zurück
DETTELBACH
Gut besohlt seit drei Generationen
Von unserem Mitarbeiter Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 21.04.2010 16:22 Uhr

„Der ist noch vom Schwiegervater!“ Stolz hält Ludwig Winkler einen Schuhlöffel in die Luft. Dem metallenen Gerät sieht man die Handfertigung an, die Jahrzehnte freilich auch. „Der kommt hier nie weg“, sagt Winkler und hängt den Löffel sorgsam wieder an seinen Platz in der kleinen Werkstatt.

Hier, zwischen Nähmaschine, Ahlen und Hämmern, sitzt der 75-Jährige heute noch ab und zu, wenn das ehrbare Schusterhandwerk gefragt ist, wenn Absätze erneuert und Sohlen geklebt werden müssen. Der Schuster bleibt eben doch bei seinen Leisten, auch wenn Ludwig Winkler genauso alt ist wie das Dettelbacher Geschäft, das seinen Namen trägt und jetzt Jubiläum feiert. 1935 hatte Leonhard Guttenberger, der Vater von Winklers Ehefrau Anni, den Betrieb gegründet. Tochter Monika Rumpel führt seit 2005 das Geschäft. Seit drei Generationen also werden die Dettelbacher und Kunden von außerhalb nun schon mit Schuhen versorgt. 75 Jahre – keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass in der Branche heute manche Firmenneugründung die ersten drei Jahre nicht überlebt.

Als Leonhard Guttenberger das Haus am Bach 1a im Jahr 1935 erwarb, war an das heutige Schuhhaus freilich nicht zu denken. In der kleinen Werkstatt wurde repariert und gefertigt, eine „Schuhmacherei“ eben. Erst 1961 entstand ein kleines Schuhgeschäft. 1970 übernahmen Anni und Ludwig Winkler den Betrieb, 1978 wurde der heutige Verkaufsraum gebaut und in den 90er Jahren noch einmal modernisiert. Zum Team gehört als Fachverkäuferin seit 30 Jahren Anita Karg, ihre Kollegin Lilian Paulus ist seit zehn Jahren dabei.

„Mein Mann ist früher noch über die Dörfer gefahren und hat Schuhe verkauft.“

Anni Winkler

Wie kommt's, dass sich ein Schuhgeschäft in einem kleinen Städtchen auch heute noch behaupten kann, neben all den Ketten und Großanbietern? Ein Grund ist wohl die lokale Verwurzelung. Anni Winkler ist 72 und kennt die Kundschaft zum Teil schon seit Generationen. „Sie weiß sogar, welche Füße die Kunden haben“, sagt ihre Tochter. Genau das ist der Vorteil: Wer seine Kundschaft kennt, kann eben auch beraten. „Das ist besonders bei Kunden mit Problemfüßen wichtig“, wirft Anni Winkler ein. „Und bei Kindern“, ergänzt Monika Rumpel. Gute Schuhe für kleine Füße liegen der 42-Jährigen Inhaberin besonders am Herzen. Überhaupt sollte auf Qualität geachtet werden, da ist man sich bei Schuh-Mode Winkler einig. „Man kann einen guten Schuh mit einem günstigen vergleichen, dann stellt man schnell den Unterschied fest. Und man sollte den Kauf nicht nur von Äußerlichkeiten abhängig machen“, rät Anni Winkler.

Apropos Äußerlichkeiten. Auf die kam es in den ersten Jahrzehnten des Betriebs viel weniger an als heute. Mode-Schnickschnack? – Fehlanzeige. Schuhe hatten früher auf dem Land meist vor allem zweierlei zu sein: praktisch und solide. Anni Winkler: „Die Schuhe hatten früher oft feste Hinterkappen. So etwas würde man heute keinem Kind mehr anziehen.“ Eine lange Lebensdauer war bei Schusters Rappen natürlich auch gefragt. „Wenn man die damaligen Preise im Verhältnis zu den Löhnen sieht, waren Schuhe früher ja viel teurer als heute“, weiß Anni Winkler. Was auch der Grund war, weshalb die Werkstatt seinerzeit viel zu tun hatte, wenn doch mal was aus dem Leim ging. Vor einer Neuanschaffung wurden die guten Stücke erst einmal repariert, so lange es eben ging. Inzwischen zieht die Kundschaft längst den Neukauf der Reparatur vor.

Geändert hat sich überhaupt eine Menge. Kam früher ein Großteil der Schuhe aus deutschen oder zumindest europäischen Fabriken, wird heute fast nur noch in Asien gefertigt, auch wenn die Modelle in Deutschland entworfen werden. Und an manche „Vertriebswege“ von Schuh-Mode Winkler ist heute auch nicht mehr zu denken. „Mein Mann ist früher noch über die Dörfer gefahren und hat Schuhe verkauft“, berichtet Anni Winkler. Allerdings: Ganz aufgegeben hat man diese Art des Kundenkontakts nicht. Monika Rumpel fährt heute ab und an bei Altenheimen vorbei und bietet den Bewohnern Schuhe an.

Dass die Kunden auch sonst dem alteingesessenen Dettelbacher Fachgeschäft die Treue halten, davon darf man wohl ausgehen. „Neulich hatte ein kleiner Bub auf dem Spielzeug-Elefanten vor dem Laden Platz genommen“, erzählt Monika Rumpel. „Da hat sein Vater zu mir gesagt: 'Auf dem Elefanten habe ich schon als Kind gesessen'.“

Gute alte Zeit: Schuh-Mode Winkler in den 60er Jahren, als noch im alten Haus verkauft wurde. Der heutige Verkaufsraum entstand erst 1978.
Foto: Winkler | Gute alte Zeit: Schuh-Mode Winkler in den 60er Jahren, als noch im alten Haus verkauft wurde. Der heutige Verkaufsraum entstand erst 1978.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top