
"Ich gelobe, der Bundesrepublik treu zu dienen." 13 junge Soldaten sprechen dem Bataillonskommandeur Frank Dannenberg die Eidesformel nach. 13 von ursprünglich 18. Sie sind auf einer Waldlichtung innerhalb der Volkacher Kaserne zum Gelöbnis angetreten. Im knöcheltiefen Neuschnee, bei herrlichen Sonnenschein. Es herrscht eine stimmungsvolle Atmosphäre. Das Außergewöhnliche: Es sind nicht, wie sonst, offizielle Gäste aus der Lokalpolitik und Wirtschaft da. Auch ist nicht das ganze Bataillon zu Ehren der jungen Soldaten angetreten und das Heeresmusikcorps ist ebenfalls nur mit einer ganz kleinen Abordnung da.
Sechs harte und zehrende Wochen sind es nun her, als eine Gruppe junger Leute in Jeans und Pullovern ziemlich verloren vor der Kaserne stand. Jeder mit mehr oder weniger großen Erwartungen vor einem neuen Lebensabschnitt. "Eigentlich dauert die militärische Grundausbildung zwölf Wochen" erklärt der Ausbilder, Oberleutnant David Ewald. Doch hat die Pandemie jegliche Normalität durcheinander gewürfelt.
Los geht es mit dem Einkleiden, welches vom Bundeswehr-Bekleidungsmanagement (BWBM) organisiert wird. Wie in einem großen Kaufhaus gibt es verschiedene Stationen. Angefangen vom Schuhwerk über den Kampfanzug bis hin zur Kopfbedeckung und Stahlhelm. Geschultes ziviles Personal erkennt sofort die jeweilige Größe aus dem riesen Fundus. Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Kleidung gibt es kaum. "Höchstens bei den Schwimmklamotten", meint ein Teilnehmer lachend.
Die ersten scharfen Kommandos
Die ersten scharfen militärischen Kommandos treiben die jungen Leute zur Eile an. Zwischenzeitlich schiebt jeder einen vollgeladenen Einkaufswagen vor sich her. "Das was wir sonst in zwölf Wochen machten, muss jetzt in der Hälfte der Zeit passieren", sagt der Ausbilder. Um fünf Uhr ist Wecken, um sechs Uhr Frühstücken und um sieben Uhr ist Dienstbeginn. Ende 20 Uhr. Die ganze Woche, inclusive Samstag. Lediglich am Sonntag ist dann mittags Dienstende. Ein halber Tag zum Durchschnaufen.
Weiter geht es nun mit der Unterkunftszuweisung. Coronabedingt ist der ganze Ausbildungszug zusammen mit seinen Ausbildern in einem eigenen, abgeschirmten Gebäude untergebracht. Jeder wohnt alleine in einem Zimmer und das Kasernengelände darf nicht verlassen werden. Gegessen wird auch in einem separaten Raum. Kontakte zu den ansässigen Soldaten sind nicht erlaubt. Wenn jemand "von außen" etwas benötigt, muß er eine Bestellliste schreiben. Durch diese strengen Maßnahmen will man verhindern, dass die Lehrgangsteilnehmer sich infizieren. Kohorten-Isolation nennt man dies im militärischen Sprachgebrauch.
Der Spind - ein eigenes Kapitel
Die nächsten Tage lernen die Teilnehmer, wie man seinen Spind exakt einräumt und auf der Stube Ordnung hält. Neben ärztlichen Untersuchungen gibt es auch viel trockene Theorie. Unterricht über die Grundzüge der Bundeswehr. Linus Herterich ist mit 17 Jahren einer der jüngsten der Gruppe. Seine Eltern mussten vorher schriftlich zur Ausbildung zustimmen. "Und auch, dass ich mit einem Gewehr schießen darf," ergänzt er. Ob er hier schon den ersten Stress verspüre, wird er gefragt, was er energisch verneint. "Ich habe mich nach meinem Schulabschluss sofort beworben. Das ist mein Traumberuf und ich weiß genau, was auf mich zukommt." Als Soldat auf Zeit für acht Jahre hat er sich verpflichtet. Angestrebt ist allerdings die Laufbahn als Berufssoldat.
Am Ende der ersten Ausbildungswoche geht es dann schon an die Praxis. Formaldienst steht auf dem Programm. Zum Beispiel Marschieren im Gleichschritt, der militärische Gruß, Meldung an den Vorgesetzten und der oft gehörte Befehl: "Stillgestanden!" Die Woche danach dann der wohl wichtigste und intensivste Ausbildungsteil: Der Umgang mit dem Gewehr. Der zukünftig ständige Begleiter des Soldaten. Zuerst werden die Sicherheitsbestimmung durchgegangen. Dann die ersten Trockenübungen mit den Grundlagen der Schießlehre. Es prasseln Daten auf die Soldaten. Gewicht, Einzel- oder Feuerstoß, Kaliber, Reichweite und immer wieder, fast gebetsmühlenartig: die Sicherheitsregeln.
"Druckbetankung" beschreibt Hauptfeldwebel Frank Albrecht diese Zeit. "Ich habe heute Nacht nur vom Gewehr geträumt", stöhnt ein Rekrut. Dann endlich: der erste "scharfe" Schuss auf der Schießanlage. Ausbilder Ewald ist zufrieden: "Alle haben die Schießleistung erfüllt."
Leben im Feld
Der letzte Ausbildungsteil. "Leben im Felde." Was sich fast romantisch anhört, ist die härteste Zeit. Nicht nur wegen des eiskalte Wintereinbruch im Februar. Bei bis zu 18 Minusgraden und Schneefall mussten die Soldaten in einem selbst errichteten Biwak im Gelände leben. Essen, Schlafen im Kleinstzelt, Tarnen, Wache halten, Feuer schüren und Übungsangriffe abwehren. Ein Drittel arbeitet, ein Drittel ruht, ein Drittel hält Wache. 24 Stunden, rund um die Uhr! "Dieser Rhythmus gewährleistet eine ständige Kampfbereitschaft der Soldaten!", erklärt der Oberleutnant.
Mittlerweile haben fünf Anwärter den Dienst quittiert. Der Rest muss sich noch einer extremen Abschlussübung stellen. Ein Marsch über 18 Kilometer, mit vollem Sturmgepäck samt Gewehr. Zusammen etwa 25 Kilo. Christian Auel, mit 39 Jahren der Älteste der Gruppe, hat das alles vor 20 Jahren schon einmal erlebt. Da war er Wehrpflichtiger. Als er letzten Jahres an der Gelöbnisfeier seines Sohnes teilnahm, hat es ihn wieder gepackt: Erinnerungen an seine damalige Bundeswehrzeit. Nun hat er sich als "Wiedereinsteiger" beworben und muss die Grundausbildung nochmal durchlaufen. Seinen Job in der Logistikbranche hat er gekündigt. Jetzt hat er sich erst mal für vier Jahre verpflichtet. "Aber wahrscheinlich wird’s mehr."
Auf die Frage, ob sich zu damals viel verändert hat, antwortet er gelassen: "Früher war es strenger, da war mehr Drill dabei!" Seine Kameraden können das kaum bereifen. Bataillonskommandeur Frank Dannenberg war bei seiner Abschlussrede am Gelöbnistag voll des Lobes: "Sie haben sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen tapfer geschlagen!"
Verzweifelter kann sich die Personallage der BW nicht darstellen.
Nun vielleicht ist es die Aussicht in 14 Jahren in den Ruhestand zu gehen interessanter als noch mindestens bis zum 65 Lebensjahr Arbeiten zu müssen!
Und sollte es hart auf hart kommen und "der Feind vor der eigenen Tür stehen" dann wird diese heruntergewirtschaftete Kleinstarmee mit schnell ausgebildeten Freiwilligen auch nichts ausrichten können (sofern die Soldaten aufgrund der Umstände überhaupt dazu bereit sind).
Für ein bisschen Krieg spielen mit laaaangen Zigarettepausen wegen Langeweile werden die BW'ler viel zu gut bezahlt!