Sie gehört zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren dieses Landes. Und zu den sympathischsten. Davon konnten sich rund 70 Zuhörer bei der Veranstaltung „Literatur bei Wein und Kerzenschein“ im Wiesentheider Gymnasium überzeugen. An zwei Vormittagen hatte Isabel Abedi überdies mehr als 300 Schülern aus ihren Werken vorgelesen und zahlreiche Fragen beantwortet.
Alle zwei Jahre bringt Deutsch-Lehrer Harald Godron einen bekannten Kinder- und Jugend-Autor nach Wiesentheid. „An Isabel Abedi war ich schon seit Jahren dran“, bekennt er. Bei einer Tagung in Volkach lernte er sie persönlich kennen. Die Zusage war gemacht. Also machte sich Godron an die Arbeit: Sponsoren finden, Schüler aus der Volksschule einladen, die Technikgruppe des Gymnasiums aktivieren, um die richtige Beleuchtung und den richtigen Sound für die abendliche Veranstaltung hinzubekommen. Die Arbeit hat sich gelohnt.
Rund 70 Neugierige hatten sich am Donnerstagabend in der festlich geschmückten Aula des Landschulheims eingefunden. Sie lauschten der international bekannten Autorin mit großem Interesse. Und die bedankte sich mit einem rund zweieinhalbstündigen Vortrag und sehr persönlichen Einblicken in ihr Leben und Schaffen.
In München wurde sie geboren, in Düsseldorf ist sie aufgewachsen. Sie arbeitete als Au-Pair in Los Angeles, war mit einem Brasilianer verheiratet und lebt mittlerweile in Hamburg. Isabel Abedi hat viel von der Welt gesehen. Ihren Vater, einen Perser, nur einmal. Ganz kurz. Als sie 14 Jahre alt war.
Isabel Abedi ist bei ihren Großeltern aufgewachsen. Den Großvater und den Schallplattenspieler bezeichnet sie als ihre besten Freunde. Ihre Mutter als ihren Rückenwind. Parallelen zwischen Tochter und Mutter sind nicht zu übersehen. Als Werbetexterinnen waren beide tätig, als Übersetzerinnen von Büchern. Vor zehn Jahren ist die Mutter gestorben.
Isabel Abedi schrieb ihr erstes Buch im Alter von neun Jahren. „Murkel und das Spukschloss.“ „Ich habe auch gleich einen eigenen Verlag gegründet“, berichtete sie lächelnd. Ihre Kindheit? Ganz offensichtlich glücklich. Abedi zeigte Bilder von Orten, die ihr wichtig waren und sind. Orte, die sie fast allesamt zu Schauplätzen ihrer Romane und Bücher machte. Los Angeles, Hamburg, eine Insel in Brasilien, ein Dorf im Westerwald, wo sie als Kind ihre Ferien verbrachte, und zuletzt das Dorf in der Toskana, in dem sie mit ihren eigenen Kindern die Ferienwochen genoss. Der Kontakt zu Menschen, die Nähe zu den Bauwerken und der Natur ist ihr wichtig. „Ich muss vor Ort sein, um eine Szene wirklich beschreiben zu können“, berichtet sie. „Ich muss wissen, wie es dort riecht und schmeckt.“
Die Eindrücke sammelt sie in ihrem Inneren und ganz real – in Form von Büchern, in die sie hunderte Fotos und Erinnerungen einklebt. Reale Menschen nimmt sie nie als Vorlage für ihre Romanfiguren. „Da besteht für mich eine moralische Grenze“, sagt sie. Dennoch hat sie Bilder von Menschen an ihr „Mut-Board“ geklebt, an die Wand, die sie mit Magnet-Farbe bepinselt hat. Bilder von Prominenten, zumeist Schauspielern, die ihr als Anregung für ihre Protagonisten dienen. Als Vorlage für bestimmte Wesens- oder Charakterzüge. Katja Riemann hängt da beispielsweise, Taylor Lautner oder die junge Ornella Muti. „Ich dichte diesen Schauspielern bestimmte Wesenszüge an, die sie als Person nicht haben“, betont Abedi. Jede Romanfigur bekommt bei ihr außerdem einen Steckbrief. Die wichtigsten Charaktereigenschaften sind darin vermerkt, mögliche persönliche Entwicklungen.
Das Mut-Board füllt sich bei jedem Schaffensprozess von Neuem. Stichwörter für einzelne Szenen stehen da, der Plot schreibt sich immer wieder von Neuem fort. Die wichtigste Frage lautet: Was wäre, wenn? An ihr hangelt sich Abedi voran, führt die Handlung fort. „Ich gehe mit meinen Geschichten regelmäßig schwanger“, erklärt sie. Was zu skurrilen Momenten führen kann. In der U-Bahn starrt sie gedankenverloren mitunter fremde Personen an. „Bis sie sich wegsetzen“, erzählt sie und muss lachen. Konzentriert muss sie sein in ihrem Schaffensprozess, fokussiert. Gleichzeitig immer offen für eine Idee.
Die Anregung zu „Isola“, ihrem preisgekrönten Jugendroman, kam ihr bei einem Besuch der Würzburger Residenz. Im Treppenaufgang hatte sie plötzlich die Eingebung: zwölf Jugendliche auf einer einsamen Insel. Jeder darf drei Dinge mitnehmen. Warum ihr diese Idee gerade beim Anblick der Fresken von Tiepolo kam, ist Abedi noch heute schleierhaft. Eines ist ihr spätestens seither klar: „Ideen führen ein Eigenleben.“ Es ist wichtig, ihnen innerlich immer eine Tür offen zu halten.“ Nach einer Schaffenspause hat sie 2016 ihre fünften Jugendroman „Die längste Nacht“ veröffentlicht. Er spielt in Italien, verwebt die Schicksale zweier Familien miteinander. Spannend ist das Buch. Und es regt zum Nachdenken an, wie die Lesung von Isabel Abedi eindrücklich bewies. Harald Godron war jedenfalls sichtlich zufrieden mit dem Besuch der Autorin. Aktive Leseförderung will er auf diese Weise betreiben, die Schüler beizeiten für Literatur begeistern. „Sie lesen nach wie sehr viel“, erklärt er. „Aber vor allem Kurznachrichten auf ihrem Handy.“ Gebrauchslesen nennt das der Lehrer. Das Gegenteil davon konnten die Schüler genauso wie die Besucher der Veranstaltung am Donnerstagabend erleben: „Genusslesen.“
Bibliographie
Kinderbücher: Lola (bislang neun Bücher); Unter der Geisterbahn; Verbotene Welt; Und hier kommt Tante Lisbeth; Der kleine Wolf und ein unvergesslicher Sommer (unter anderem).
Jugendbücher: Imago; Whisper; Isola; Lucian; Die längste Nacht.