Wilde Locken tanzen um seinen Kopf. Sie passen zu einem Charakter. "Ich bin eine Rampensau", sagt Benedikt Amtmann. Er grinst in die Runde, die sonst nur aus Mädels besteht. Der 17-Jährige ist der Sprecher der fränkischen Ortsjugend von Unterlaimbach, einem 180-Seelen-Dorf bei Scheinfeld im Kreis Neustadt-Aisch/Bad Windsheim.
Das Besondere: Statt sich nur zum Feiern und Ausgehen zu treffen, haben die Jugendlichen Spaß daran, fränkische Kultur und Tradition zu leben. Sie spielen Sketche, Kabarett- und Volksmusikstücke. Darin nehmen sie die Eigenarten ihrer Heimat aufs Korn. Ein Besuch bei jungen Franken, für die Heimatliebe kein Begriff zum Schämen ist.
Sie sind zwischen 13 und 19 Jahre jung und seit Kindertagen befreundet. Dass sie Spaß haben, ist unüberhörbar. Es wird viel gelacht, abends bei den Proben für das Kabarett- und Musikprogramm "Des lass' mer uns fei ned nachsagn!" Mehrmals pro Woche belagert die Ortsjugend derzeit die Bühne in der urigen Kulturscheune des Ortes. Die Proben befinden sich in der heißen Phase. Am Samstag, 16. November, wird hier die hausgemachte Premiere stattfinden: ein Abend im Sound des fränkischen Dialekts und an den Kochtöpfen der fränkischen Gerüchteküche.
Als Zuschauer darf man über "Mistbridschn" und allerhand andere Schimpfworte staunen, zu schmissigen Songs schunkeln und sich diebisch über die komödiantische Lawine freuen, die der Satz "Hast scho' g'hört...?" lostritt.
Sophia Gegner entert die Bühne so energisch, dass der lange blonde Zopf wie eine Fahne hinter ihr herweht. "Wir ham 'n Spion im Wirtshaus...!", legt die zarte Person gestenreich los. Ihr Text sitzt bereits super. Die 18-Jährige, die heuer Abitur gemacht hat, ist Benedikts weibliches Pendant und ebenso fantasievoll, schauspielerisch und musikalisch begabt wie er. Gemeinsam haben die beiden sämtliche Programmteile selbst verfasst. "Das hat sich alles so ergeben", erzählen sie in einer Probenpause, "weil bei der Kerwa 2019 nix geboten war".
Für ihren Auftritt bekamen die Jugendlichen viel Applaus
Kurzerhand beschlossen sie deshalb, einfach selbst aktiv zu werden. "Wir haben ziemlich spontan eine Tanzchoreografie einstudiert und auf dem Dorfplatz aufgeführt", erinnert sich Benedikt, der damals noch nicht einmal 13 war. Dass sie für ihren Auftritt viel Applaus ernteten, spornte die Jugendlichen an. Sie schrieben und spielten einen Sketch ("Fasten für Anfänger"), der wiederum gut beim Publikum ankam.
"Dann wurden die Stücke immer länger", erinnert sich Sophia Gegner. Zur Kirchweih 2020 boten die jungen Franken mit "Es war die Nachtigall und nicht die Wirtin" bereits ein abendfüllendes Programm, in das sie zur Freude der Zuschauer einiges an Lokalkolorit einbauten. Prompt folgten "Die Bierdeckelverschwörung" und heuer nun das Kabarett- und Musikprogramm "Des lass' mer uns fei ned nachsagn!" Vor kurzem zeichnete der Scheinfelder Heimat- und Kulturverein die Gruppe mit dem "1. Lindwurm-Ei" aus, einem Kulturpreis für Jugendliche.
Die Regisseurin hat früher als Deutschlehrerin in Kitzingen gearbeitet
"Wir haben Glück, dass Brigitte und Killen McNeill uns die Kulturscheune zur Verfügung stellen. Und dass wir die Oma haben", sagt Benedikt Amtmann. Die "Oma" lacht und nickt. Es handelt sich um Christine Schmidt-Kraemer aus Escherndorf, die früher in der Kitzinger Wirtschaftsschule Deutsch unterrichtete und nun für die Dorfjugend Regie führt. "Es macht viel Spaß, mit den Jugendlichen zu arbeiten", stellt sie fest.
Das sieht auch Brigitte Bergmann so. Als Mama der beiden jungen Schauspielerinnen und Musikerinnen Ella und Johanna Bergmann ist sie in die Rolle der Souffleuse gerutscht. Auch sie findet es schön, dass die Jugendlichen "so fürs Fränkische brennen".
Ein Gefühl von Wärme und Vertrautheit – und die Verbindung zu den Vorfahren
Aber woher kommt diese Leidenschaft für Franken, den Dialekt und die Volksmusik überhaupt? Ist das alles bei jungen Leuten nicht eher verpönt? Sophia Gegner schüttelt entschieden den Kopf: "Es ist doch schön zu wissen: Da bin ich daheim."
Benedikt Amtmann stellt klar: "Ich schäme mich nicht für meine Heimat, im Gegenteil. Sie macht mich zuordenbar. Und egal, wo auf der Welt ich bin: Das Heimkommen ist immer schön, da ist ein Gefühl von Wärme und Vertrautheit, das mir niemand nehmen kann." Die fränkischen Lieder seien die Verbindung zu den Vorfahren, findet der junge Mann, der sechs Instrumente spielt. "Wir übernehmen sie nicht nur, sondern übertragen sie in unsere Zeit."
Aber erntet man mit dieser traditionsbewussten Einstellung unter Gleichaltrigen nicht auch Spott? Die drei 16-jährigen Leonie, Olivia und Ella denken kurz nach und schütteln dann alle drei den Kopf. "Ich habe da noch nie schlechte Erfahrungen gemacht", sagt Ella.
Sie nimmt ihre Klarinette zur Hand, Benedikt steht schon am Hackbrett, Sophia hat die Gitarre im Arm. Wenig später wackelt die Bühne, die gute Laune geht aufs Publikum über. Was das angeht, kann man der Unterlaimbacher Ortsjugend wirklich nichts nachsagen.