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Schwarzach
Ende des Kostümverleihs: Ritter Kunibert nimmt seinen Helm
Mit dem Jahreswechsel hat Maria Jattke ihren Faschingskostüm-Verleih in Stadtschwarzach aufgegeben. Fast 30 Jahre lang hatte sie große Freude daran. Was ihrem Fundus passiert.
Nach 28 Jahren schließt sich der Vorhang in Maria Jattkes kunterbuntem Kostümverleih in Stadtschwarzach.
Foto: Peter Pfannes | Nach 28 Jahren schließt sich der Vorhang in Maria Jattkes kunterbuntem Kostümverleih in Stadtschwarzach.
Peter Pfannes
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:47 Uhr

Stolze 16 Kilogramm wiegt die Ritterrüstung aus Maria Jattkes Kostümverleih in Stadtschwarzach. Es hat in den vergangenen Jahren nur wenige wagemutige Männer gegeben, die sich an Fasching in das schweißtreibende und mühselige Abenteuer mit dem eisernen Panzer stürzten. Nur zweimal – während des Landkreisfaschingsumzugs und während einer Prunksitzung in Dettelbach – war Ritter Kunibert live zu sehen. Ab Neujahr gehören der Kostümverleih und damit auch die mittelalterliche Montur in der Mozartstraße der Vergangenheit an. Nach 28 Jahren schließt die humorvolle Rentnerin die Türen ihrer kleinen Verkleidungsfabrik.

Die Rüstung von Ritter Kunibert ist Maria Jattkes ganzer Stolz. Der 16 Kilo schwere Panzer ziert ihr Wohnzimmer.
Foto: Peter Pfannes | Die Rüstung von Ritter Kunibert ist Maria Jattkes ganzer Stolz. Der 16 Kilo schwere Panzer ziert ihr Wohnzimmer.

Einen Abverkauf der rund 500 Kostüme aus dem Verleih wird es in Corona-Zeiten nicht geben. "Ich verkaufe die gesamte Palette nicht einzeln, sondern nur im Ganzen", erklärt die Inhaberin. Jattke ist kein Freund von Traurigkeit. Lustig sein und lachen sind ihr quasi in die Wiege gelegt. Als Dorftratsche war sie beim Karneval in der Bütt unterwegs.

Eine Zeitungsanzeige weckte das Interesse

Zu ihrem Kostümverleih kam sie wie die Jungfrau zum Kind, denn eigentlich war sie ja gelernte Kinderpflegerin. Im Jahr 1992 wurde ihr Mann Helmut (2011 verstorben) auf eine Anzeige in der Main-Post aufmerksam. Kostüme aus einem Verleih wurden dort zum Verkauf angeboten. "Das wäre doch was für dich, Mary", sagte Helmut Jattke zu seiner Frau. Die reagierte erst gar nicht auf die Idee ihres Mannes. "Viel zu teuer", sagte sie.

Als gut gelaunte Hexen waren Maria Jattke und ihr Mann Helmut im Fasching vor über 20 Jahren unterwegs.
Foto: Repro Peter Pfannes | Als gut gelaunte Hexen waren Maria Jattke und ihr Mann Helmut im Fasching vor über 20 Jahren unterwegs.

Ohne ihr Wissen agierte Helmut. Plötzlich stand das gesamte Kostümsortiment aus dem Verkauf vor der Tür. Ihr Mann hatte Nägel mit Köpfen gemacht, weil er wusste, dass das Metier des Verkleidens seiner Frau gefallen würde – als neue Lebensaufgabe. Zögernd ließ sich diese darauf ein. In einem Kellerraum wurde der Verleih eingerichtet. Es war der Beginn einer erfolgreichen Selbständigen-Geschichte.

Eigentlich wollte sie erst nach 30 Jahren aufhören, doch der boomende Online-Handel, ihr Alter und jetzt auch noch Covid-19 ließen sie zu dem Entschluss kommen, aufzuhören. Dazwischen lagen viele unvergessliche Szenen mit ihren Kunden. Schließlich ging es ja bei dem Verleihgeschäft immer um Spaß und Vergnügen.

In den Kellerräumen wurde viel gelacht

Maria Jattke erinnerte sich an vier junge Männer aus Schweinfurt, die sich an einem Vormittag als Nonnen und Stripperinnen verkleiden ließen, zum Weiberfasching nach Köln fuhren und am nächsten Vormittag wieder vor der Tür standen. Es gab auch Kunden, die die Kostüme nicht anprobieren wollten, "weil sie nichts unter ihren Klamotten hatten", erzählt Jattke und lacht. Geschichten zum Schmunzeln und Lachen waren an der Tagesordnung in ihren Kellerräumen. Ärger hat sie nur ganz selten erlebt. Die Leute waren fast immer zuverlässig und pünktlich. Risse in den Kostümen und offene Nähte reparierte sie selbst. "Richtig kaputt war nie etwas."

Ende des Jahres wird das Verkaufsschild vom Schwarzacher Kostümverleih in der Mozartstraße abmontiert.
Foto: Peter Pfannes | Ende des Jahres wird das Verkaufsschild vom Schwarzacher Kostümverleih in der Mozartstraße abmontiert.

Ganz unterschiedlich waren die Interessen der Kunden. Jattke hat zwar keine Verleihstatistik geführt, doch aus dem Bauch heraus nennt sie die Top 5 der Reihe nach: Burgfräulein, Landsknecht, Rock-'n'-Roll-Röcke, Elvis Presley-Outfit und Hexe. Ihr persönliches Lieblingskostüm war immer der Eskimo. Die Interessen der Kunden blieben in fast drei Jahrzehnten ziemlich gleich. "Da hat sich nichts geändert", sagt sie.

Besonders stolz ist sie auf ihre treuen prominenten Abnehmer. "Die Hälfte aller Bürgermeister im Landkreis waren meine Kunden." Dauergast in Marys Kostümverleih war Burkhard Klein. Rödelsees Bürgermeister liebte die "familiäre Atmosphäre" und gute Beratung bei den Jattkes. "Wir haben beim Anprobieren und Abholen der Kostüme viele persönliche Gespräche geführt", sagt Klein, der sich stets als Seeräuber verkleidet hat. Wo er künftig sein Faschingsoutfit herbekommt, weiß Klein noch nicht. Seines Wissens nach gibt es nur noch Leihmöglichkeiten bei der KoKaGe in Wiesentheid und beim Deutschen Fastnachtmuseum in Kitzingen.

Gemeinderäte deckten sich mit Kostümen ein

Sommerachs ehemaliger Bürgermeister Elmar Henke erinnert sich an einen historischen Umzug beim Stadtfest in Volkach, als er und seine Ratskollegen in Mönchs- und Grundherrenkostümen mitmarschierten. "Alle zehn Kostüme haben wir uns damals bei Frau Jattke geliehen."

Auch Schwarzachs Bürgermeister, Volker Schmitt, war dort Kunde. Für die Kirchweih in Stadtschwarzach holte er sich bei Jattke die Predigerklamotten. Er bedauert die Schließung des Kostümverleihs sehr: "Das hinterlässt eine große Lücke, nicht nur in Schwarzach."

Beim kommenden Fasching wird man das Fehlen des Kostümverleihs vermutlich noch nicht groß merken, denn durch Corona fallen so gut wie alle Veranstaltungen aus. Und Kostümbälle, wie früher, gibt es nur noch selten. Einen Run auf den Kostümverleih wie bisher wird es also im Januar und Februar sowieso nicht geben. Maria Jattke kann also beruhigt in den Ruhestand treten. Ihre Nähkünste wird sie allerdings weiter anwenden, denn mit ihren beiden Töchtern und der fünfjährigen Enkelin stehen die nächsten närrischen Vertreter schon in den Startlöchern.

 
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