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KITZINGEN/ LANDKREIS KT
„Gar nicht ekelig“
Er rettet Leben: Fast täglich entdeckt Internist und Gastroenterologe Dr. Thomas Brohm bei Darmspiegelungen Mutationen wie diesen Stiel-Polypen. Mittels moderner Technik kann er das krankhafte Gewebe sofort entfernen – und damit das Darmkrebsrisiko enorm senken.
Foto: diana fuchs | Er rettet Leben: Fast täglich entdeckt Internist und Gastroenterologe Dr. Thomas Brohm bei Darmspiegelungen Mutationen wie diesen Stiel-Polypen.
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 06.03.2015 16:25 Uhr

Eigentlich müsste niemand mehr an Darmkrebs sterben. Die medizinischen Möglichkeiten, vor allem bei der Vorbeugung, aber auch bei der Behandlung, sind mittlerweile enorm. Doch die Tatsache, dass der Mensch Mutationen im Darm schlichtweg nicht spürt, hält viele davon ab, sich einfach mal untersuchen zu lassen. „Ich mache das jetzt regelmäßig“, ist sich dagegen Christian B. sicher. Der 47-Jährige lebte jahrelang mit einem wachsenden Polypen im Dickdarm, der leicht bösartig hätte werden können.

Fünf Jahre lang hat Christian B. beim Stuhlgang immer wieder hellrotes Blut mit ausgeschieden. Da der dynamische Mann damals erst Anfang 40 war, tippte niemand auf eine Darmerkrankung. Das seien wohl Hämorrhoiden, ganz ungefährlich, hieß es. Vor einigen Monaten bekam Christian B. dann allerdings „brutale Schmerzen Richtung Steißbein“. Der Osteopath riet ihm, zum Proktologen zu gehen. Der diagnostizierte einen gewaltigen Polypen, also eine Mutation der Schleimhaut im Dickdarm. „Die Angst vor Darmkrebs war groß“, erinnert sich Christian B.

„Es geht darum, Polypen zu entfernen, so lange sie noch gutartig sind.“
Dr. Thomas Brohm

Er ließ sich in der Praxis von Dr. Thomas Brohm/ Dr. Monika Weikert in Kitzingen gründlich untersuchen. Vor der Darmspiegelung musste er zweimal eine Flüssigkeit zum Abführen trinken, um den Darm zu reinigen. „Die hat ähnlich geschmeckt wie ein Magnesium-Trunk.“ Von der Spiegelung selbst, während der Dr. Brohm den Polypen von der Größe eines Golfballs entfernte, bekam Christian B. dank der Schlafspritze gar nichts mit.

Brohm und Weikert haben viel Erfahrung bei der Untersuchung des etwa einen Meter langen Dickdarms – „nur dort kann Darmkrebs entstehen“. Etwa 30 000 Magen- und Darmspiegelungen hat Brohm als Arzt bereits vorgenommen, derzeit sind es pro Tag zehn bis 15 Spiegelungen, die meist eine Viertel- bis eine halbe Stunde dauern.

„Das ist überhaupt nicht ekelig“, nimmt der Internist und Gastroenterologe möglichen Ängsten gleich den Wind aus den Segeln. Tatsächlich wecken die Bilder vom Inneren des Dickdarms, die er auf dem PC zeigt, eher die Neugierde. Sie erinnern an ein naturfarbenes Falten-Kunstwerk oder einen gewaltigen Wurm, dessen Schleimhaut von vielen Mini-Blutadern überzogen ist.

Den Dickdarm befahren

Mit dem so genannten Koloskop, einem modernen Steuergerät mit langem, daumendickem Schlauch, kann Brohm den Dickdarm nicht nur millimetergenau „befahren“, also untersuchen, sondern auch gleich eventuelle Mutationen beseitigen.

Doch wie entstehen solche Schleimhaut-Wucherungen überhaupt? „Die Darmschleimhaut erneuert sich täglich“, erklärt Brohm. „Etwa ein Drittel des Stuhlvolumens besteht daraus.“ Bei der stetigen Erneuerung können jedoch Fehler auftreten. Wucherungen können entstehen, so genannte Polypen. Manche sitzen direkt an der Darmwand, andere haben eine Art Stiel.

Beide Arten kann der Internist mit schlanken Instrumenten, die durch das Koloskop eingeführt werden, sofort abtragen. Zuerst wird der Polyp mit Kochsalzlösung unterspritzt, damit man ihn gut vom gesunden Gewebe abtrennen kann. Dann wird eine schmale Schlinge über den Polypen gezogen, die diesen mit elektrischem Strom abschneidet und die Wundfläche verödet.

„Wir sind bei jeder Spiegelung zu dritt und schauen hinter jede Darmfalte. Bei etwa jedem dritten Patienten finden wir während der Spiegelung einen Polypen, den wir dann gleich beseitigen“, berichtet Brohm. Damit ist seine Praxis deutlich besser als der bundesdeutsche Durchschnitt. Das ist auch das Ziel des Darmzentrums Kitzingen, das Brohm zusammen mit der Klinik Kitzinger Land, mit Internisten, Onkologen, Chirurgen, Psychologen und Physiotherapeuten bildet.

Wer – bei unauffälligem Ergebnis – alle zehn Jahre zur Darmspiegelung geht, der fährt sein persönliches Darmkrebsrisiko auf fast Null zurück, erklärt Internist Brohm. „Es geht quasi darum, Polypen rechtzeitig zu entfernen, nämlich so lange sie noch gutartig sind.“ Bis Polypen entarten, sind mindestens drei Mutationen nötig. „Das dauert zehn Jahre. Also ist die Darmspiegelung im Zehn-Jahres-Abstand die beste Vermeidungs-Strategie.“

Obwohl sich langsam herumspricht, dass Darmkrebs nicht unabwendbar ist – und dass man auch nach Ausbruch der Krankheit viel dagegen tun kann, etwa spezifische Antikörper geben – lassen sich aktuell nur 20 bis 30 Prozent der Männer und 30 bis 40 Prozent der Frauen regelmäßig untersuchen. Und das, obwohl die Krankenkasse die Vorsorge ab dem 50. beziehungsweise 55. Lebensjahr bezahlt. „Da ist Luft nach oben“, stellt Dr. Brohm fest – gerade angesichts der Tatsache, dass laut Statistik jeder 13. Bundesbürger die Diagnose Darmkrebs bekommt und dass Darmkrebs der zweithäufigste bösartige Tumor bei Männern (nach Prostatakrebs) und bei Frauen (nach Brustkrebs) ist.

„Krebs hält sich leider nicht an unsere Altersmaßgaben.“
Dr. Thomas Brohm

„Die meisten trifft es nach dem 60. Lebensjahr“, weiß Brohm. Genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle, besondere Risikofaktoren sind Rauchen und Alkoholmissbrauch. Wer sich dagegen ballaststoffreich ernährt, viel Obst und Gemüse isst – „Vitaminpillen bringen nichts“ – und sich ausreichend bewegt, tut seinem Darm einen Gefallen. Letzte Sicherheit über den Zustand des Organs gibt aber nur dessen Untersuchung, also die Darmspiegelung. Diese ist bei entsprechenden Beschwerden auch in jungen Jahren schon sinnvoll. „Krebs hält sich leider nicht an unsere Altersmaßgaben“, sagt Brohm.

Genau das hat Christian B. erfahren. „Ich lasse mich jetzt regelmäßig untersuchen.“ Dem 47-Jährigen ist ein Stein vom Herzen gefallen, als er den feingeweblichen Befund seines Riesenpolypen bekam: Es war noch gutartiges Gewebe.

Die Darmspiegelung – das betont Christian B. immer wieder – sei weder peinlich gewesen noch habe sie weh getan. „Ich bin sehr menschlich und zugleich professionell unterstützt und behandelt worden.“ Und die Sicherheit, die man danach hat, „ist einfach unbezahlbar“.

Acht Meter langes Organ

Am 7. November 2014 ist weltweiter Darmtag.

Der Darm ist der wichtigste Teil des Verdauungstraktes. Er erstreckt sich vom Magenpförtner bis zum After.

Der Darm ist beim erwachsenen Menschen insgesamt etwa acht Meter lang und besitzt wegen der feinen Darmzotten eine Oberfläche von etwa 400 bis 500 Quadratmetern. *ldk*

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