Dass Mütter an den Rand eines Nervenzusammenbruchs geraten, ist der „Worst Case“. Doch so weit soll es erst gar nicht kommen. Durch „Frühe Hilfen“ versucht der Caritasverband für die Diözese Würzburg seit mehr als einem Jahr, werdende oder junge Eltern sowie Alleinerziehende mit Kindern bis zu drei Jahren zu erreichen, bevor es zu Überforderungssituationen kommt. Mehrere Caritaskreisverbände im Bistum beteiligen sich an dem von der Glücksspirale noch bis 2013 finanzierten Projekt.
Die Angst vor sozialem Abstieg begleitet neben der Furcht, mit Erziehung und Betreuung eines Kindes nicht zurechtzukommen, die Entscheidung für oder gegen ein Baby. „Mobile Arbeitswelt, befristete Arbeitsverträge und wenige Möglichkeiten der Teilzeitausbildung erschweren heute die Existenzsicherung“, erklärt Anna Elisabeth Thieser vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Zudem fielen familiäre Unterstützungssysteme aufgrund der Mobilität und kleinerer Familienverbände oft weg. Das Caritas-Projekt „Frühe Hilfen“, in das der SkF integriert ist, beginnt darum schon vor der Geburt mit der Beratung von Eltern, die aufgrund ihrer finanziellen und sozialen Situation sorgenvoll in die Zukunft blicken.
Als Projektkoordinatorin ist es Barbara Lamprecht wichtig, möglichst viele von Überlastung bedrohte Familien in der Diözese zu erreichen. In welchen Maßnahmen dies konkret geschehen kann, entscheiden die einzelnen Projektpartner vor Ort. Am Untermain zum Beispiel wurde das Projekt „Familienlotsen“ ins Leben gerufen. In möglichst vielen Caritas-Kindergärten in Aschaffenburg und Miltenberg soll es in Zukunft eine „Lotsin“ geben, die über das lokale Hilfenetz gut Bescheid weiß und Familien mit Unterstützungsbedarf in dieses Netz vermitteln kann. „Elf Familienlotsen sind im Einsatz, weitere werden ausgebildet“, informiert Silvia Elbert von der Miltenberger Caritas.
Die Not von Familien kommt in zahlreichen Einrichtungen der Diözese zum Ausdruck, erklärt Roland Giegerich, Leiter des Fachbereichs Jugend und Familie beim diözesanen Caritasverband. Wie schnell sind Mütter zum Beispiel mit den Nerven am Ende, weil ihr Kind dauernd schreit. Die „Schreikinderberatung“ des SkF bietet hier Hilfe an. Das Angebot wird stark nachgefragt. Lang sind auch die Wartelisten in den Erziehungsberatungsstellen der Diözese. Um den wachsenden Hilfebedarf von Familien über die professionelle Begleitung hinaus zu decken, setzt der Caritasverband in den Haßbergen als Partner im Projekt „Frühe Hilfen“ auf „Familienpaten“.
Ehrenamtlich tätige Familienpaten dürfen natürlich nicht besserwisserisch in ein Familiensystem hineinplatzen. Sie haben fest definierte Aufgaben - die sie möglichst gut wahrnehmen, jedoch nicht auf eigene Faust ausweiten sollen. Lamprecht: „Eine Mutter, deren neugeborenes Kind ein Schreibaby ist, braucht vielleicht für eine Stunde pro Woche jemanden, der auf das Geschwisterkind aufpasst.“ Der Familienpate soll sich dann auch einzig auf diese Aufgabe konzentrieren. Familien mit wenig Geld, die in eine andere Wohnung ziehen müssen, benötigen unentgeltliche Hilfe beim Umzug. Auch hier können Ehrenamtliche gut eingesetzt werden. Sechs wurden bisher fortgebildet.
Gerade Alleinerziehende ohne Dialogpartner fühlen sich durch eine ehrenamtliche Familienpatin, die einmal pro Woche zu ihnen kommt, immens entlastet. Solche kleinen Hilfen können laut Giegerich nachgewiesenermaßen spätere Kosten für professionelle Familienunterstützung oder Heimerziehung vermeiden. Das weiß auch die Politik. Doch mit der Finanzierung Früher Hilfen vor Ort sieht es leider mau aus. Das frühe Hilfenetz, das die Caritas über Unterfranken ausgeworfen hat, gäbe es nicht, würde die Glücksspirale nicht Barbara Lamprechts Halbtagsstelle finanzieren. Wie es nach Auslaufen des Projekts 2013 weitergeht, steht derzeit noch in den Sternen.