”Es ist Gottes Wort - es will nicht brennen”, soll laut Aussage einer Zeugin ein Zuschauer bei der Verbrennung der Gegenstände aus der demolierten Synagoge in Altenschönbach am Abend des 10. November 1938 gesagt haben, als man dort die beiden Thora-Rollen ins Feuer warf und diese nicht gleich in Flammen aufgingen - das gelang erst, nachdem man Brandbeschleuniger herbeigeholt hatte.
Zu einer Gedenkveranstaltung zum Pogrom hatte am Freitag der Verein Alt Prichsenstadt e. V. mit seinem Arbeitskreis ”Stolpersteine - Erinnern und Gedenken” in das Evangelische Gemeindehaus nach Altenschönbach eingeladen. Es war wohl die erste derartige Veranstaltung, die jemals in Altenschönbach bzw. Prichsenstadt stattfand - und die Anzahl von etwa 60 interessierten Zuhörern fand kaum Platz, heißt es in einer Pressemitteilung.
Gekommen waren unter anderem der erste und zweite Bürgermeister der Stadt Prichsenstadt sowie einige Stadträte und Fürstin Marie-Luise zu Castell-Castell. Das Hauptreferat des Abends hatte Roland Flade aus Würzburg übernommen, ein Historiker und Kenner der Materie. Er schilderte die geschichtliche Entwicklung bis hin zum Pogrom vom November 1938 und dessen Verlauf in Unterfranken, speziell in Würzburg anhand von Bildern.
Vierköpfiger SS-Zerstörungstrupp aus Kitzingen
Anschließend stellten Werner Steinhauser und Wolf-Dieter Gutsch - beide Mitglieder des Arbeitskreises "Stolpersteine - Erinnern und Gedenken" im Verein Alt Prichsenstadt e. V. - den Verlauf des Pogroms im Kreis Kitzingen-Gerolzhofen dar - als Richtschnur diente dabei der Weg des vierköpfigen SS-Zerstörungstrupps aus Kitzingen, der sich am 10. November 1938 um 5 Uhr morgens auf seinen Weg machte und zuerst die Synagoge in Kitzingen in Brand setzte.
Auf diesem Weg, der durch Marktbreit und Mainbernheim führte, weiter über Rödelsee (dort nahm der Trupp bei einem SS-Kameraden eine Schlachtschüssel und einige Schoppen Wein zu sich und dort stand auch die Schändung und Demolierung der dortigen Synagogen auf dem ”Zettel”), kamen sie schließlich nach einem Halt in Kleinlangheim am frühen Nachmittag auch nach Prichsenstadt und nach Altenschönbach.
In beiden Gemeinden wurde die Inbrandsetzung der Synagogen von Nachbarn und Ortsbehörden verhindert - aber die Synagogen wurden aufgebrochen, die religiösen Gegenstände geschändet und die gesamte Inneneinrichtung demoliert. Später kam es zur Verbrennung der Trümmer und des Inventars auf dem Marktplatz in Prichsenstadt und im Garten eines benachbarten Bauern in Altenschönbach.
Anwesende Zeitzeugin aus Prichsenstadt
Bei den jüdischen Einwohnern beider Orte wurden Haussuchungen nach Waffen und "staatsfeindlicher Literatur" durchgeführt, sie wurden gedemütigt, gequält und verhaftet - drei jüdische Männer kamen dann in das Konzentrationslager Dachau.
Eine anwesende Zeitzeugin aus Prichsenstadt bestätigte, dass sie am 10. November gemeinsam mit ihrer Mutter bei einem Besuch in Kitzingen sowohl die brennende Synagoge sah als auch die Hetzjagd auf jüdische Bürger - und nach ihrer Heimkehr in Prichsenstadt auch in der Freihofgasse die Spuren der Verwüstung vor der Synagoge und der Wohnung des Religionslehrers Grünebaum.
Zum Abschluss fand ein Totengedenken statt. Junge Leute aus Altenschönbach und Prichsenstadt lasen die Namen der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Prichsenstadt (16) sowie Altenschönbach (9) vor. Danach sprach der evangelische Ortspfarrer Erich Eyßelein ein Gebet für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Die Gedenkveranstaltung wurde musikalisch von der Gruppe "HemosSaxoBariTöne" umrahmt, die zu Beginn und Ende des Abends jeweils ein Stück jüdisch-synagogaler Musik darbot.
Gibt es auch eine evangelisch-synagogale Musik?
Und: "jüdische Männer"? Eigentlich ergibt sich aus dem Satz, durch die "jüdischen Einwohner" schon, um wen es sich handelt.