
Die Vielzahl der elektronischen Helferlein in Autos, Lastwagen und Co. machen ein Bordnetz immer komplexer. Ein modernes Fahrzeug hat bis zu 1000 verschiedene Kabel in seinem Inneren verbaut, die das Gefährt wie ein Spinnennetz durchziehen. Und das scheint mit Blick aufs kommende autonome Fahren längst nicht das Ende der Fahnenstange zu sein.
Um solch komplizierte Systeme zusammenzubauen, setzt der fränkische Automobil-Zulieferer Leoni bisher vor allem auf Handarbeit. Bis zu 15 Stunden dauert es, bis mehrere Mitarbeiter aus der Vielzahl der Möglichkeiten die richtigen Kabel für ein einziges Fahrzeug herausgefiltert und richtig zusammengesteckt haben. Und je mehr verschiedene Ausstattungen es gibt, desto vielfältiger werden die dafür nötigen Kabelbäume.
Komplexe Kabelbäume vereinfachen

Zugleich sind diese Bordnetze für viele Automobilhersteller ungeliebte Teile, müssen sie doch kompliziert ins Fahrzeug eingezogen werden. Der Einbau ist für die Belegschaft am Band eine Herausforderung.
Daher will Leoni nun die Reißleine ziehen. Statt kilometerlange Kabelbäume zu konstruieren und verbauen zu lassen, setzt der Zulieferer künftig vermehrt auf kleinere Netze. Ein Hauptcomputer befehligt dabei mehrere Steuergeräte in verschiedenen Fahrzeugregionen, die dann ihre jeweilige Einheit dezentral mit Kabeln und Signalen versorgen. Alles wird kleiner, leichter, überschaubarer. Von einer "zonalen Architektur" spricht Leoni und demonstriert das in seinem am Freitag eröffneten Innovation Industrialization Center (ICC) in der Bordnetz-Zentrale in Kitzingen.
Das Neue: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Entwicklung und den weltweiten Produktionsstandorten kommen in Kitzingen zusammen, um grundsätzlich und lange vor Anlauf der Anlagen über neue Produkte und mögliche Fallstricke zu diskutieren.
Das Know-how von Belegschaft und Kunden bündeln

Doch Leoni will nicht nur das gesammelte Know-how seiner Belegschaft besser vernetzen. Im IIC sollen künftig auch die Kunden, also die Automobilhersteller, mitreden. Anders als bisher sollen sie nicht in einer Einbahnstraße dem Zulieferer vorschreiben, was er wie zu bauen hat; vielmehr sollen beide Seiten über ihre Möglichkeiten und Grenzen miteinander verhandeln und so zu einer Lösung kommen, die für alle gangbar ist.
Damit es nicht beim theoretischen Gedankenaustausch bleibt, hat Leoni im IIC Montagemöglichkeiten geschaffen, die die Theorie in der Praxis überprüfen. So sehen die Beteiligten schnell, ob ihre Lösungen auch wirklich umsetzbar sind. Erst wenn der Praxistest bestanden und das Team der Beteiligten zufrieden ist, kommt aus Kitzingen die Freigabe für die Serienproduktion – weltweit. So entstand auch eine bisher einmalige Versuchsanlage, auf die Leoni das Patent hat und die Kabelbäume niedriger Komplexität automatisiert zusammenbaut. Roboter ersetzen darin die menschlichen Hände. Sie arbeiten schneller, präziser.
Leoni will schneller und profitabler werden

Letztlich verfolgt Leoni mit seinem IIC das Ziel, schneller auf Kundenwünsche reagieren zu können, denn die Innovationszyklen der Autobauer verkürzen sich immer weiter, und selbst schneller und damit profitabler zu werden. Bei der Einweihung des IIC sagte Vorstandsvorsitzender Aldo Kamper, dass die in den vergangenen Jahren finanziell gebeutelte Leoni AG noch nicht zu alter Stärke zurückgefunden habe. Aber man sei auf einem guten Weg, zu dem das Innovationszentrum für Bordnetze in Kitzingen einen entscheidenden Anteil beitragen soll.
Denn nachdem sich Leoni erst kürzlich von seiner Kabelproduktion verabschiedet hat, ist die komplexe Bordnetzsparte nun der Bereich, mit dem das Unternehmen sein Geld verdienen will und muss. Mit dem IIC ist der Standort Kitzingen als Zentrum der Entwicklung stabiler und stärker geworden und damit steigt die Arbeitsplatzsicherheit. Das würdigten bei der Eröffnung auch der bayerische Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, Landrätin Tamara Bischof und Kitzingens Oberbürgermeister Stefan Güntner.