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KITZINGEN
Günter Streit: Der Perfektionist
Für seine Leidenschaft, das Filmen und Fotografieren, wechselte der gelernte Bankkaufmann sogar ein paar Jahre den Beruf. Auch heute noch geht der 65-Jährige nicht ohne Fotoapparat aus dem Haus.
Franziska Strobel
Franziska Schmitt
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:21 Uhr

Ein Gänsehautmoment war das, als der Papst ihm direkt in die Augen blickte. Als Papst Benedikt XVI. 2006 in München war, hatte Günter Streit einen Presseausweis bekommen und durfte ganz vorne fotografieren.

Auf einem Bild sieht es aus, als ob der Papst ihn direkt ansieht. „Als ich das Foto gesehen hab, lief es mir eiskalt den Rücken runter“, sagt der 65-Jährige. Die Bilder des Kitzingers sind oft in der Main-Post als Leserfotos abgedruckt, dann vor allem Landschafs- oder Detailaufnahmen.

Fotoserie

Seine Leidenschaft fürs Filmen und Fotografieren begann früh. 1958 war es, als sich der achtjährige Günter Streit am Schaufenster von Foto „Hentschel“ in der Kitzinger Falterstraße die Nase platt drückte. Einmal selbst eine Filmkamera haben, das wär's. Ein Jahr vorher hatte ihm der Vater eine Boxkamera geschenkt, eine Retina Kodak, fotografiert hatte er also schon – das erste Foto überhaupt schoss er von seinem Lehrer bei einem Schulausflug auf den Schwanberg – aber Filmen können, das interessierte ihn damals noch etwas mehr.

Also sparte Günter Streit ein Jahr lang jeden Monat zehn Mark von seinem Taschengeld. Dann ging er ins Geschäft und kaufte die Filmkamera, eine Agfa Movex 88L. Er hat sie heute noch. Das Hantieren mit der Schmalfilmkamera war „ganz schön umständlich“, erzählt der 65-Jährige, der 16-mm-Film wurde zunächst auf der einen und dann nach Vertauschen der Spulen auf der anderen Seite belichtet. Es war der Beginn einer großen Leidenschaft – „da wurd' ich narrisch“ erzählt er und grinst verschmitzt. Wie Foto und Filmkamera funktionierten, lernte er durch ausprobieren, für Technik hatte er schon immer ein Händchen, später abonnierte er das Film- und Tonmagazin (heute Videomagazin), für das er auch selbst Artikel verfasste.

Stammkunde bei Duttenhofer


Mit der Zeit wurde er so gut, dass er mit 24 Jahren begann, an der VHS Kitzingen Kurse zu geben, ohne selbst je einen besucht zu haben. Erst Schmalfilm, später Video. Er selbst war zu dieser Zeit Stammkunde beim Duttenhofer in Würzburg (heute Media Markt). Das Foto- und Filmfachgeschäft war überregional bekannt. „Damals warteten die Kunden noch über eine Stunde bis sie dran waren“, erzählt Streit, der 1968 eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Sparkasse in Kitzingen gemacht hatte.

Einer seiner Lieblingsverkäufer bei Duttenhofer fragte ihn schließlich, ob er nicht selbst Verkäufer werden wolle, als Fachmann in der Schmalfilmabteilung. „Davon gab es damals nicht viele.“ Von der Bank ins Filmgeschäft wechseln? Das Hobby zum Beruf machen? Günter Streit überlegte ein halbes Jahr, dann kündigte er in der Bank.

Sechs Jahre lang arbeitete er als Verkäufer– „mit Überzeugung und Hintergrundwissen“, schnell hatte er einen großen Kundenstamm. Die Arbeit machte Spaß, verschlang aber auch unglaublich viel Zeit. „Oft habe ich erst um 16 Uhr Mittagspause gemacht“, samstags und zum Teil sonntags zu arbeiten, gehörte dazu. Das Familienleben litt darunter so sehr, dass Streit 1983 seiner Frau und seinen beiden Kindern zuliebe, zurück ins Bankgeschäft wechselte. Die Leidenschaft fürs Filmen und Fotografieren blieb.

„Es gibt noch viel zu tun und ich bin noch lange nicht da, wo ich hin will.“
Günter Streit, Leserfotograf

Für die Landvolkshochschule Münsterschwarzach hat er zum Beispiel einen Film über das ZDF gedreht. Weil er sich danach so gut auskannte, organisierte er mehrere Führungen durch die Fernsehstudios in Mainz und das Bavaria-Filmgelände in München. Außerdem drehte er einen Film über Blesshühner, die Produktion bei Fehrer, hielt die Übergabe des zweiten Schlappmaulordens 1990 an Bernd Heller fest („dazu habe ich meine ganze Ausrüstung auf den Kitzinger Marktturm geschleppt und von oben aufgenommen“) und das dritte Schwanbergrennen filmte er mit zwölf verschiedenen Kameras und fügte danach alles zusammen – „der Film hat über 2000 Klebestellen“, erzählt er und schmunzelt.

Sein aufwendigstes Projekt ging über mehrere Wochen: 1975 hat er die letzte Dampflok zwischen Etwashausen und Gerolzhofen gefilmt und ist dafür mehrmals sowohl auf der Lok mitgefahren, als auch mit dem Auto nebenher – am Steuer saß ein Freund von ihm, er selbst kauerte mit Stativ und Kamera im geöffneten Kofferraum. „Ich war ein totaler Narr“, sagt er. 40 bis 50 Filmspulen hat er davon noch, die darauf warten, digitalisiert zu werden. Nur eines der vielen Vorhaben, die Günter Streit für den Ruhestand gefasst hat.

Seit 2013 hätte er Zeit dazu, aber er kommt zu nichts. „Andere haben Langeweile, wenn sie nicht mehr arbeiten, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Was er aber durchgehalten hat, seit er in Rente ist, ist sein täglicher Spaziergang – natürlich nicht ohne Fotoapparat. Seine Frau rollt manchmal mit den Augen, wenn er auch zum kleinsten Rundgang einen Foto mitnimmt und dann zum Teil lange wartet bis sein Motiv durch den Sucher perfekt zu sehen ist. „Ich warte zum Beispiel, bis Leute aus dem Bild gelaufen sind“, sagt der 65-Jährige. Geduld und Ausdauer sind auch nötig, wenn er etwa im Garten nach Igeln, Libellen, Spinnen oder Bienen Ausschau hält. Lohn für lange Wartezeiten – auch, um die Tiere an ihn zu gewöhnen – sind Makroaufnahmen aus rund 40 Zentimeter Entfernung.
 

Er experimentiert gern – abbrennende Streichhölzer, platzende Luftballons oder fallende Wassertropfen, sie alle kamen ihm schon vor die Linse, was nicht immer einfach ist. Um etwa Wassertropfen fotografieren zu können, hat sein Freund Helmut Witt extra eine Konstruktion gebaut, mit deren Hilfe Streit die Tropfen, die genau berechnet auf ein Wasserbett fallen, bildlich festhalten kann. Neben vier drahtlosen Synchronblitzen, Farbfiltern, Mattscheiben und einem Steuergerät am Computer und der Kamera, sorgen verschiedene Düsen und Ventile für die Verläufe, die nur Sekundenbruchteile sichtbar sind. „Mein Sternzeichen ist Jungfrau und das sind Perfektionisten, sagt man. Ich glaube das stimmt schon“, gibt er zu.

Seit rund fünf Jahren konzentriert er sich vorwiegend aufs Fotografieren, von seinen Film-Erfahrungen profitiert er aber. Bildreportagen, baut er beispielsweise wie Filme auf, mit Einleitung, Hauptteil, Schluss. Eine gewisse Dramaturgie findet er wichtig. „Man muss Spannung wecken“, sagt er. Beim Bildaufbau achtet er auf jeden Laternenmast, jeden Hut, jeden Schatten und versucht immer so zu fotografieren, dass er gleich ein Endprodukt hat.

Motive findet er so gut wie überall und oft ganz unerwartet. Im August 2011 lief er zum Beispiel mit seiner Frau durch das Gartenschaugelände. In der Spätnachmittagssonne genoss sie eine Weile die Sonne mit Blick zum gegenüberliegenden Mainufer. Das durch Licht und Schatten betonte Motiv fing Günter Streit mit der Kamera ein.  Dieses Foto wurde später Monatssieger beim von der Main-Post ausgeschriebenen Fotowettbewerb zur Gartenschau. 

Die Möglichkeiten der digitalen Fotografie weiß Günter Streit inzwischen zu schätzen. Bevor er sich im Jahr 2000 seine erste digitale Kompaktkamera gekauft hat, hatte er als begeisterter Analog-Fotograf Digitalkameras erst einmal abgelehnt. Er glaubte nicht, dass sie so gut sein können. 2003 legte er sich dann seine erste digitale Spiegelreflex zu und hatte seitdem sechs Stück. Aktuell fotografiert er mit zwei Nikon-Kameras. Bis zu 30 000 Fotos macht er jedes Jahr. Diese auf seiner Homepage zu präsentieren oder in Fotobüchern festzuhalten, gehört auch zu den Dingen, die er sich für den Ruhestand vorgenommen hat. „Es gibt noch viel zu tun und ich bin noch lange nicht da, wo ich hin will.“

Ob er noch einen fotografischen Traum hat? Seit er vor drei Jahren in Houston, Texas, die Mondrakete Saturn 5 und das Space Shuttle fotografiert hat, fände er es toll, auch den größten Flugzeugträger der Welt, die USS-Nimitz, vor die Kamera zu bekommen. „Das muss gigantisch sein.“ – Dem achtjährigen Günter Streit hätte dieser Traum auch gefallen.


 

Zur Person: Günter Streit

Der Kitzinger, Jahrgang 1950, lebt seit 1983 mit seiner Frau Traudl im Stadtteil Siedlung. 1970 machte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse in Kitzingen. Von 1977 bis 1983 arbeitete er beim ehemaligen Fotofachgeschäft Duttenhofer in Würzburg (heute Media Markt). 1983 ging er zurück ins Bankgeschäft und arbeitete bis zum Ruhestand 2013 im Finanzverbund der Volks- u. Raiffeisenbanken.

Zehn Jahre lang gestaltete er den Pfarrbrief der Gemeinde St. Vinzenz in Kitzingen und ist heute Redaktionsmitglied der Pfarreiengemeinschaft St. Hedwig im Kitzinger Land. Seit über 13 Jahren betreut er die Homepage der Pfarrei St. Vinzenz in der Kitzinger Siedlung.

Günter Streit hat eine Tochter und einen Sohn und fünf Enkelkinder.

Eine seiner fotografischen Arbeiten ist auf der Glastür der Volkacher Raiffeisenbank zu sehen: Ein neun Meter breites und 3,60 Meter hohes Panoramabild von Volkach.

Mehr Bilder von Günter Streit www.fotostreit.de

Für Igel oder Libellen legt sich Günter Streit schon mal ein paar Stunden auf die Lauer.
Foto: Günter Streit | Für Igel oder Libellen legt sich Günter Streit schon mal ein paar Stunden auf die Lauer.
Wie eine tanzende Frau – in der Wassertropfenfotografie ist jedes Bild ein Unikat.
Foto: Günter Streit | Wie eine tanzende Frau – in der Wassertropfenfotografie ist jedes Bild ein Unikat.
Beeindruckende Aufnahme vom Schwanberg mit Blick nach Iphofen.
Foto: Günter Streit | Beeindruckende Aufnahme vom Schwanberg mit Blick nach Iphofen.
„Das war eine Stimmung, sagenhaft“: Am 10. Juni 2011 hatte Günter Streit die Kleine Gartenschau besucht und ging gerade nach Hause, als ihm auffiel, dass wegen einer Fernseh-Live-Sendung das Kitzinger Stadtufer vom Fernsehen eigens beleuchtet wurde. Aus sechs zusammengefügten Vertikalaufnahmen entstand ein Panoramabild, das einen Bildwinkel von 140-Grad zeigt.
Foto: Günter Streit | „Das war eine Stimmung, sagenhaft“: Am 10. Juni 2011 hatte Günter Streit die Kleine Gartenschau besucht und ging gerade nach Hause, als ihm auffiel, dass wegen einer Fernseh-Live-Sendung das Kitzinger ...
Ein „Wein-Berg“ im wahrsten Sinne des Wortes, aufgenommen bei Sulzfeld.
Foto: Günter Streit | Ein „Wein-Berg“ im wahrsten Sinne des Wortes, aufgenommen bei Sulzfeld.
Leserfotograf Günter Streit
Foto: Traudl Streit | Leserfotograf Günter Streit


Hinweis der Redaktion: Wir stellen einige unserer Leserfotografen vor, die Serie erscheint einmal die Woche. Als nächstes kommt Konrad Thomann. Die bisher erschienen Artikel über Günther Fischer und Hilmar Hopfengart können Sie online im Rückblick lesen.
 
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