zurück
KITZINGEN
Frankens Geflügelerzeuger ziehen Bilanz: Was wird aus Henne und Ei?
Das Futter wird teurer, die Aufzucht der Bruderhähne muss mitfinanziert werden: Die Kosten für Geflügelerzeuger und Eierproduzenten haben sich deutlich erhöht. Doch aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen greift der Verbraucher wieder verstärkt zu günstigeren Eiern.
Foto: Claus Schmiedel | Das Futter wird teurer, die Aufzucht der Bruderhähne muss mitfinanziert werden: Die Kosten für Geflügelerzeuger und Eierproduzenten haben sich deutlich erhöht.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 25.09.2022 02:30 Uhr

„Quo vadis Ei?“ Mit dieser Frage war nicht nur ein Festbeitrag beim 50-jährigen Jubiläum der Geflügelerzeugergemeinschaft Franken überschrieben, diese Frage stellen sich die Mitglieder derzeit häufig. Die Situation ist nicht einfach: Die Preise für Futter sind hoch, auch männliche Küken müssen inzwischen aufgezogen werden, Verpackungen waren lange nur schwer zu bekommen. Zugleich schaut der Verbraucher mehr aufs Geld und greift immer öfter zu Billig-Eiern. Die viel beschworene regionale Lebensmittelerzeugung gerät angesichts steigender Preise schnell in Vergessenheit.

„Grünes Zentrum“ wird die Anlage neben der B8 in Kitzingen offiziell genannt. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sitzt dort, der Bauernverband, das staatliche Versuchs- und Bildungszentrum für Geflügelzucht. Was viele nicht wissen: Dort befindet sich auch der Sitz der Geflügelerzeugergemeinschaft Franken. Vor 50 Jahren wurde sie aus der Taufe gehoben, und konnte daher jetzt Jubiläum feiern.

Die Geflügelerzeugergemeinschaft Franken ist die Nachfolgeorganisation des in den 20er Jahren gegründeten Geflügelherdbuches. Damals versuchte man schon durch gezielte Zucht und deren zentrale Dokumentation die Leistung des Rassegeflügels zu verbessern. Wichtig war den Verantwortlichen vor allem die günstige Versorgung der Bevölkerung mit tierischem Eiweiß – sprich Eiern und Geflügelfleisch. Mancher kennt das Herdbuch aus der Großtierhaltung. Darin ist beispielsweise vermerkt, wer die Elterntiere sind. Es ist eine Art Abstammungsregister, das man braucht, um die Zucht zu kontrollieren. Die Herdbuchzucht für Geflügel ist allerdings nach dem Krieg abgeschafft worden und liegt heute nicht mehr in bäuerlicher Hand. Vor 50 Jahren wurde dann die Geflügelerzeugergemeinschaft Franken als Nachfolgeorganisation für die Region gegründet. Vorstände sind derzeit Dieter Then aus Bastheim und Hans-Peter Kolb aus Kasendorf.

Zweck des Vereins ist laut Satzung, „die tierische Veredelung auf dem Sektor Eier und Geflügelfleisch den Erfordernissen des Marktes anzupassen“ – und zwar durch „marktgerechte Erzeugung, Konzentration des Angebotes und gemeinsame Andienung“. Etwa 150 Mitglieder gehören der Gemeinschaft derzeit an, allesamt kleine und mittlere Eiererzeuger, die sich alleine auf dem Markt schwer tun.

„Nehmen Sie nur mal das Beispiel der Eierschachteln“, erklärt Claus Schmiedel, Fachberater für Geflügelhaltung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg, der von Berufs wegen in engem Kontakt zu den Erzeugern steht. Es gebe nur wenige Hersteller für Schachteln, und die verkaufen Lkw-weise. „Aber wer einen kleinen Mobilstall betreibt, der braucht keinen ganzen Lastzug an Verpackungen.“ Daher läuft die Bestellung über die Erzeugergemeinschaft, die für alle Mitglieder bestellt – zum Beispiel mit dem Aufdruck „Frankenei“ oder bei größeren Mengen auch für den Betrieb individualisiert.

Wer Eier verkauft, der darf eine Schachtel nur ein einziges Mal benutzen. Legt dagegen der Kunde die Eier selbst in die Schachtel, darf diese unter Umständen auch „gebraucht“ sein. Weil das nicht die Regel ist, sondern die Erzeuger die Schachteln füllen, ist der Bedarf natürlich groß.

„Die Verpackung ist ein Kostenfaktor“, sagt Schmiedel. „Pro Schachtel fallen 15 bis 20 Cent an.“ Während der Coronazeit war es für die kleinen Erzeuger aber schwierig, überhaupt an Schachteln zu kommen. Papier und Kartonagen waren knapp. Dazu kam: In Kantinen und Restaurants wurden nicht so viele Eier gebraucht wie üblich. Wer sonst in 30er Horden – den höckerförmigen, stapelbaren Behältnissen – bestellt hat, wollte plötzlich Zehnerschachteln. Die Nachfrage nach diesen kleineren Verpackungen war groß, die großen Erzeuger kamen als erste dran, die kleinen blieben auf der Strecke. „Das war ein Problem: Die Nachfrage nach Eiern war da, die Schachteln aber nicht.“

Inzwischen habe sich das Schachtel-Problem wieder eingespielt, so Schmiedel. Unproblematisch ist die Zeit für Eiererzeuger aber trotzdem nicht. Da ist zum einen die Jahreszeit: Von Mai bis September sei grundsätzlich eine schlechte Eierverkaufssaison. Weil die Nachfrage geringer ist, stallen viele Großbetriebe aus, leeren also ihre Ställe, und setzen teilweise keine neuen Tiere mehr ein. Doch sind weniger Eier am Markt, steigen die Preise. Auch die gestiegenen Kosten für Futter machen sich bemerkbar: „Allein die machen das Ei um etwa drei Cent teurer.“ Und dann ist da noch der Bruderhahn. „Der macht auch zwei bis drei Cent aus.“

„Die Brütereien sterben uns weg. Dann kommen die Jungtiere aus Ländern, wo männliche Küken getötet werden dürfen.“
Claus Schmiedel, Fachberater Geflügelzucht

Die Bezeichnung Bruderhahn steht für die männlichen Küken, die laut Gesetz seit dem 1. Januar nicht mehr direkt nach dem Schlupf getötet werden dürfen. Aus tierschutzrechtlicher Sicht ist das völlig richtig. Aus Sicht der Hühnerhalter nicht unbedingt. „Es gab ja eine Nutzung: Früher wurden diese Eintagsküken im Zoo an andere Tiere verfüttert“, so Schmiedel. Jetzt müssen sie aufgezogen werden.

Legehennenhalter und Junghennenaufzüchter machen das in der Regel nicht selbst, müssen aber trotzdem für die Aufzucht der Bruderhähne mit aufkommen. Die Kosten sind vergleichsweise hoch: „Für ein Masthähnchen braucht man zwei Kilo Futter, um ein Kilo Hähnchenfleisch zu erhalten. Für die Brüderhähne braucht man sechs Kilo Futter für ein Kilo Fleisch“, erklärt Claus Schmiedel. Das sei züchterisch bedingt, denn es handle sich um Legehühner und nicht um Masthühner. Es dauere lange, bis die Bruderhähne groß sind – „und dann will sie keiner“. Zumal die Fleischqualität eine andere und die Verwertung damit aufwändig und schwierig sei. Die Folge: In Deutschland werden die Bruderhähne laut Schmiedel eher selten aufgezogen. „Das wird dann in Osteuropa gemacht und das Fleisch landet versteckt in Maultaschen und ähnlichen Gerichten. Oder es wird nach Afrika geschickt und macht dort den Markt kaputt.“

Langfristig sieht Schmiedel die Entwicklung sehr kritisch. „Die Brütereien sterben uns weg. Bald werden wir keine mehr haben“, befürchtet er. „Dann kommen die Jungtiere aus Polen oder anderen Ländern, wo die männlichen Tiere wie bisher bei uns getötet werden dürfen.“ Letztendlich ändere sich also bis auf eine Verschiebung des Zuchtortes nichts. Österreich habe da eine bessere Lösung gefunden als Deutschland, findet der Geflügelfachmann: Dort sei die Tötung erlaubt, wenn eine Nutzung nachgewiesen werden könne – zum Beispiel eben als Futter im Zoo.

Für den Legehennenhalter wirkt sich die „Bruderhahn“-Vorschrift preislich aus: Mussten bisher sechs Euro für eine Legehenne bezahlt werden, seien es jetzt acht bis zehn Euro, erklärt Schmiedel. „Aber der Eiererzeuger hat nichts davon.“ Und der Verbraucher zahlt den Preis auch nicht gern, zumal er jetzt, bei der allgemeinen Preissteigerung noch mehr aufs Geld schaut. „Wer sonst Bioeier gekauft hat, kauft jetzt Freiland, wer Freiland gekauft hat, kauft Bodenhaltung und wer Bodenhaltung gekauft hat, greift jetzt zu den Eiern ganz unten im Regal“, beobachtet Schmiedel.

Über die Auswirkungen des Verbots des Tötens männlicher Eintagsküken und dessen Folgen auf die Preisgestaltung am Eiermarkt hat bei der Jubiläumsfeier der Geflügelerzeugergemeinschaft Prof. Dr. Rudolf Preisinger informiert. Solche Vorträge, aber auch andere Informationen, Schulungen und Fortbildungen sind wichtiger Bestandteil der Arbeit der Gemeinschaft. „Die Aus- und Fortbildung der Mitglieder steht ganz oben auf der Prioritätenliste“, betont Claus Schmiedel.

Das Netzwerk sei wichtig für die Erzeuger – und so waren bei der Feier in Wiesenbronn auch die Geschäftsführung des bayerischen Landesverbandes der Geflügelwirtschaft und der Leiter der bayerischen Staatsgüter vertreten.

Seit 50 Jahren gibt es die Geflügelerzeugergemeinschaft Franken, die ihren Sitz in Kitzingen hat. Die Mitglieder haben das Jubiläum in Wiesenbronn gefeiert, Fachleute, aber auch Oberbürgermeister Stefan Güntner und die stellvertretende Landrätin Susanne Knof gratulierten.
Foto: Claus Schmiedel | Seit 50 Jahren gibt es die Geflügelerzeugergemeinschaft Franken, die ihren Sitz in Kitzingen hat. Die Mitglieder haben das Jubiläum in Wiesenbronn gefeiert, Fachleute, aber auch Oberbürgermeister Stefan Güntner und ...
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Daniela Röllinger
Bauernverbände
Claus Schmiedel
Franken
Geflügelhaltung
Jubiläen
Markt Höchberg
Tötung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top