Vertreter der Tourismus-Branche sprechen gerne vom Weinlandkreis Kitzingen. Man könnte aber auch von einem Fähren-Landkreis reden: Gleich vier Fähr-Verbindungen gibt es im Landkreis. Dies beschert Kitzingen eine Spitzenstellung in Unterfranken.
Unvergessen ist diese Geschichte: Weil Mainstockheims Bürgermeister Karl-Dieter Fuchs im Jahr 2008 die erste standesamtliche Trauung auf einer Fähre ermöglichte, nahm er eine Revoluzzer-Rolle ein und provozierte damit eine Sondersitzung des Landtags. Damals wollte Karl-Heinz Rügamer dem Wunsch seiner aus Mölln bei Lübeck stammenden Frau Karin, auf dem Wasser zu heiraten, nachkommen. Fuchs erhob die Fähre einfach zum Trauungsort, obwohl das nach der Schreibweise des Innenministeriums nicht möglich war. Der Bürgermeister ließ sich von seiner Linie nicht abbringen und brachte die ministeriellen Beamten ins Schwitzen, ehe dann doch von höchster Stelle die Erlaubnis kam.
Weitere Schlagzeilen lieferte die Fähre "Christina", deren Namensgeberinnen im Jahr 1959 die Ehefrauen der Bürgermeister Kaspar Uhl (Albertshofen) und Andreas Lößlein (Mainstockheim) waren. Die Fähre soff im Februar 1994 ab. Das inzwischen verstorbene Original Theo Heilmann aus Albertshofen war damals mit einem schwer beladenen Fuhrwerk auf die "Christina" gefahren und hatte das vorgegebene Höchstgewicht von zehn Tonnen weit überschritten. Da der Fährmann die drohende Gefahr nicht rechtzeitig erkannte, nahm das Unheil seinen Lauf. Die Fähre bekam rücklings Schlagseite und versank im Main und die "Christina" nahm in den Medien unfreiwillig eine Hauptrolle ein. "Zum Glück war nichts weiter passiert und die Versicherung hat den Schaden beglichen", meint Fuchs zu diesem unerfreulichen Ereignis.
Was nur wenige wissen, ist die Tatsache, dass Fährverbindungen als öffentliche Straßen gewidmet sind, und die Verbindung Albertshofen-Mainstockheim sogar als Staatsstraße. Der Albertshöfer Fährmann Wolfgang Riedel arbeitet mit seinen Kollegen eine Woche am Stück, um dann eine Woche frei zu haben. Derweil sieht das Arbeitszeitmodell für Thomas-Wolfgang Brandstetter und seinen Kollegen auf der "Herta", die zwischen Dettelbach und dem Stadtteil Mainsondheim verkehrt, anders aus. Sie arbeiten im Rhythmus zwei Tage Dienst und dann zwei Tage frei.
Die Main-Fähren sind ganzjährig unterwegs, nur in den Wintermonaten ist der Fährverkehr etwas eingeschränkt. Außer einer Revision gibt es nur einen Grund, der den Fährverkehr zum Erliegen bringt: Hochwasser. Solange die amtlichen Wasserstände zu hoch sind, geht nichts und die Fährleute können ausspannen und Urlaub machen oder Überstunden abbauen.
Was die Fährleute eint, ist das Privileg, irgendwann Prominente auf die andere Meinseite bringen zu dürfen. So durfte Willi Streit kürzlich Ministerpräsident Markus Söder über den Main chauffieren, sein Kollege in Fahr, Hauptfährmann Philipp Jäger, hatte einst Bundeswirtschaftsminister Michael Glos als Fahrgast und Andreas Helbig setzte vor Jahren Profi-Fußballtrainer Bernd Hollerbach mit dessen Harley-Davidson von Nordheim nach Escherndorf über.
Die Fähren sind zwar ähnlicher Bauart, unterscheiden sich technisch aber schon. Als einzige der Landkreis-Fähren hängt die Fähre von Nordheim nach Escherndorf an einem Hochseil, was nur auf dem Altmain möglich ist. Während die Mainstockheimer Fährleute noch an zwei Steuerrädern händisch steuern müssen, haben es die Mainsondheimer Kollegen mit der Steuerung per Joy-Stick merklich einfacher.
Die vier Fähren bringen ihre Fahrgäste zu leicht unterschiedlichen Zeiten über den Main, der zeitliche Korridor erstreckt sich von 6 bis 20 Uhr, und zu besonderen Anlässen, wie einem Weinfest, arbeiten Wolfgang Riedel & Co. auch mal ein paar Stunden länger. Was alle Fähren eint, ist deren weit zurückreichende Historie, teilweise bis ins 12. Jahrhundert. Die Albertshöfer Fähre war vor Jahrzehnten privat betrieben worden. Heute sind alle in kommunaler Hand, denn Fähren sind beim besten Willen nicht mit Gewinn zu bewirtschaften. Die hiesigen Kommunen bekommen zwar staatliche Zuschüsse, die aber nur die Hälfte der Defizite abdecken. Den Rest müssen sich die Kommunen teilen.
"Für die Jahre 2014 bis 2018 verzeichneten wir ein durchschnittliches Defizit von 122 000 Euro pro Jahr", schildert Dettelbachs Bürgermeister Matthias Bielek die Lage. Die Defizite sind nicht verwunderlich angesichts der Dettelbacher Preise von 80 Cent für Radfahrer oder 1,70 Euro für Autos oder Motorräder. Dennoch gibt es in Dettelbach Überlegungen, die Fährzeiten sogar auszuweiten, da es ein wichtiger Service für Bürger und Touristen ist und die Fähren zum Kulturerbe zählen.
Die beiden Fähren mit dem höchsten Fahrgast- und Fahrzeug-Aufkommen im Landkreis sind die Dettelbacher "Herta" und die Nordheimer Fähre mit über 25 000 Autos und Motorräder pro Jahr; in Dettelbach zählt man zudem über 17 000 Fußgänger und Radler als Nutzer der Fährverbindung.
Da beschleichen die kommunalen Verantwortlichen schon größere Sorgen, wenn ab dem Jahr 2023 eine Gesetzesänderung droht, die eine enorme Investition in einen neuen Schiffskörper erforderlich machen könnte. Aktuell haben die Fährleute in Nordheim und Escherndorf aber andere Sorgen infolge der Corona-Pandemie.
Auf dem Altmain müssen die Fährleute nicht auf Schiffe aufpassen wie ihre Kollegen auf dem Rhein-Main-Donau-Kanal, sondern auf viele kleinere Objekte. "Durch das große Aufkommen von Touristen kommt es schnell zu gefährlichen Situationen mit leicht zu übersehenden Leuten auf Luftmatratzen", sagt Fährmann Andreas Helbig. Das führe zu Mehrfachstress für die Fährleute, die seit Mai auf Anweisung von Bürgermeisterin Sibylle Säger zu zweit im Dienst sind, damit einer konzentriert steuern kann, während der Kollege auf Schwimmer und Paddler aufpasst.
Der Betrieb der Main-Fähren im Landkreis Kitzingen
sonn- und Feiertags kein Fährverkehr.