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IPHOFEN
Flut von Auflagen: Winzer Ruck nimmt kein Blatt vor den Mund
Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel sei in vielen Fällen gerechtfertigt, meint Hans Ruck aus Iphofen. Gegen den falschen und den echten Mehltau müssten die Winzer beispielsweise vorgehen. Das Motto dabei müsse immer lauten: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Foto: Ralf Dieter | Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel sei in vielen Fällen gerechtfertigt, meint Hans Ruck aus Iphofen. Gegen den falschen und den echten Mehltau müssten die Winzer beispielsweise vorgehen.
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:34 Uhr

Er hat die Artikel über die Landwirte gelesen, die sich gegen die neuesten Entwicklungen in der Gesetzgebung und der Gesellschaft wehren. Er ist auf seinem Unimog mitgefahren nach Würzburg, um seinen Protest öffentlich zu machen. Und er hat diese Redaktion kontaktiert, weil er findet, dass es allerhöchste Zeit ist, die Verbraucher aufzuklären: Auch Winzer leiden unter den ständig wachsenden Auflagen – und dem Zeitgeist.

„Die Furcht vor Glyphosat ist unbegründet.“ Johann Ruck, den alle nur Hans nennen, weiß um die Brisanz dieser Aussage. Dennoch bleibt er dabei. Aus eigener Erfahrung. Ruck erinnert sich noch an die 70er-Jahre, als das Unkrautvernichtungsmittel den Winzern das erste Mal präsentiert wurde. Der damalige Vertreter von Monsanto – ein Bruder von Box-Europameister Rene Weller – habe ein Stamperl Glyphosat vor den Augen der staunenden Winzerkollegen getrunken. „Das hat er sicher nicht nur einmal gemacht“, sagt Ruck. „Meines Wissens nach lebt er immer noch.“

Überhaupt: Hans Ruck kennt viele Kollegen, die über Jahrzehnte hinweg regelmäßig mit Glyphosat in Verbindung gekommen sind. Von einer erhöhten Krebserkrankung in seinem Berufsstand ist ihm nichts bekannt. Tatsächlich stiegen jedoch die Kosten im Gesundheitssystem, wenn es um Glyphosat geht. Landwirte und deren Angehörige würden gemobbt und gesellschaftlich ausgegrenzt. „Einige müssen psychologisch therapiert werden.“ Der sachgemäße Umgang sei beim Glyphosat entscheidend – für Mensch und Natur – wie beim Einsatz aller chemischer Hilfsmittel. „Es wird ja nur ein kleiner Streifen von etwa 30 Zentimeter unter den Stöcken behandelt“, erklärt Ruck. Die Reben kämen mit dem Herbizid gar nicht in Kontakt. „Sonst gingen sie ja ein.“ Ganz früher habe man für diese Arbeit Tagelöhner beschäftigt, den Streifen mehrmals im Jahr mit der Hacke bearbeitet haben. „Leider gibt es die heutzutage nicht mehr.“

Über Jahrzehnte haben die Winzer in Iphofen das Unkrautvernichtungsmittel ausgebracht. „So wie überall in Franken. Das war Standard.“ Einmal im Frühjahr das Unkraut mit Glyphosat bekämpft. Für Hans Ruck ist das nach wie vor kein Problem. Sein Sohn, der den Betrieb vor zehn Jahren übernommen hat, stellt trotzdem um. „Das ist auch richtig so“, urteilt der Senior. Den Kunden könne man einen Glyphosat-Einsatz im Weinberg nicht mehr vermitteln. „Die Verbraucher sind in den letzten Jahren manipuliert worden“, urteilt Hans Ruck. Alle würden nur noch auf den „grünen Mainstream“ hören. Welche Konsequenzen das für die Winzer hat, sei den meisten unbekannt.

Seit diesem Jahr verzichtet das Weingut Ruck gänzlich auf den Einsatz von Glyphosat. Ob die Arbeit deshalb umweltverträglicher ist, bezweifelt Hans Ruck. Das Unkraut im Frühjahr muss irgendwie bekämpft werden, also fahren die Mitarbeiter mit der Rollhacke beziehungsweise dem Stockräumer durch die Zeilen. Dabei werden immer wieder ein paar Stöcke beschädigt. Nicht das einzige Problem. „Wir haben deshalb bis zu drei Durchfahrten mehr im Jahr zu erledigen“, erklärt Ruck. Was das für die Ökobilanz bedeutet, hat er ausgerechnet: 44 Liter mehr Diesel – pro Hektar. Das Iphöfer Weingut bewirtschaftet 12,5 Hektar. Die Anbaufläche in Franken beträgt rund 6000 Hektar. Außerdem haben die Winzer, die Steilhänge bewirtschaften, mehr Probleme mit der Erosion, wenn sie die Zeilen mit der Rollhacke bearbeiten.

Mehr Sachverstand wünscht sich Hans Ruck von der Politik. Und von den Verbrauchern mehr Verständnis. „Wir stehen unter ständigem Tatverdacht, werden von vorn herein kriminalisiert.“ Immer wieder gibt es neue Auflagen, immer mehr muss dokumentiert werden. „Mein Vater hat diese Arbeit an den Samstagnachmittagen erledigt“, erinnert sich Hans Ruck. Sein Sohn sitze jeden Tag am Schreibtisch, um administrative Aufgaben zu erfüllen – und sich Gedanken zu machen, was die neuesten Vorgaben für die Praxis im Weinberg bedeuten. Als Zumutung bezeichnet Hans Ruck die neuesten Pläne bezüglich der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die sich über die Jahre bewährt hätten. Wer Pflanzenschutz betreibt – „und ohne den geht es nicht, um zum Beispiel den Mehltau im Weinberg zu bekämpfen“, so Ruck – darf künftig während der Reifezeit der Trauben nur noch mit langer Arbeitskleidung, festen Schuhen und Schutzhandschuhen die Weinberge betreten. „Und das mitten im Sommer“, sagt der Iphöfer und schüttelt den Kopf. „Was geben wir da wohl für ein Bild ab?“ Seine langjährigen Mitarbeiter hätten schon angekündigt, bei der Umsetzung dieser Vorschrift zu kündigen. Was ihn genauso ratlos macht: Sobald die Trauben geerntet sind und im Eimer liegen, greifen die Auflagen nicht mehr. „Dann ist anscheinend plötzlich alles wieder o.k. und man darf die Trauben sogar essen. Das ist doch schizophren.“

Seit dem Jahr 1839 betreibt die Familie Ruck Weinbau in Iphofen. „Keine Generation hat der nächsten einen ökologischen Scherbenhaufen hinterlassen“, betont der 69-Jährige. „Und das soll auch so bleiben.“ Das sei auch in Zeiten von Glyphosat nachweisbar. Alle drei Jahre werden Bodenproben genommen. „Die zeigen uns, dass der Boden intakt und gut mit Nährstoffen versorgt ist.“ Nur nach Empfehlung setzen die Rucks partiell Spurenelemente ein.

Den Boden zwischen den Zeilen begrünen die Rucks seit vielen Jahren. Gras und Kräuter wachsen dort, viele Pflanzenarten kommen auch natürlich vor. Verschiedene Kleearten, Senf, Malve und Ölrettich werden zur Bodenverbesserung ausgesät. Mit den Trauben werden allerdings auch Nährstoffe aus dem Weinberg gefahren. „Nährstoffe, die wir wieder dem System Weinberg zuführen müssen“, erklärt Ruck. Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten, werden verschiedene Dünger eingesetzt. In der Kompostieranlage im Klosterforst holen sie sich Grünschnittkompost und bringen ihn in den Parzellen aus. Bei Bedarf wird mineralischer Dünger ausgebracht. „Selbstverständlich nach vorher erfolgter Bodenuntersuchung durch ein Labor“, so Ruck.

Ganz ohne chemischen Pflanzenschutz gehe es aber nicht. Das Motto laute: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Gegen den echten und den falschen Mehltau müsse der Winzer nun mal etwas tun. „Sonst ist die gesamte Ernte und irgendwann auch die Existenz des Betriebes in Gefahr.“

 
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  • Arcus
    Vielleicht über legt der gute Mann mal, ob es überhaupt Sinn macht eine todbringende Droge (Alkohol) auch noch mit viel umweltschädlicher Chemie, auf diese Art und Weise zu erzeugen.
    Dabei gibt es für die, die sich berauschen wollen eine umweltfreundliche Alternative. Cannabis. Die Pflanze ist deutlich resistenter gegen Schädlinge, muss also nicht mit viel Gift hochgepäppelt werden. Neben den berauschenden Blüten, kann alles gut verwertet werden. Die Fasern sind sowohl in der Papierindustrie als auch der Textilindustrie die bessere Alternative. Übrigens: an der todbringenden Droge Alk sterben jedes Jahr 74000 Menschen in D. An Cannabis keiner.
    Deshalb sollte sich Winzer Ruck einen Ruck geben und seine Drogenproduktion auf eigene umweltfreundlichere und gesündere Variante umstellen.
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