
Den Auftritt eines 25-Jährigen haben die Angestellten eines Elektronikmarktes in Kitzingen und die eingesetzten Polizeibeamten auch zweieinhalb Jahre später nicht vergessen. Mit rund 2,5 Promille war der Mann in den Laden gekommen, hatte einen Laptop und ein Videospiel eingesackt, wurde erwischt und rastete danach regelrecht aus.
Jetzt trafen sich alle Beteiligten vor dem Amtsgericht in Kitzingen wieder. Sieben Zeugen hatte Amtsgerichtsdirektorin Ingrid Johann geladen, um die Vorgänge zu klären. Den Grund nannte der Verteidiger des 25-Jährigen. "Die Erinnerung meines Mandanten tendiert gegen Null." Also mussten ihm die Zeugen auf die Sprünge helfen.
Nach deren Aussagen war ziemlich klar, was sich am 5. August 2019 zugetragen hatte. Der Mann, der im Mai zuvor ein Rad aus einem unverschlossenen Anbau entwendet hatte, war an diesem Tag völlig betrunken von der Siedlung zum E-Center gefahren. Er ging in den dortigen Elektronikmarkt, steckte "wenig professionell" einen Laptop samt Karton unter seinen Pullover, dazu noch ein Videospiel, und verließ den Markt. Vor dem Eingang wurde der Mann gestellt und musste mit in den Aufenthaltsraum. Dort rastete er völlig aus. Bis ihn zwei Angestellte endlich am Boden festhalten konnten, hatte er getobt, sich mehrfach absichtlich übergeben und zwei Tabletts demoliert.
Am Ende landet der Mann im Bezirkskrankenhaus
Auch die herbeigerufenen Polizisten hatten ihre Probleme. Auf dem Weg zur und auf der Wache kam es zu eklatanten Ausfällen: Der Mann leistete Widerstand, bespuckte die Beamten und beleidigte sie so massiv, dass es einer Polizistin reichte. "Das war so massiv, dass ich Anzeige erstattet habe", sagte sie vor Gericht. Nachdem der Mann in der Zelle noch die Matratze zerlegt und seinen Suizid angedroht hatte, wurde er in ein Bezirkskrankenhaus verlegt.
Unterm Strich zählte der Staatsanwalt fünf Straftaten auf: Diebstahl, Hausfriedensbruch, Trunkenheit im Verkehr, Sachbeschädigung und Beleidigung. Konfrontiert sah sich mit den Vorwürfen ein Mann, der sich an nichts erinnern konnte. Das war ein Zustand, der bei ihm vor zweieinhalb Jahren keine Seltenheit war und der wohl als besonders "schwieriger Fall" durchgehen dürfte. Eine Gutachterin bestätigte ihm eine Persönlichkeitsstörung und – nach massiver Gewalt durch den Stiefvater – eine posttraumatische Belastungsstörung. Für den Tatzeitpunkt ging sie von einer verminderten Schuldfähigkeit aus.
Der Mann hat zwar einen Hauptschulabschluss, mehr aber nicht. "Ich bin nur rumgelungert", so seine Bilanz der vergangenen Jahre. Alle Hilfsangebote sind bisher erfolglos geblieben. Jetzt steht er unter Betreuung. Er lebt von 170 Euro netto im Monat. Immerhin zeichnet sich nach seinen Angaben eine positive Entwicklung ab. "Ich trinke keine harten Sachen mehr", sagte er dem Gericht. Zudem sei er seit zwei Monaten in einem Praktikum und hoffe auf eine Festanstellung – vielleicht ein Ausweg aus seiner verfahrenen Situation.
Trotz fünf Vorstrafen gibt es noch einmal Bewährung
Überzeugen konnten diese Perspektiven nicht alle, zumal der Mann vor knapp einem Jahr noch einmal unangenehm aufgefallen und bei einer Corona-Kontrolle wieder ausgerastet ist. Der Staatsanwalt jedenfalls sah keine positive Sozialprognose und forderte mit Blick auf fünf Vorstrafen zehn Monate Freiheitsstrafe. Eine Chance auf Bewährung sah er nicht mehr. Der Verteidiger schon. "Der Mann will seine Situation ändern", sagte er, und er habe sich entschuldigt. Acht Monate und Bewährung seien tat- und schuldangemessen. Die wurden es auch.
"Ich wünsche Ihnen, dass Sie es schaffen, ihr Leben in den Griff zu kriegen", gab ihm die Richterin mit auf den Weg. Dabei wird ihn ein Bewährungshelfer für drei Jahre unterstützen. Zudem muss sich der Mann in Behandlung begeben, um seine Probleme mit professioneller Hilfe anzugehen, nicht nur die mit dem Alkohol. 60 Sozialstunden und die Kosten des Verfahrens kommen obendrauf. Der Mann nahm das Urteil an. Ob er damit die Kurve bekommt, ist eine andere Frage.