Das Volksbegehren läuft seit einer Woche. Die Beteiligung ist mehr als schleppend. Die Meinung der Schulleiter im Landkreis Kitzingen ist eindeutig: Eine sinnvolle Entscheidung muss her. Eine Entscheidung zum Wohle der Kinder. Eine Entscheidung, die tragbar ist und nicht wieder ewig diskutiert und hinterfragt wird.
In einem weiteren Punkt sind sich die Leiter der fünf Gymnasien im Landkreis auch einig. G8 und G9 nebeneinander – das kann nicht funktionieren. „Das ist der falsche Ansatz“, sagt Robert Scheller vom Egbert-Gymnasium in Münsterschwarzach. „Wir haben die Schülerzahlen gar nicht für so etwas“, meint Wolfgang Kremer vom Landschulheim Gaibach. „Man müsste immer in zwei Schienen denken und organisieren“, gibt Margit Hofmann vom Armin-Knab-Gymnasium in Kitzingen zu bedenken. Außerdem würden die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. Die Bläserklassen oder der bilinguale Unterricht haben sich zu prägenden Säulen am AKG entwickelt. Bei zwei Systemen, die parallel laufen, wären diese Säulen in Gefahr.
„Egal ob G8 oder G9. Wir bemühen uns,
alles umzusetzen,
um die Kinder zu fördern.“
Mit dem Volksbegehren ist eine Grundsatz-Debatte über die bayerischen Gymnasien losgetreten werden. Jede Partei und jeder Verband hat eigene Vorstellungen, wie das Gymnasium der Zukunft ausschauen kann. Und das macht es nicht einfach. Der bayerische Philologenverband will, dass die meisten Schüler wieder nach neun Jahren Abitur machen. Besonders leistungsstarke Schüler überspringen die zehnte Klasse und machen ihr Abi nach acht Jahren. Die Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern spricht sich für eine Entschleunigung in der Mittelstufe aus. Die Eltern sollen entscheiden, ob ihr Kind diese Phase in drei oder vier Jahren durchläuft. Die Grünen wollen, dass die Schüler am Ende der Mittelstufe (10. Klasse) entscheiden, ob sie die Oberstufe in zwei oder drei Jahren durchlaufen, die Freien Wähler möchten, dass sich jedes Gymnasium frei entscheiden kann, ob es G8 oder G9 einführt. Oder beide Varianten parallel. Die SPD spricht sich für eine flächendeckende Einführung des G9 aus und Ministerpräsident Horst Seehofer hat angekündigt, dass die CSU bis September Klarheit über ihre Position erlangt hat.
„Die Verunsicherung ist sehr groß“, fasst Margit Hofmann die Lage zusammen. Und das geht seit beinahe zehn Jahren so. 2004 ist das G8 eingeführt worden. „Miserabel“, wie Anton Gernert vom Marktbreiter Gymnasium urteilt. In der Zwischenzeit sei aber vieles erreicht worden, um die Schule weiter zu entwickeln. Gernert erinnert an die Förderstunden, die individuelle Lernzeit, die mobilen Reserven und die Überprüfung des Lehrplanes. „Es ist vieles in die richtige Richtung gegangen.“ Auch Hofmann lobt den stärkeren Praxisbezug und die verbesserte Berufsorientierung der Gymnasiasten. Vom Ausbau der Ganztages-Schulen ganz zu schweigen. Und Robert Scheller freut sich über die P- und W-Seminare, die den Schülern das Projekt- und Zeitmanagement näher gebracht haben.
An den großen Zeit- und Leistungsdruck, der mit G8 einhergeht, mag Gernert nicht glauben. „Es bleibt für die Schüler auch beim G8 genug Zeit zum Lernen und für Hobbys“, sagt er. Sein Gaibacher Kollege Wolfgang Kremer sieht das ähnlich. Die Abiturnoten würden das belegen. „Die sind im Vergleich zu früher nicht schlechter geworden.“ Er spricht sich deshalb auch für eine Beibehaltung des G8 aus. Allerdings mit inhaltlichen Nachbesserungen. Das Leistungskurs- und Grundkurssystem des G9 könnte man ins G8 überführen. „So ließen sich Einzelbegabungen besser fördern“, argumentiert er.
Robert Scheller spricht sich dagegen für das G9 aus. „Wegen der Zeit, die jeder junge Mensch zum Reifen braucht.“ Von der 5. bis zur 10. Jahrgangsstufe würde er nichts ändern wollen – außer den Schülern mehr Zeit für Fächer wie Sport, Musik oder Kunst zu ermöglichen. Die 11. Jahrgangsstufe wäre für ihn ein „echtes Übergangsjahr“, in dem die Schüler ihre Kernfächer für die Oberstufe vertiefen, Praktika absolvieren oder Erfahrungen im Ausland machen können.
G8 oder G9? Für Anton Gernert ist das gar nicht die entscheidende Frage. „Es geht vielmehr um die Situation der Kinder außerhalb der Schule“, sagt er. „Mit welchen Voraussetzungen kommen die Kinder denn heutzutage in die Schule?“ Vieles habe sich diesbezüglich verändert. Das Interesse an der Schule und an den Lerninhalten sei jedenfalls nicht mehr das Gleiche. Die Frage müsse lauten, wie den Kindern am besten geholfen werden kann.
„Egal ob G8 oder G9. Wir bemühen uns, alles umzusetzen, um die Kinder zu fördern“, bestätigt Hofmann. Wichtig sei deshalb eine Entscheidung, die gut durchdacht ist und eine ganze Weile trägt. Damit die Verunsicherung nicht weiter um sich greift. Und Lehrer wie Schüler endlich in Ruhe arbeiten können.
Das Volksbegehren läuft bis zum 16. Juli. Die Eintragungslisten liegen in den Rathäusern zu den üblichen Zeiten aus.