Für den Laien schauen die Weinberge rings um Sulzfeld wunderschön aus. Grünes Laub, wohin das Auge blickt. Die Experten wenden sich jedoch mit Schrecken ab. Der Ausfall der Ernte beträgt rund 90 Prozent. „In diesem Jahr wird man bei uns keinen Traubenvollernter zu Gesicht bekommen“, bedauert der Vorsitzende des örtlichen Weinbauvereins, Martin Wittel.
Der 12. Mai wird den Sulzfeldern wohl lange im Gedächtnis bleiben. Die Temperaturen gingen in den Keller. Bis zu minus zwei Grad wurden teilweise gemessen. Zu viel für die Trauben. Nur am Fuß der Hänge, wo sich der Nebel im Maintal schützend über die Rebzeilen legte, gibt es ein paar vereinzelte Lichtblicke. Dennoch will Wittel nicht von einer Weinlese sprechen. „Wenn überhaupt, dann wird es wohl eher eine Traubensuche.“
Die Hoffnung auf die so genannte „Zweite Generation“ – Geiztriebe, aus denen sich neue Trauben entwickeln und eventuell im Oktober gelesen werden können – hat sich auch nicht erfüllt. Die letzten Wochen waren zu trocken, es fehlten die Niederschläge, damit sich diese Trauben ordentlich hätten ausbilden können. „Die Situation ist leider so trostlos wie im Mai“, bedauert Arno Augustin, dessen Weinberge komplett auf Sulzfelder Gemarkung liegen. Schon 2011 waren er und seine Kollegen von einem schweren Frost betroffen. Damals konnten wenigsten 30 Prozent einer normalen Ernte eingefahren werden. „Und die Schäden waren nicht so flächendeckend wie in diesem Jahr“, berichtet Augustin, der den Totalausfall überraschend sportlich nimmt.
„Es trifft jeden Mal“, sagt er. Die Sulzfelder Weinberge liegen größtenteils in einer Süd-Ost-Lage, die sei besonders anfällig für Frostereignisse. Die Kaltluft kommt vom Steigerwald und sammelt sich in der Tiefebene an. Die Sonne scheint sehr früh auf die Hänge, die kalten Trauben tauen schnell auf, die Schäden potenzieren sich so noch einmal. „Dafür haben wir hier kaum mit feuchten Jahren und Peronospera zu kämpfen“, sagt Augustin. Oder mit Stürmen, die eine Ernte ebenfalls gefährden können. „Die Natur ist eben ein sehr unzuverlässiger Partner.“
Augustin ist vielleicht auch deshalb so gelassen, weil er sich an einem alten Gesetz orientiert: „Ein Jahrgang im Weinberg, einer im Verkauf und einer auf der Bank.“ In den Kellern seines Weingutes lagert deshalb auch noch jede Menge 2019er-Jahrgang. Im Weingut Zehnthof ist der 19er-Jahrgang schon zu 90 Prozent verkauft. Philipp Luckert blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Ein ausgefallener Jahrgang sei zu verkraften, vor allem, wenn man in den guten Jahren auch gut gewirtschaftet habe. Die kommenden Ernten sollten allerdings wieder ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Auf lange Sicht sind die Sulzfelder Winzer auf Lösungen angewiesen. An diesem Wochenende weilte eine Delegation in der Pfalz, um sich den Betrieb einer Windmaschine in einem Weinberg anzuschauen. Durch den Wirbel werden kalte und warme Luftmassen ausgetauscht. „Grundsätzlich sinnvoll“, sagt Martin Wittel, den noch eine ganz andere Sorge umtreibt: die letzten Jahre war es auch in Sulzfeld viel zu trocken. „Eine Bewässerung ist in Planung“, kündigt er an. Nachdem der Main als Wasserentnahmestelle tabu ist, bleibt den Sulzfeldern aber nur, Oberflächenwasser zu sammeln und entsprechend aufzubereiten. Eine teure Angelegenheit. Da kam die Nachricht aus München in der letzten Woche genau zur rechten Zeit.
Bundeslandwirtschaftsministerin Michaela Kaniber bestätigte auf Anfrage dieser Zeitung, dass dass auf Grund der wiederholt massiven Klimaereignisse die Obstbauern und Winzer finanziell beim Abschluss einer Versicherung gegen Frost und Hagel unterstützt werden sollen. Die Förderung erfolgt mit bayerischen Landesmitteln nach dem Modell Baden-Württembergs. Dort werden 50 Prozent der Kosten für eine Versicherung gefördert. Das Programm ist für 2021 geplant. Im Haushalt 2021/22 sind bereits 1,5 Millionen Euro angemeldet. Die Höhe der Versicherungssumme bemisst sich je nach Lage, Selbstbeteiligung, Versicherungsumfang und anderen Faktoren. Selbst eine Basis-Versicherung gegen Frost sei nach den Worten von Martin Wittel teuer. Gerade kleinere Betriebe haben deshalb bislang auf diesen Schritt verzichtet. Das Weingut Zehnthof hat die Versicherung vor vier Jahren abgeschlossen. Die Schäden sind kürzlich von Experten geschätzt worden. Ergebnis: Hundert Prozent Schaden auf 90 Prozent der Fläche. „Eine absolute verheerende Situation“, sagt Philipp Luckert. Da kann eine finanzielle Unterstützung aus München nur helfen.