
Der Tee aus Erdbeer-, Himbeer-, Melisse- und Pfefferminzblättern aus dem Garten der Kellers bringt ein wenig Wärme in den kühlen Frühjahrstag, an dem wir die Mainstockheimer (Lkr. Kitzingen) Familie besuchen. Die Blätter waren getrocknet, aber Barbara und Martin Keller ernten selbst zwischen Schneeflecken noch Frisches. Sie erzählen uns, wie man sich durchs ganze Jahr von eigenen Beeten versorgen kann – zumindest mit Obst, Gemüse und Kräutern.
Hühner haben die Kellers keine. Eier kaufen sie also, aber sonst kommen 75 Prozent ihrer Lebensmittel aus dem etwa 400 Quadratmeter großen Garten, überschlägt Barbara Keller. Irgendwann will sie sich auch Hennen anschaffen. „Wenn wir nicht mehr so viel unterwegs sind.“ In Italien und Frankreich haben sie enge Kontakte. „Zu Leuten, die wie wir Saatgutarbeit machen.“
Und das zeigt schon, dass Selbstversorgung nicht nur Säen, Pflanzen und Ernten ist, sondern eine Lebenseinstellung, ja eine politische Haltung. Martin und Barbara Keller setzen sich ein für Samen, die nicht von Agrarkonzernen stammen, ohne Gentechnik entwickelt sind und im Gegensatz zu Hybridsaatgut unkompliziert vermehrt werden können. Das gibt es beispielsweise in Raritätengärtnereien. Die Unabhängigkeit von Konzernen liegt ihnen politisch am Herzen. Selbstgewonnenes Saatgut hat aber weitere Vorteile: Es passe sich dem Garten an, entwickele sich weiter, werde immer besser und die Früchte reiften versetzt.
Genuss ist das Wichtigste
Begonnen, über Selbstversorgung nachzudenken, hat die Familie, als die Kinder auf der Welt waren. „Da tauchte die Frage auf: Wie ernährt man sich?“, sagt Barbara Keller. Gesundheit und Unabhängigkeit vom Konsumangebot sind aber nur ein Teil der Philosophie. Schnell wird deutlich, dass es beim Selbstversorgergarten besonders um eines geht: den Genuss.

„Es ist schön, im Jahreslauf zu leben“, sagt Martin Keller. Sie liebe es, in der Erde zu wühlen, sagt seine Frau. „Ich glaube, das erdet wirklich.“ Sie schwärmen vom Geschmack reifer Erdbeeren, die gerade den Transport vom Garten in den Mund vertragen, von Salat, der frisch geerntet am besten ist, von Gemüsen, die es im Laden nicht gibt. Und besonders gefällt ihnen das Zubereiten und Essen. „Es ist ein schönes Gefühl, selber etwas machen zu können“, sagt Martin Keller.
Deshalb raten sie Garten-Neulingen, einfach das anzubauen, was sie gerne essen. Etwa Kürbis, den sie in Stückchen mit Öl beträufelt, Fetakäsewürfeln, Kräutermischung, Salz und Pfeffer 20 Minuten backen und mit gerösteten Kürbiskernen genießen. Oder Zuckererbsen, die sie im April am Zaun säen und im Juni im Risotto verspeisen. Sie empfehlen „Schweizer Riesen“, weil die schön bunt blühen. Und dann natürlich Tomaten, das Lieblingsgemüse der Deutschen.
So gewinnt man Samen
Barbara Keller vermehrt samenfeste Tomaten (keine Hybriden) so: Die ersten Früchte einer Pflanze – damit die Nachkommen auch früh tragen – sehr reif ernten, Kerne und Saft herauslöffeln, etwa zwei Zentimeter hoch in ein Schraubglas geben, Deckel locker auflegen und warm stellen (über 20 Grad Celsius). Nach zwei Tagen trennen sich Saft und Kerne, diese im Sieb waschen und auf einem Küchentuch trocknen lassen. Kühl, dunkel und trocken im Schraubglas aufbewahrt, halten sie sich viele Jahre.

Damit die Kellers auch im Winter aus dem Garten leben können, bauen sie Kohlsorten, Wurzeln und Rüben an, die niedrige Temperaturen aushalten. Außerdem konservieren sie die Ernte durch Einmachen, Einlegen, Trocknen und Lagern im kühlen Keller. Einfrieren verbraucht ihnen zu viel Energie.
Die Arbeit, die Säen, Pflanzen, Pflegen und Ernten machen, wird ihnen als solche gar nicht bewusst, sagen die Kellers. Für sie stehen Gartenlust und Experimentierfreude im Vordergrund. Und manches Gemüse wuchert ohnehin ganz ohne Arbeit, Brennnesseln und Giersch beispielsweise für die Tortellinifüllung. „Die Einteilung in Nutz- und Unkräuter fällt weg“, sagt Martin Keller.
Ein Heubeet für Bequeme
Aus dem eigenen Garten versorgt sich auch die Familie von Jonas Gampe in Bischbrunn (Lkr. Main-Spessart) zu einem guten Teil. Gampe hat jedoch nicht die üblichen Gartenbeete angelegt, wie die Kellers, sondern geht bei der Gartengestaltung einen ganz speziellen Weg. Sein einen Hektar großer sogenannter Permakulturpark ist ein künstliches Ökosystem, das mit der Zeit wie ein natürliches funktionieren, sich selbst entwickeln und regulieren soll. Die Idee zu solchen Gärten kommt aus Australien. Kennzeichnend dafür sind die Bildung von Kreisläufen, die Schonung von Ressourcen und die Nutzung der natürlichen Standortfaktoren. Für Selbstversorger, die sich entspannt über das freuen, was der Garten beschert, ist Permakultur eine Möglichkeit.

Die meiste Zeit brauche es, den Standort genau zu analysieren, zu überlegen, was brauche ich, was ist da und was lässt sich daraus machen. Dann wird angelegt nach dem Motto: Vielfalt schaffen mit wenig Aufwand. „Je mehr Vielfalt, desto mehr Stabilität“, sagt Jonas Gampe. Bei ihm gibt es beispielsweise ein Waldstück, Teiche, Obsthecke und -wiese, einen Lehmbackofen aus der Erde vom Gelände, ein Kompostklo, das Wasser spart und den Kompost anreichert, ein Kraterbeet, das die Sonnenwärme sammelt.
Wie einfach Permakultur sein kann, schildert er am Beispiel des Heubeets. Im ersten Jahr häuft er 80 Zentimeter hoch Heu auf ein Stück Erde. Wenn das im folgenden Frühjahr zusammen gefallen ist, wird ohne Umgraben gepflanzt. Besonders gut gedeihen dort Kartoffeln, Kürbisse, Zucchini und Tomaten, die im Heu außerdem keine Krautfäule bekommen, sagt Gampe. Jäten, Gießen und Düngen sind nicht nötig. Nachwachsendes Gras wird einfach mit Heu abgedeckt.
Buchtipps
Je komplizierter Welt und Leben werden, desto größer sei die Sehnsucht nach Einfachheit, sagt Naturpädagoge Otmar Diez aus Sulzthal (Lkr. Bad Kissingen). Sein Rat: Möglichst viele Naturbegegnungen suchen und einen Garten anlegen. In seinem Buch „Es geht auch einfach! - Gärtnern für Selbstversorger mit wenig Zeit und wenig Platz“ (Kosmos-Verlag 2018, 140 Seiten, 14,99 Euro) zeigt er, dass 20 gut angelegte Quadratmeter Garten für eine Familie reichen. Er gibt Anleitungen für Planung und Bodenbearbeitung, Aussaat, Mischkultur und Fruchtfolge, Kompostherstellung, Lagerung und Konservierung der Ernte.
Ein Seminar zum „Selbstversorgergarten“ hält Otmar Diez im Rahmen der Main-Post-Akademie am Samstag, 12. Mai, von 10 bis 16.30 Uhr im Haus erLebenskunst, Raßthalerweg 14, in Ramsthal, Preis: 49 Euro. Informationen und Anmeldung unter: Tel (09 31) 60 01 60 09 oder im Internet unter akademie.mainpost.de
Ein Praxisbuch für Menschen, die aus ihrem Garten ein Permakultur-System machen wollen, das sich selbst trägt und entwickelt, hat Jonas Gampe aus Bischbrunn (Lkr. Main-Spessart) geschrieben. Ein solcher Garten braucht etwas Zeit bei der Anlage, dafür stützen sich später sämtliche Elemente so, dass auch das Bedürfnis der Menschen darin nach Bequemlichkeit erfüllt wird. Auch Minigärten auf dem Balkon stellt Gampe vor („Permakultur im Hausgarten - Handbuch zur Planung und Gestaltung“, Ökobuch-Verlag, 2016, 141 Seiten, 16,95 Euro). Auch Gampe gibt Kurse. Infos im Internet unter: www.kreislauf-gaerten.de