hat einen einen guten Einfluss auf das Blut“.
Scharf wirkt gut
Nicht nur die ätherischen Öle wirken viel stärker antimikrobiell als der Knoblauch, sondern auch Senfölgewächse wie der Meerrettich. Sie schmecken scharf und das muss auch so sein. „Wenn sie scharf sind, wirken sie gut“, so Mantel. Viren und Bakterien sprächen gut drauf an. Gartenrettich wie Radieschen, Meerrettich und Kressearten wie Kapuzinerkresse gehören zu diesen Gewächsen. Ihr Verzehr wirkt gegen Infekte der oberen und unteren Atemwege, gegen unkomplizierte Harnwegsinfekte und beugt insgesamt Infekten vor. Bei der Verwendung ist es wichtig, sie frisch zu zerkleinern, weil die Senföle flüchtig sind. Auch sollte man sie nicht zu stark erhitzen, weil sonst ein wichtiges Enzym inaktiv wird. Senf selbst enthält auch Senföle, aber so viele, dass sie nicht zu dosieren sind, was ihre medizinische Verwendung schwierig macht. Auch Kohlarten sind senfölhaltig, allerdings werden Weißkohl- oder Wirsingblätter äußerlich angewandt, zum Beispiel auf Furunkel aufgelegt.
Während sie den Ausführungen lauschten, konnten die Ortsbäuerinnen einen Tee probieren, den Katharina Mantel mitgebracht hatte. Pfefferminze war darin, Thymian, Ingwer und unter anderem auch Süßholzwurzel, deren Lakritzgeschmack vielen gleich auffiel. Auch bei dieser Pflanze wird deutlich, dass man mit der Verwendung vorsichtig sein muss. Die Tageshöchstmenge sollte nicht länger als eine bis vier Wochen eingenommen werden. Wer Bluthochdruck oder Ödeme hat, sollte selbst diese Menge nicht einnehmen.
Wie die Arzneipflanzen in der Ernährung eingesetzt werden können, damit hatten sich die Schülerinnen der Abteilung Hauswirtschaft der Landwirtschaftsschule befasst und im Vorfeld verschiedene Rezepte ausprobiert. Sie servierten den Frauen verschiedenste Gerichte wie Meerrettich-Rote-Beete-Suppe, Erbsensuppe mit Meerrettich und Rote-Beete-Meerrettich-Aufstrich – und sogar zwei Nachtisch-Variationen: Schokoladencreme mit Meerrettich sowie ein Apfelmus-Schicht-Dessert. Letzteres bekam mit zwei Eßlöffeln Meerrettich einen besonderen Kick. Damit konnten die Gäste nicht nur gut informiert und satt den Heimweg antreten, sondern auch mit einem guten Schutzschild gegen die nächste Erkältung.