Carina Pfaff ist ernüchtert. Seit fünf Jahren führt sie das Gasthaus Zur Krone in Escherndorf. Einsatzfreudig, fast euphorisch war die junge Frau, als sie das Traditionslokal an der Mainschleife übernahm. Heute passt das Leben als Gastwirtin, das sie aus vollem Herzen geführt hat, nicht mehr in ihre Planung. Sie möchte eine Familie gründen – aber sie findet niemanden, der ihr im Gasthaus Arbeit abnehmen könnte. „Es war schon vor Corona schwierig“, sagt die 31-jährige Jungunternehmerin. Inzwischen ist es quasi ein Ding der Unmöglichkeit, für gastronomische Betriebe motiviertes Personal zu finden. Darum gehen in der „Krone“, wie in vielen anderen Wirtshäusern im Landkreis auch, bald die Lichter aus.
Diese Entwicklung beobachtet auch Thomas Dauenhauer, Vorsitzender des Bezirksverbandes im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, mit Sorge. „Es gibt kaum mehr ein Gasthaus, das durchgehend warme Küche anbieten kann. Die meisten haben ihre Öffnungszeiten eingeschränkt. Viele Kollegen geben entnervt auf“, sagt der Gastronom, der die Probleme aus seinem eigenen Haus, dem Akzenthotel „Franziskaner“ in Dettelbach kennt. „Die Kollegen können einfach nicht mehr.“
„Die Gäste werden sich
umstellen müssen.“
So geht es auch Carina Pfaff. Derzeit ist sie im Servicebereich ihres Gasthauses Zur Krone Alleinunterhalterin, in der Küche stehen zwei Köche am Herd, am Wochenende beschäftigt sie zwei Aushilfen. „Wenn da nur eine ausfällt, kommen wir schon ins Schleudern“, erklärt die junge Chefin. „Wir finden aber einfach kein zusätzliches Personal.“ Es gebe Tage, an denen sie nur noch am Rotieren sei. Die Gäste kommen in Scharen, aber Carina Pfaff hat keine Servicekräfte, die sich um sie kümmern könnten. „Die Leute wollen wieder Essen gehen, wollen sich bedienen lassen“, weiß die Gastwirtin. „Wir können das aber nicht mehr leisten.“ Im Büro der Tourist-Info für die Mainschleife wird die angespannte Lage der Gastronomie seit Längerem aufmerksam beobachtet. Marco Maiberger lud schon 2020 zur großen Runde ein, hörte zu, versuchte zu vermitteln und zu unterstützen. „Ich verstehe die Ängste der Gastronomen“, sagt der Tourismus-Chef. „Für viele ist nach dem langen Corona-Lockdown von November bis Mai die Tür perspektivisch zugefallen.“
Insgesamt sei die Mainschleife gastronomisch gut aufgestellt, die Gäste könnten immer irgendwo einkehren. „Aber sie müssen, genauso wie ihre Gastgeber, flexibler sein.“ Die Tourist-Info unterstützt ihre Wirte zum Beispiel dadurch, dass sie einen Öffnungszeiten-Ticker eingerichtet hat, auf dem sich die Touristen informieren können, wo man wann essen und trinken kann. „Wir wollten zeigen, dass wir die Gastronomen nicht im Regen stehen lassen. Und wir appellieren an die Gäste, werben um Verständnis“, sagt Marco Maiberger. „Ansonsten sind uns weitgehend die Hände gebunden.“
Aus seiner Sicht geht kein Weg daran vorbei, dass die Wirte selbst in intensive Kommunikation mit dem Gast gehen, ihre Situation aufzeigen. „Sie haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen, mit dem Personalmangel, mit den Abstandsregeln, die vorsehen, dass die Innenräume nicht voll besetzt werden können und sie deshalb Gäste abweisen müssen.“ Der Fremdenverkehrsexperte weiß um die hohe Erwartungshaltung der Touristen und zählt darauf, dass sich gegenseitiges Verständnis einstellt.
Auch Thomas Dauenhauer ist überzeugt davon, dass das gegenseitige Verständnis der zentrale Punkt für die kommenden Wochen und Monate ist. „Früher war es undenkbar, dass man einem Hotelgast, der in der Nacht ankam, kein warmes Essen mehr anbot“, erinnert er sich an seine Anfängen in der Gastronomie. Das könnten heute die wenigsten noch leisten – wenngleich die Nachfrage durchaus da wäre. Die Gäste hätten hohe Ansprüche. Teilweise zu hohe. „Sie werden sich in Zukunft umstellen müssen“, prophezeit Dauenhauer und liefert ein Beispiel: Man könne nicht erwarten, dass eine Servicekraft bis tief in die Nacht ihre Zeit absitze, während der Gast Sitzfleisch beweise. Die Wirte stünden in der Verantwortung und müssten ihrem Personal den Rücken stärken – auch finanziell. „Da haben sich manche Kollegen vielleicht nicht immer richtig verhalten, haben ihre Mitarbeiter nicht entsprechend entlohnt, ihnen lange und anstrengende Arbeitszeiten zugemutet.“ Die Arbeitsbedingungen und das Image des Service-Mitarbeiters in der Gastronomie haben extrem gelitten. „Das muss wieder anders werden.“
Carina Pfaff,
Gastwirtin
Carina Pfaff ist da der gleichen Meinung. Sie sieht aber unter anderem auch die Verbände und Gewerkschaften ihres Berufsstandes in der Pflicht. „Bei der Bahn gibt es groß angelegte Protestaktionen und organisierten Streik. Das müsste auch in der Gastronomie einmal durchgezogen werden.“ Die Organisationen hielten sich aber weitestgehend zurück, so dass die Jungunternehmerin nur noch auf die Politik hoffen kann. „Uns fehlt es aktuell nicht unbedingt an finanziellen Mitteln“, zieht sie ein Resümee aus den vergangenen Corona-Monaten. „Uns fehlt es an Arbeitskraft.“
Und so würde sie sich wünschen, dass man Förderbeträge oder Zuschüsse auch einmal direkt auf die Mitarbeiter umlegen könne. Bis zu 18 Euro in der Stunde könne man für eine qualifizierte Kraft zahlen, vielleicht auch zuzüglich Wochenend- oder Nachtzuschlag. Carina Pfaff würde gerne. Dann müsste sie die „Krone“ vielleicht nicht aufgeben. Könnte es verhindern, dass in einem weiteren, renommierten Gasthaus die Lichter ausgehen. Könnte weiterhin mit ihrem Enthusiasmus die Gäste begeistern. Und müsste nicht feststellen, dass in ihrem Leben als Wirtin die Euphorie der Ernüchterung Platz gemacht hat. Foto: Archiv/Peter Pfannes