
Andrea Wirsching hat Geschichte und Literatur studiert, bevor sie doch noch den Weinbau für sich entdeckte. Heute arbeitet sie im elterlichen Weingut Hans Wirsching in Iphofen (Lkr. Kitzingen), einem der bekanntesten und größten Privatweingüter Frankens. Nach gut zwei Jahren wird im Juni ihre Amtszeit als Präsidentin von Vinissima enden. Zuvor aber feiert sie noch Jubiläum mit dem vor 25 Jahren am Kaiserstuhl gegründeten Frauennetzwerk. Die 51-Jährige, Mutter dreier gerade erwachsener Töchter, gibt sich im Interview energiegeladen und selbstbewusst. Vinissima hat sich emanzipiert vom einst belächelten Damenkränzchen. Eines aber hat sich in 25 Jahren nicht geändert: Männer sind noch immer von der Mitgliedschaft ausgeschlossen.
Andrea Wirsching: Natürlich. Uns geht es ja nicht darum, Karrieren zu entwickeln, sondern um den gegenseitigen Austausch. Wir haben heute knapp 500 Mitglieder in zwölf Regionen. Durch diesen Austausch holt jede Frau sich das ab, was sie braucht. Das bringt uns alle weiter. Die Welt braucht kein Vinissima, aber Frauen in der Weinbranche brauchen Vinissima.
Wirsching: Als Vinissima sich gründete, war die Zeit eine andere und die Weinwirtschaft fest in Männerhand. Frauen fand man damals nur vereinzelt in Chefpositionen. Sie hatten in dieser konservativen Branche Buchhaltung zu erledigen, die Kundschaft zu bedienen und so ein bisschen Reben zu schneiden. Der Grundgedanke von Vinissima war und ist, Frauen besser miteinander zu vernetzen und ihnen Fortbildungsmöglichkeiten zu geben. Denn die Realität schaut ja in der Regel so aus: Eine Frau, die einen Winzer heiratet, kommt in eine starke Familie, muss sich gleich ums Geschäft kümmern, hat Kinder und damit keine Zeit für zeitintensive Ausbildungen.
Wirsching: Indem wir alle uns nach Kräften unterstützen, etwa durch gemeinsame Schulungen oder Seminare. Wir sind ein Kreis von Frauen, die professionell mit Wein zu tun haben, aber in unterschiedlichen Berufen zu Hause sind – Händlerinnen, Gastronominnen und natürlich Winzerinnen, die heute die Hälfte der Mitglieder ausmachen. Dieser Austausch hat uns alle weitergebracht. Ich habe an der Saar auch erstmals bei Vinissima ein Seminar zu Bilanz- und Kostenrechnung gemacht. Dafür musste ich aber nicht wochenlang auf Schulungen gehen, für die vielen von uns die Zeit fehlt.
Wirsching: Wir haben ja bei vielen Veranstaltungen Männer dabei. Andererseits: Wenn da innerhalb eines Netzwerks mal acht Frauen beineinander sitzen, fasst man sehr schnell Vertrauen. Ich will nicht sagen, dass Frauen sich anders verhalten, wenn ein Mann mit dabei ist. Das ist ja oft sehr positiv. Aber wenn Frauen unter sich sind, sind sie sehr offen in ihren Gesprächen. Das ist ein Diskutieren unter Freundinnen und nicht unter Rivalen.
Wirsching: Eigentlich nur zwei Dinge: eine Frau sein und einen professionellen Weinbezug haben. Was wir nicht wollen, sind reine Weinkonsumentinnen. Wir sind kein Weinklub, wir nehmen unseren professionellen Anspruch, den wir von unseren Mitgliedern in der Satzung reklamieren, sehr ernst. Klar veranstalten wir auch Weinproben, aber wir wollen ein gewisses Niveau in unserer Weindiskussion.
Wirsching: Keine große. Sie werden bei Vinissima keine Feminismus-Veranstaltungen finden. Heute gibt es ja viele Frauen in Führungspositionen. Aber in einer so konservativen Branche wie der Weinwirtschaft war das vor 25 Jahren mit der Emanzipation natürlich noch nicht so weit.
Wirsching: Oh, der war schon hart. Die obersten Gremien der Weinwirtschaft werden immer noch ganz von Männern beherrscht – das ist ein geschlossener Zirkel. Fairerweise muss man sagen: Frauen müssen natürlich auch dahin wollen.
Wirsching: Vinissima war nicht so, aber man nahm uns so wahr, ja. Die Weinbranche hat natürlich traditionelle und patriarchalische Familienstrukturen. Ich bin 2009 mit Vinissima durch Israel gereist. Wir haben Weingüter besucht, es war herrlich. Aber koscheren Wein zu machen bedeutet, dass die Geräte in den Kellern nur von Rabbinern angefasst werden dürfen. Die Rabbiner, die da standen, hatten etwas Panik, als wir Frauen da auftauchten.
Wirsching: Frauen können besser schmecken als Männer. So gesehen, sind sie hervorragende Kellermeister. Es gibt auch eine weibliche Art, Wein zu verkaufen. Denn in der Kommunikation unterscheiden sich Männer und Frauen. Das erlebt man bei Weinproben. Die professionelle Arbeit im Keller ist aber die gleiche. Früher war es sehr schwierig, die harte körperliche Arbeit zu erledigen. aber jetzt haben wir technische Mittel.
Wirsching: Ich sehe unsere Erfolge in den individuellen Geschichten der Frauen. Das sind keine Erfolge, für die man das Bundesverdienstkreuz bekäme. Und Vinissima ist jetzt auch kein Verband, der die ganze Weinbranche revolutioniert hat. Aber wir haben in kleinen Schritten Enormes geleistet: Jede unserer Frauen hat für sich ganz viel mitgenommen, was sie weitergebracht hat – fachlich und damit auch im Betrieb und in der Familie. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Weinbranche verändert, hängt auch davon ab, was die Frauen einbringen.
Wirsching: International sollten wir noch aktiver auftreten. Was wir verbessern können, ist auch die Vernetzung unserer fast 500 Mitglieder, damit wir noch schneller herausfinden: Wer ist die Ansprechpartnerin bei dieser oder bei jener Frage? Sonst wünsche ich mir, dass sich die Frauen in der Weinbaupolitik stärker einbringen.