
Ein Waschbär im Büro? Wenn es dem kleinen Kerl schlecht geht, "dann muss ich ihn zur Not halt mit zur Arbeit nehmen", sagt Simone Dietrich. Ihr Schreibtisch steht in der Chefetage des Modeunternehmens Drykorn. Wer dort eine Frau mit hochhackigen Schuhen und feiner Föhnfrisur erwartet, sucht vergebens. Die persönliche Assistentin des Geschäftsführers trägt lieber einen kranken Waschbären auf dem Arm herum, als ein feines Stöffchen auf dem Leib.

Simone Dietrich arbeitet schon seit 23 Jahren in der Kitzinger Firmenzentrale. Auch zuvor war sie bereits in der Mode-Branche: in einem Merchandising für Jeans. "Ich wusste manchmal gar nicht, in welcher Stadt wir gerade waren", sagt Simone Dietrich rückblickend. Irgendwann wurde ihr das Herumreisen zu viel – und der alte Traum vom Landleben mit Tieren immer mächtiger. Vor zehn Jahren ist aus diesem Traum im Steigerwald Wirklichkeit geworden.
Ein tierisches Begrüßungskomitee geleitet Besucher in den von Blumen gesäumten Innenhof
"SiHo-Ranch" steht auf dem Holzschild, das ein schönes altes Anwesen am Ortsrand des kleinen Dorfes Prühl bei Oberscheinfeld ziert. SiHo ist die Kurzform für das Ehepaar Simone und Horst. Sobald ein Besucher am Tor klingelt, bellt, schnurrt, maunzt und grunzt es laut. Ein tierisches Begrüßungskomitee geleitet Besucher in den von Blumen gesäumten Innenhof, um den sich das steinerne Wohnhaus, Ställe und Nebengebäude gruppieren, allesamt liebevoll auf Vordermann gebracht. Koppeln, Wiesen und kleine Sitzecken schließen hinter der Scheune an. Bullerbü mitten in Franken.

Aufgewachsen in Öhringen im fränkisch geprägten Nordosten Baden-Württembergs, hatte die kleine Simone seit jeher von einem Bauernhof geträumt. "Meine Eltern haben einiges mitgemacht. Vor mir war kein Tier sicher, weder Kaulquappen noch Nachbars Katze", erzählt Simone Dietrich heute. Wegen ihres Jobs zog sie erst nach Gerbrunn, dann auf einen Hof in Brünnau bei Prichsenstadt, den sie mit ihrem Partner Horst Büchs Stück für Stück renovierte. Dort hielten bald Hasen sowie die Hühner Ramazotti und Martini Einzug – Tiere, die deren Besitzer nicht mehr versorgen konnten.
"Mit der Zeit wurden es immer mehr Schützlinge", erinnert sich Dietrich. „Ein Esel kam, ein Pony und dann ein Pferd." Allen war gemeinsam, dass ihre Eigentümer sich nicht mehr um sie kümmern konnten oder wollten. Den Tierschützern Simone und Horst wurde immer klarer: Wir brauchen einen eigenen Hof. "Wir wollten keine Miete mehr zahlen und den misshandelten Tieren ein dauerhaftes Zuhause bieten." Vor zehn Jahren war es soweit. Im Oberscheinfelder Ortsteil Prühl konnten "SiHo" ein Gehöft mit einigen Hektar Grünland drumherum kaufen.

Der Umzug wurde zur Wanderung: "Wir wollten den Tieren keinen Verladestress antun und sind die 24 Kilometer bis nach Prühl mit ihnen gewandert. 70 Tiere und eine ganze Schar Menschen."
Seitdem ist die SiHo-Ranch ein Zufluchtsort für alle möglichen Lebewesen, denen es nicht so gut geht. "So etwas habe ich mir immer gewünscht", sagt die Fränkin. "Ich liebe es einfach, mich gut um Tiere zu kümmern. Die geben einem so viel Liebe und Freude zurück."
Seit zwei Jahren ist die SiHo-Ranch ein gemeinnütziger Verein

Das Team der SiHo-Ranch arbeitet gut mit Forstleuten und Jägern sowie dem Tierschutzverein in Neustadt-Aisch und dem Tierheim Unternesselbach zusammen. Letztere helfen, wieder genesene Tiere an tierliebe Menschen zu vermitteln. Kranke Tiere werden nicht abgegeben: "Die dürfen bei uns bleiben, im Zweifel für immer", verspricht Simone Dietrich.
Nachdem sie und ihr Mann den Hof acht Jahre lang in Eigenregie geführt haben, ist "SiHo" nun seit zwei Jahren ein gemeinnütziger Verein mit aktuell 18 Mitgliedern. "Erst hatten wir Angst davor, dass uns zu viele Leute in die Arbeit mit den Tieren reinreden würden. Aber mittlerweile wissen wir, dass es genau die richtige Entscheidung war. Wir haben ein tolles Team, das zusammenhält und alles tut, um Tieren in Not zu helfen."
"Ich rechne immer alles automatisch in Futtersäcke um"

Die Hauptarbeit ruht nach wie vor auf den Schultern von Simone Dietrich und ihrem Mann Horst. Konsumgüter für sich selbst kaufen die beiden quasi nie. "Ich rechne immer alles automatisch in Futtersäcke um", sagt Simone Dietrich. Wann das Paar das letzte Mal in Urlaub war? "Oooch", murmelt die 54-Jährige, "Urlaub brauchen wir eigentlich nicht." Dann lacht sie und erinnert sich: "Vor etlichen Jahren sind wir tatsächlich mal weggefahren. Aber nach der ersten Nacht haben wir beim Frühstück festgestellt, dass wir beide jetzt lieber bei unseren Tieren wären. Als wir einander das eingestanden hatten, sind wir sofort zurückgefahren."
Umweltminister Glauber: "In Oberscheinfeld verändert sich die Welt für Tiere"
So ein Leben nötigt sogar einem Staatsminister Respekt ab. Thorsten Glauber, Bayerns Umweltminister, stellte kürzlich fest: "In Oberscheinfeld verändert sich die Welt für Tiere!" Er verlieh Simone Dietrich und ihrem Mann Horst Büchs den Grünen Engel, eine staatliche Auszeichnung für ehrenamtliche Umwelt- und Naturschützer. "Wir freuen uns darüber natürlich sehr", beteuern SiHo, "weil unsere Tiere dadurch vielleicht mehr Interesse bekommen."
Aber auch ohne den Engel würden Simone und ihr Mann Horst keinen Deut an ihrem Leben ändern. Aufstehen um 5.30 Uhr, füttern, misten, der eigenen Arbeit nachgehen, um Geld für die Tiere zu verdienen, nach Feierabend wieder füttern, säubern, pflegen und quasi nie vor 21 Uhr zu Abend essen: "Das ist unser tägliches Leben. Wir haben es genau so gewollt."
Hoffentlich haben Beide noch viele gesunde Lebensjahre vor sich, in denen sie für viele Tiere den entscheidenden Unterschied machen können.