Erstmals lud der Kitzinger Verein Bürgerzentrum (BZ) zu einem Neujahrsempfang ein, bei dem die Besucher alle Räume besichtigen konnten. Damit unterstrich das BZ seine Forderung "Soziokultur braucht Raum" und bot einen Einblick in seine ehrenamtliche Arbeit. Bekanntlich hat die Stadt dem BZ die Räume Mitte 2018 gekündigt, weil auf der Fläche in Zukunft ein Hotel entstehen soll. Allerdings hat der private Investor noch keinen Betreiber dafür gefunden und folglich die Stadt das Gelände noch nicht an ihn verkauft. Deshalb nutzen die Vereine das Gebäude übergangsweise weiter, geduldet von der Stadt.
Nach der Begrüßung durch die Vorsitzende Gertrud Vielweber ging die Stadträtin (SPD) und Vorsitzende des Kulturbeirates Brigitte Endres-Paul auf die Bedeutung des 1992 vom Stadtrat beschlossene soziokulturelle Zentrum der Stadt ein. Durch intensive Arbeit der Vorstände und Mitglieder sei eine große Familie unter einem Dach mit 15 Vereinen und mehr als 760 Mitgliedern entstanden. Aus eigener Erfahrung als Vorsitzende des Sportvereins Wiesenbronn wisse sie um die Intensität der Vorstandsarbeit, die viel Arbeit, aber auch Freude und Dankbarkeit mit sich bringe.
Kritik an den BZ-Vereinen
Kritische Stimmen bemängelten, dass der Verein seit Jahren mietfrei auf Kosten der Stadt lebe, verbunden mit der Frage, weshalb sich der Verein nicht selbst ein neues Domizil suche. Die Suche nach einer alternativen Unterkunft sei nicht Aufgabe der Stadt. Dieser Auffassung widersprach Endres-Paul. Es gebe zahlreiche Auftritte der Häckerbühne, der Volkstanzgruppe und anderer BZ-Vereinigungen mit stundenlangen Vorbereitungen und die Bereitschaft, die Stadt bei Veranstaltungen zu unterstützen.
Erneut der Eigeninitiative des BZ sei es zu danken, dass 1069 Unterschriften für den Erhalt des BZ gesammelt wurden. Damit brächten Bürger der Stadt zum Ausdruck, dass das BZ erhalten bleiben solle, ähnlich dem Stadtteilzentrum in der Siedlung. Der Kulturausschuss habe beschlossen, als beratendes Gremium über seine Vorsitzende einen Antrag in den Stadtrat einzubringen. Es solle wieder verhandelt und eine gemeinsame Lösung gesucht werden. Endres-Paul erklärte, das BZ sei wie eine große Familie, die man nicht auf die Straße setzen und damit zerreißen dürfe.
Rückblick in die Entstehungszeit
Einen weiteren Beitrag lieferte Stadtheimatpfleger Harald Knobling, der die Geschichte des einst von Balthasar Neumann errichteten Hauses beleuchtete. Es gehöre zu einem Gebäudeensemble, das rechts neben dem einstigen Brückentor im 19. Jahrhundert als Zollamt in Verbindung mit der Schranne des königlichen Bayern errichtet wurde. Es stand in Konkurrenz zu Anlagen der Markgrafen von Ansbach, die in Marktsteft Hafen und Getreidespeicher betrieben. Die damaligen Gebäude wurden teilweise abgebrochen und neu errichtet, teilweise auch baulich verändert.
Das Gebäude des BZ selbst stehe auf einem 1820 errichteten Fundament und wurde darauf um 1920 neu errichtet. Unter der Bezeichnung Altes Zollamt sei es ausweislich alter Adressbücher zunächst als Wohngebäude genutzt worden und habe in den 1950er-Jahren die Handelsschule beheimatet. In einer weiteren Phase diente es als Jugendzentrum, ehe es vom Bürgerzentrum und der Jugendverwaltung gemeinsam genutzt wurde. Knobling beschrieb das Gebäude insgesamt als schützenswert im Sinne der Denkmalpflege und des Stadtbildes.
Bürgerwerkstatt am 18./19. Mai
Die seitens des BZ mit der Vertretung beauftragte ehemalige Stadträtin Renate Fabian zeigte sich vom Verlauf der Veranstaltung, vom Zuspruch der Bevölkerung und den im Anschluss an den Empfang geführten Gesprächen beeindruckt. Die beiden Vorträge haben aus ihrer Sicht dazu beigetragen, das Meinungsbild über das BZ zu ergänzen und zu festigen. Besonders habe ihr gefallen, wie Endres-Paul von einer "großen BZ-Familie" gesprochen habe. Fabian unterstrich, dass es nicht um zugekaufte Kultur, sondern um eine eigenständige Soziokultur in der Stadt gehe.
Daher sollen die Bürger bei einer für den 18./19. Mai 2019 angesetzten Bürgerwerkstatt einbezogen werden und ihre Vorstellungen von Soziokultur im Bürgerzentrum einbringen können. Der Empfang wurde von der Akkordeongruppe Kitzingen mit Matthias Lux als Leiter gestaltet.