Ein ganzer Berufsstand fühlt sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt, ausgegrenzt. „Der Frust bei den Schweinehaltern ist groß“, weiß der Leiter des Versuchs- und Bildungszentrums Schweinehaltung in Schwarzenau, Thomas Schwarzmann. In diesen Tagen hatte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und das Schwarzenauer Zentrum zu einer virtuellen Schweinefachtagung eingeladen. Thema: Umbau der Tierhaltung. Rund 320 Teilnehmer aus ganz Deutschland zählte Fachberaterin Karoline Schramm. Sie alle haben ähnliche Sorgen.
Preise sind enorm gesunken
Bis vor zwei Jahren waren die Preise für die Schweinemäster stabil, die meisten konnten gut von ihrer Arbeit leben. Seither sind sie um bis zu 70 Cent pro Kilogramm gefallen. Gründe gibt es genug: Die Afrikanische Schweinepest, die den wichtigen Export der Schlachtnebenprodukte wie Füße oder Rüssel nach Asien fast zum Erliegen brachte. Der gesunkene Absatz im Inland, weil große Veranstaltungen wegen Corona abgesagt werden mussten und die Gasthäuser lange nicht den Umsatz der Vor-Corona-Zeit erreichten. „Außerdem geht der Trend ganz allgemein weg vom Schweinefleisch“, sagt Thomas Schwarzmann. Während der Pro-Kopf-Verbrauch an Geflügel in den letzten 20 Jahren um rund vier Kilo gestiegen ist, fiel er im gleichen Zeitraum beim Schweinefleisch um rund sieben Kilogramm. Ein Trend, der sich nach Ansicht der Experten verstetigen wird. Jüngere Verbraucher ernähren sich in der Regel bewusster und die Schweinefleischerzeuger haben ein schlechtes Image in der Öffentlichkeit. „Völlig zu Unrecht“, wie Karoline Schramm betont.
Anforderungen wechseln ständig
Schon in der konventionellen Erzeugung gebe es in Deutschland Vorschriften und Kontrollen, die europa- und weltweit ihresgleichen suchten, erinnert sie. Hinzu kämen die verschiedenen Vermarktungsschienen der großen Handelsketten, die ebenfalls auf ein engmaschiges Prüfsystem setzen: QS, GQB, ITW, VLOG, Bio, Stroh und etliche mehr gibt es. „Jeder Discounter will sich von der Konkurrenz absetzen, schafft sein eigenes Label“, erinnert Schwarzmann. „Leidtragender ist der Landwirt.“ Der muss sich auf ständig wechselnde Anforderungen einstellen – ohne für seine Bemühungen und Investitionen adäquat bezahlt zu werden. Beispiel Abferkelbucht: Hier verlangt die Tierschutznutztiehaltungsverordnung beinahe eine Verdoppelung der Stallfläche. Für die Tiere an und für sich eine gute Regelung. „Aber sie bedeutet für den Landwirt Mehrarbeit und -kosten, für die er nicht entlohnt wird“, so Schwarzmann.
Zwischen 6500 und 10 000 Euro rechnen Fachberater wie Karoline Schramm für einen tierwohlgerechten Neubau oder Umbau eines Stalles – pro Sau. „Bei 100 Sauen kann da eine Million Euro zusammenkommen.“ Eine große Investition, die immer mehr Landwirte scheuen. „Zumal es kaum noch Gebiete gibt, in denen so ein Bau genehmigt wird“, wie Schwarzmann zu bedenken gibt. Die so genannte „Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft)“ regelt nicht nur den Abstand zu Wohnsiedlungen, sondern auch zu schützenswerten Naturflächen wie FFH-Gebieten oder Gewässerrandstreifen. Immer weniger mögliche Standorte bleiben übrig. Schwarzmann berichtet von erst in den letzten Jahren errichteten Ställen, die auf Grund der neuen TA Luft keinerlei Entwicklungsschritte mehr erlauben.
Immer mehr Importe
Die Folge all dieser Neuerungen: Etliche Betriebe geben auf. Die Zahl der unterfränkischen Ferkelerzeuger hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. Die Versorgung der Mäster mit heimischen Ferkeln kann nicht mehr gewährleistet werden, so dass viele Ferkel aus Holland und Dänemark nach Deutschland importiert werden. Rund acht Millionen Schweine wurden von dort im letzten Jahr nach Deutschland exportiert. Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist aber – trotz sinkender Zahlen – weiterhin relativ hoch. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag im Jahr 2020 bei 32,8 Kilogramm und so kommt die Ware zunehmend auch aus dem Ausland. „In Zukunft verlagert sich der Markt weiter in Richtung Osteuropa“, prognostiziert Schwarzmann. In Fachzeitschriften wird von geplanten Neubauten für tausende Tiere in Russland berichtet. „Tierwohl interessiert dort niemanden“, gibt der Leiter der Schwarzenauer Versuchsanstalt zu bedenken.
Es gibt kein Patentrezept
Wie der Ausweg aus diesem Irrweg ausschauen kann? Karoline Schramm und Thomas Schwarzmann zucken die Schultern. Ein Patentrezept gibt es nicht. Für manche Betriebe biete sich die Direktvermarktung an. „Aber sicher nicht für alle“, schränkt Schwarzmann ein. Jeder Betrieb müsse ganz individuell betrachtet und im Hinblick auf seine künftigen Chancen und Ausrichtungen beleuchtet werden. „Und natürlich wäre es schön, wenn die Verbraucher die Anstrengungen unserer Ferkelerzeuger und Schweinemäster auch honorieren würden“, sagt Schwarzmann. Den schlechten Ruf hätten sie keinesfalls verdient.