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LANDKREIS KITZINGEN
Gehen Weinfranken die Winzer aus?
Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Mittendrin im Weinland Franken gehen die Zahlen der Auszubildenden bei den Winzern massiv zurück.
Ausbildung mit Praxisbezug: Die angehenden Winzer und Weintechnologen des aktuellen Berufsgrundschuljahres keltern Wein aus den Trauben des schuleigenen Weinberges.
Foto: Marlene Nolte | Ausbildung mit Praxisbezug: Die angehenden Winzer und Weintechnologen des aktuellen Berufsgrundschuljahres keltern Wein aus den Trauben des schuleigenen Weinberges.
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 14.02.2024 21:33 Uhr

Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Mittendrin im Weinland Franken gehen die Zahlen der Auszubildenden bei den Winzern massiv zurück. Etwa 50 Prozent weniger Interessenten als vor zehn Jahren starten ins Berufsgrundschuljahr (BGJ). Der Fränkische Weinbauverband ist alarmiert und reagiert: Im nächsten Jahr startet eine Ausbildungsoffensive.

Franz Braun und Lilly Gößwein sind mittlerweile Ausnahmen. Der 16-Jährige aus Sommerach und die 17-Jährige aus Thüngersheim haben sich für eine Winzer-Ausbildung entschieden, besuchen seit September das BGJ an der Berufsschule in Ochsenfurt. Franz Braun ist von einem Bekannten angesprochen worden, ob er nicht mal bei der Weinlese mithelfen wolle. Fünf Jahre ist das her. Der Sommeracher wollte und hilft seither regelmäßig im Weinberg mit. „Das macht einfach Spaß“, sagt er und kann sich gut vorstellen, nach der Lehre den Meister draufzusatteln.

Strukturwandel zeigt Spuren

Neun angehende Winzer sitzen im BGJ, hinzu kommen vier Weintechnologen. Johannes Arnold muss bei diesen Zahlen den Kopf schütten. Seit 26 Jahren unterrichtet der Iphöfer Winzer angehende Kollegen. „Damals saßen mehr als 30 Leute im BGJ und mindestens so viele wollten Weintechnologen werden.“ Arnold hat zwei wesentliche Gründe für diese Entwicklung ausgemacht: den Strukturwandel im Weinbau und einen allgemeinen Wandel, was die Berufswünsche angeht. „Viele junge Menschen wollen den elterlichen Betrieb nicht mehr übernehmen“, sagt er. „Sie suchen ihr Heil lieber in anderen Berufen, die körperlich nicht so fordernd sind.“

Lilly Gößwein ist so gesehen eine Ausnahme. Sie stammt aus einem Weinbaubetrieb, ist von klein auf im Weinberg dabei. „Im Sommer kann es schon mal brutal heiß werden bei der Arbeit“, sagt sie. Dennoch: Die Abwechslung von Theorie und Praxis, der Kontakt mit der Natur: all das hat den Ausschlag gegeben, dass sie sich nach der Schulzeit für das BGJ entschieden hat.

Verband startet Offensive

Mittelschüler, Realschüler, Abgänger von Gymnasien: Im BGJ treffen sich junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen. Nach einem Jahr Grundlagenvermittlung in Theorie und Praxis geht es zwei Jahre in einen Ausbildungsbetrieb. „Die Betriebe suchen händeringend nach Mitarbeitern“, weiß Johannes Arnold und seine Kollegin Marlene Nolte nickt. Nebenerwerbswinzer werden immer seltener, Familienbetriebe müssen eine gewisse Größe haben, um überleben zu können. „Alleine schafft man diese Menge an Arbeit gar nicht mehr.“ Und die Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa sind nur zu bestimmten Zeiten da – und sollten auch dann professionell angeleitet werden. „Für gut ausgebildete Leute wird es immer einen Arbeitsplatz geben“, ist die Berufsschullehrerin sicher. „Gerade im Mittelbau“, ergänzt Johannes Arnold.

Auch dort beobachtet er seit Jahren eine erschreckende Entwicklung. Während die Hochschulen in Geisenheim oder Neustadt einen Ansturm erleben, sinken die Schülerzahlen auch bei den Techniker-Klassen der LWG in Veitshöchheim. „Dabei sind unsere Leute heiß begehrt“, versichert Arnold. „Auch im Ausland.“ Die beiden Lehrer fordern die gesamte fränkische Branche auf, das Thema anzupacken, bevor es zu spät ist. „Wir müssen die Jugend für unseren Beruf begeistern“, sagt Nolte.

Aktives Werben um Nachwuchs

Die Botschaft ist beim Fränkischen Weinbauverband längst angekommen. „Das Thema ist bekannt“, versichert Geschäftsführer Hermann Schmitt. Die sinkenden Zahlen im BGJ bereiten ihm durchaus Sorgen, andererseits gebe es auch Quereinsteiger, erinnert er. Menschen, die nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung umsatteln und im Weinbau ihrer berufliche Zukunft suchen. „Aber natürlich brauchen wir auch in Zukunft Techniker und Meister“, sagt er. „Menschen, die das Handwerk gelernt haben.“

Und so wird auch der Fränkische Weinbauverband einen Weg einschlagen, den andere Handwerksinnungen längst beschritten haben: Das aktive Werben um Auszubildende wird mit dem Jahr 2022 beginnen. Zusammen mit der Berufsschule und mit dem Bildungsbeauftragten des Weinbauverbandes, Martin Reinhard, soll die Ausbildungs-Offensive mit Leben gefüllt werden.

Über Social-Media, Berufsbörsen und Messen sollen Schüler künftig direkt angesprochen werden, in Mittel- und Realschulen wollen die Lehrer und Verbandsmitglieder präsent sein. „Wir waren früher in der glücklichen Lage, dass sich immer genug Interessenten gefunden haben“, sagt Hermann Schmitt. Diese glücklichen Zeiten sind längst vorbei. Die fränkische Weinbranche muss sich aktiv auf die Suche nach motivierten Jugendlichen machen.

Diese jungen Menschen sind mittlerweile die Ausnahme. Immer weniger Interessenten wollen eine Ausbildung zum Winzer starten.  Fotos: Nolte
Foto: Marlene Nolte | Diese jungen Menschen sind mittlerweile die Ausnahme. Immer weniger Interessenten wollen eine Ausbildung zum Winzer starten. Fotos: Nolte
Johannes Arnold: „Die Betriebe suchen händeringend nach Mitarbeitern.“
Foto: Marlene Nolte | Johannes Arnold: „Die Betriebe suchen händeringend nach Mitarbeitern.“
Marlene Nolte: „Für gut ausgebildete Leute wird es immer einen Arbeitsplatz geben.“
Foto: Marlene Nolte | Marlene Nolte: „Für gut ausgebildete Leute wird es immer einen Arbeitsplatz geben.“
 
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