Nur mal angenommen, das mit dem Kabarett würde eines Tages aus unerfindlichen Gründen nicht mehr so richtig laufen – Urban Priol bräuchte sich trotzdem keine Sorgen machen. Der Mann hat durchaus das Zeug zum Sportreporter, wie er am Mittwochabend in Nordheim launig unter Beweis stellte.
Die 800 Fans in der picke-packe-vollen Divino-Abfüllhalle mussten auf nichts verzichten: Weder auf das bestens aufgelegte Aschaffenburger Lästermaul noch auf die Zwischenergebnisse des parallel laufenden EM-Spiels zwischen Deutschland und Holland.
Urban Priol über Angela Merkel
„EM? Welche EM?“ So mancher Besucher übte sich im Vorfeld, dem Ereignis angemessen, in feiner Ironie. Hatte man doch die Karten zu einem Zeitpunkt gekauft, als noch kein Mensch auch nur einen Gedanken an die EM verschwendete. Und nun fiel der Termin ausgerechnet mit dem heiß ersehnten Duell zusammen gegen den Erzrivalen mit den gelben Nummernschildern.
Auch sonst lief es zunächst irgendwie nicht richtig rund: Als Open-Air geplant, musste die Veranstaltung wegen des Wetters aus dem Hof in die Abfüllhalle verlegt werden. Erfahrung hat man in Nordheim mit den Regenfluchten: Wenn die Divino ihre Tradition der erstklassigen Kabarettabend fortsetzt und sich die Zahl der Menschen in Nordheim für ein paar Stunden fast verdoppelt, regnet es gerne und die Temperatur sackt in den einstelligen Bereich.
Dann noch das: kein Urban Priol da. Gefangen im Stau auf der A 3. Rekordverdächtige zwei Stunden und 48 Minuten brauchte er von Aschaffenburg nach Nordheim. Als es schließlich mit halbstündiger Verspätung halb 8 losging, hatte sich das Warten gelohnt: Urban Priol ließ bei der unfreiwilligen Warterei die Gedanken kreisen, warum im sexuell aufgeladenen Spessart Weibersbrunn gleich neben Rohrbrunn liegt.
Der ZDF-Anstaltsleiter mit dem untrüglichen Gespür für schöne Hemden ledert formvollendet los: Über „Vollhorst“ Seehofer geht's zu „Fipsi“ Rösler und Ursula von der Leyen, die immer so redet, als wolle sie gleich einen Hefezopf backen. Dazu die CSU und die Frage, ob sie 2012 vor Christus regiert.
Und natürlich: Angela Merkel. Erst Miss World. Dann Miss Europa. Jetzt „Miss Erfolg“. Trost bekommt nur einer: Prinz Charles, der irgendwann zur Thronbesteigung wohl einen Treppenlift braucht.
Von der Pause zurück kommt Urban Priol mit der guten Nachricht vom 1:0 und mit einem Tablet-PC, der es tapfer mit dem Nordheimer Zeitlupen-Internet aufnimmt. Priol auf Gomez, den „Wundgelegenen“ – 2:0. Anschlusstreffer. Dann Neuers Glanzparade. Und als Boateng „dazwischenspritzt“, fehlt der Hinweis auf Erotikmodel Gina-Lisa nicht.
Bevor sich Priol auf die Sekunde mit dem Schlusspfiff verabschiedet, wünscht er sich noch ein EM-Endspiel, das sich an der aktuellen Krise orientiert: Griechenland gegen Spanien, gepfiffen von einem Italiener.
Was sicher nicht die schlechteste Idee wäre – falls Urban Priol wieder den Kommentator gibt.