Wird es bald Wiesentheider Blattsalat in ganz Deutschland geben? Wenn es nach der Vision von Mark und Roy Delissen geht, dann schon. Die 46-jährigen Zwillingsbrüder aus dem niederländischen Beesel stellten am Mittwoch den Wiesentheider Bürgern ihr geplantes Großprojekt vor, welches auf 17 Hektar Ackerfläche von Paul Graf von Schönborn realisiert werden soll.
Salatzucht in klimatisierten Zellen, ohne Tageslicht im Etagenanbau. Was auf den ersten Blick etwas befremdlich wirkt, beweist sich bei genauem Hinsehen als moderner, nachhaltiger und Ressourcen schonender Salatanbau. In seiner knapp 20-minütigen Präsentation ging Geschäftsführer Mark Delissen detailliert auf die Aufzuchttechnik ein, die aktuell in Deutschland seines Gleichen sucht.
Salatpflanzen wachsen unter LED-Licht heran
In geschlossenen, klimatisierten Zellen beginnt der Anbau mit dem Keimen des Samens in einem fünf Quadratzentimeter großen Würfel Blumenerde. Angeordnet auf vielen Etagen übereinander und beschienen von extra entwickeltem LED-Licht, wachsen die Jungpflanzen 30 Tage, ehe sie in Gewächshäusern vollautomatisch ins mobile Rinnensystem auf einem Substrat eingebettet werden. Für die Bewässerung wird größtenteils Regenwasser im Kreislauf verwendet, das für den Einsatz an den Pflanzen immer wieder mit Nährstoffen aufbereitet wird; so gelangen keine Nährstoffe in die Umwelt und ins Grundwasser. Je nach Jahreszeit und Wärme kann der reife Salatkopf nach 60 bis 90 Tagen geerntet werden und kommt in den Handel der Discounter, jeden Tag frisch.
Die beiden Brüder betreiben mit ihrer Firma "Deliscious" seit 2012 eine Aufzucht (5,3 Hektar) im niederländischen Beesel, von der die Hälfte der Salaternte nach Deutschland exportiert – bei steigernder Nachfrage. Daher suchen Mark und Roy Delissen, die das Unternehmen ihrer Eltern weiterführen, nach einem günstigen Standort in Deutschland; mit Wiesentheid hätten sie einen gefunden. Die Lage quasi in der Mitte Deutschlands, mit direkter Anbindung an die Autobahn wäre nahezu ideal, um täglich frisch Salat in der ganzen Republik auszuliefern. Für Wiesentheid würde das maximal 25 bis 30 Lastwagen pro Tag bedeuten, sagte Mark Delissen.
Von Schönborn möchte andernorts Grund zukaufen
Durch eine Zeitungsannonce wurde der Wiesentheider Paul Graf von Schönborn auf die Idee der Delissen-Brüder aufmerksam. Er würde diesen gern sein Ackerland veräußern, da er selbst diese Fläche an anderer Stelle (Gut Wadenbrunn bei Kolitzheim) zukaufen möchte, um für seine Landwirtschaft, die er vor zwei Jahren auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat, größere zusammenhängende Flächen zu haben.
Die Salatzucht bei Wiesentheid hätte nach Fertigstellung auf knapp zehn Hektar Glasgewächshäuser, die nach außen abgedunkelt sein werden, um keinerlei Lichtverschmutzung zu verursachen. Für die Bewässerung wird das Regenwasser, das sich auf über 100 000 Quadratmetern Dachfläche sammelt, in rund 30 000 Kubikmeter fassenden Regenwasserspeichern aufbewahrt, worin laut den Betreibern die geringen Niederschläge in der Region Wiesentheid einkalkuliert sind. Die Wasserversorgung der Pflanzen wäre so mit bis zu 95 Prozent abgedeckt und das öffentlich Wassernetz oder eventuelle Brunnen würden nur sehr sporadisch benötigt werden.
Viele sehen keinen wirklichen Nutzen für die Heimat
Viele Wiesentheider stehen dem Projekt sehr skeptisch gegenüber, so auch die Mehrheit im vollbesetzten Pfarrheim. Sie haben große Bedenken wegen des Ortsbilds, der Wasserversorgung, der Verkehrsbelastung und einer möglichen Container-Wohnsiedlung am Aufzuchtbetrieb. Und sie sehen nicht wirklich einen Nutzen für ihre Heimat, lautete der Tenor der langen Diskussionsrunde im Anschluss an die Konzeptvorstellung.
Harald Godron traute den vorgestellten Niederschlagszahlen nicht und zweifelt an, dass die Regenwasserkalkulation so funktioniert. Zudem werde bei einer so großen versiegelten Fläche wohl auch der Grundwasserspiegel in Mitleidenschaft gezogen. Er verstehe nicht, warum gerade das so trockene Unterfranken als Standort für solch ein Projekt gewählt wird, sicherlich werde hier viel mehr Wasser aus dem öffentlichen Netz benötigt als jetzt zugegeben.
Christine Ehrenfels wirft den Betreibern, die mit Regionalität werben, "Etikettenschwindel" vor. Es wird zwar vor Ort produziert, aber dann Hunderte von Kilometer durch Deutschland gefahren was mit Regionalität nichts mehr zu tun habe. Zudem macht sie sich große Sorgen um das Wiesentheider Erscheinungsbild, was ihrer Meinung nach schon jetzt von viel Industrie außen herum geprägt ist. Viele Hektar Gewächshäuser würden hier nicht förderlich sein.
Wiesentheid könnte bei der Gewerbesteuer leer ausgehen
Ermahnend kam auch zur Sprache, dass diese Form des Salatanbaus wohl unter landwirtschaftliche Nutzung fallen könnte und somit keinerlei Gewerbesteuern in Wiesentheid hängen bleiben, was die Attraktivität für die Heimatgemeinde an diesem Projekt doch merklich schmälern sollte.
Sogar Gemüsebauern aus der näheren und weiteren Region waren zu der Infoveranstaltung nach Wiesentheid gekommen. Diese sehen zwar die innovative Technik dieser modernen Salatzucht, befürchten aber auch den Niedergang vieler kleinerer Familienbetriebe im Salatanbau, wenn dieses Projekt realisiert werden würde.
Gemeinderat wird sich mit Alternativ-Standort beschäftigen
Auch nach der gut eineinhalbstündigen Veranstaltung gibt es immer noch viele Sorgen und Fragen zu klären, wie die äußerst wichtige des geplanten Standorts. Waren bisher alle Planungen des Betreibers auf das Grundstück Richtung Untersambach ausgelegt. Entsprechend wurde das Konzept auch vorgestellt. In der der kommenden Gemeinderatssitzung wird jedoch über eine Bauvoranfrage für ein Alternativ-Grundstück Richtung Reupelsdorf beratschlagt. Zudem werden weitere Behörden, wie Wasserwirtschaftsamt und Landratsamt, über dieses Projekt entscheiden. Es bleibt also spannend, bis feststehen wird, ob es deutschlandweit Salat aus Wiesentheid geben wird.
Salat ohne Sonne, schmeckt wie Spinat aus der Tonne.