Kaum jemand bekommt sie zu Gesicht. Aber sie sind da. Auch in Kitzingen. Das Bundesamt für Naturschutz schätzt die Zukunftsaussichten für die Zauneidechsen als „ungünstig-unzureichend“ ein. Die Tiere müssen deshalb geschützt – und mitunter umgesiedelt werden.
Das Deuster-Areal liegt seit vielen Jahren brach. Alt eingesessene Kitzinger erinnern sich noch an die Zins-Uhr, die für den damaligen Oppositionspolitiker Siegfried Müller viel zu laut tickte. Jede Menge Geld habe die Stadt zum Fenster rausgeworfen, weil das Areal keiner Nutzung zugeführt wurde, so die Kritik. Als er Oberbürgermeister wurde, erwähnte Siegfried Müller die Uhr nicht mehr – auch wenn sie weiter vor sich hin tickte.
Ideales Lebensumfeld
Viele Jahre hat sich nichts getan auf dem Gelände, das direkt an die Nordumgehung angrenzt. Bis die Pläne publik wurden, das Staatsarchiv von Würzburg nach Kitzingen zu verlegen. Just ins Deuster-Areal. Auch wenn sich von Anfang an Widerstand in Würzburg geregt hat, die Vorbereitungen laufen seit langem. Das Staatliche Bauamt lässt Zauneidechsen umsiedeln.
2019 sind die ersten Voruntersuchungen gelaufen. Die Stadt Kitzingen und der Freistaat arbeiten diesbezüglich zusammen. Die Fläche wurde zu verschiedenen Jahreszeiten abgelaufen, um zu sehen, ob es dort überhaupt Zauneidechsen gibt. Tut es. Rund 40 an der Zahl, wie Sachgebietsleiter Nikolaus Kuhn erklärt. Das Planungsbüro Kaminsky wurde mit dem Einfangen und Umsiedeln der Eidechsen beauftragt, in der Nähe des Innoparks wurde eine Ausgleichsfläche geschaffen. Die Mitarbeiter des Bauhofes rückten mit schwerem Gerät an und schoben an mehreren Stellen auf rund drei mal zwei Metern Erdreich ab. Sand, Steine und Totholz wurden eingebracht, die Fläche drumherum mit Blühsamen bestückt. Ein ideales Lebensumfeld für die seltenen Reptilien wurde so geschaffen.
In Mainfranken fühlen sich die Zauneidechsen wohl. Trockene, sandige Standorte bieten ihnen optimal Lebensgrundlagen. Im durchlässigen Boden können sie ihre Eier eingraben, finden Schutz. „Sie brauchen Sonnenplätze und gute Verstecke gleichermaßen“, erklärt Biologin Ulrike Geise und verweist darauf, dass Mainfranken sogar als Spendergebiet für Zauneidechsen gilt. Von hier aus werden immer wieder Exemplare in weniger gute Bereiche gebracht.
Im Winter suchen die Tiere Unterschlupf in Mäuselöchern, verkriechen sich bis tief in die Gänge hinein. Eben dort, vor diesen Ausgängen, harren die Mitarbeiter des Naturplanungsbüros Kaminsky mit ihren Keschern aus, um die Tiere einzufangen und umzusiedeln.
Europaweit geschützt
Am Volkacher Kreisverkehr ist gerade eine große Population umgesiedelt worden, in Dettelbach auch schon – und jetzt in Kitzingen. Nicht nur am Deuster-Areal, sondern auch am Etwashäuer Bahnhof. „Leider gibt es immer noch Gemeinden, die den Schutz der Tiere nicht ernst nehmen“, bedauert Geise. Baugebiete werden ausgewiesen, ohne im Vorfeld ein Screening-Verfahren angestrengt zu haben. Dabei sei die Art europaweit geschützt, nicht nur in den ausgewiesenen FFH-Flächen, sondern eben auch andernorts. „Es gibt ein Schädigungs- und natürlich auch ein Tötungsverbot“, betont Geise. Aus gutem Grund.
„Die Zauneidechse hat in den vergangenen Jahrzehnten starke Arealverluste hinnehmen müssen“, heißt es in einem Bericht des Bundesamtes für Naturschutz. Verantwortlich dafür seien die Industrialisierung der Landwirtschaft, der Verlust von Saum- und Übergangsbereichen durch Flurbereinigungen, die zunehmende Versiegelung der Böden. „Anscheinend ist die Art von der zunehmenden Monotonisierung der Landschaft besonders stark betroffen“, so der Bericht.
Für Ulrike Geise, zweite Vorsitzende des Bund Naturschutz in Kitzingen, wäre es deshalb auch am besten, wenn man auf eine Umnutzung der Lebensräume, in denen sich Zauneidechsen wohl fühlen, ganz verzichten würde. „Eigentlich bräuchten gerade die Gemeinden, die mitten in Lebensräumen von Zauneidechsen leben ein übergreifendes Schutzkonzept, damit die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen auch Hand und Fuß haben und sich gut ergänzen“, sagt sie.
Letzte Begehung
Die Zauneidechsen vom Deuster-Areal werden überleben. Im September wird es eine letzte Begehung geben, dann sollen auch die letzten Reptilien in ihr neues Zuhause gebracht werden. Danach könnten die Bauarbeiten starten – zumindest aus Sicht der Naturschützer. Mit einer Fertigstellung des Staatsarchivs wird im Moment erst im Jahr 2025 gerechnet.