
Am frühen Morgen ist der Eisbrecher „Angermünde“ zum Arbeitseinsatz vom Schweinfurter Hafen in Richtung Würzburg gestartet. Er fährt „zu Tal“ wie es im Sprachgebrauch der Binnenschiffer heißt. Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes: starker Frost von bis zu minus zehn, zwölf Grad.
Heinrich Schoppmann, Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Schweinfurt, erklärt, dass die zwei Eisbrecher der Dienststelle am Vortag aus Nürnberg von einem Einsatz auf dem Main-Donau-Kanal zurückgekehrt sind – dort geht wegen zu starker Eisbildung nichts mehr. Schiffsführer der „Angermünde“ auf dem Rückweg nach Schweinfurt war Stefan Rind-Hoffmann.
Am Dienstag soll der Schiffsverkehr auf dem Main im unterfränkischen Gebiet aufrechterhalten werden. Ob das gelingt, ist ungewiss. „Wir müssen die Natur respektieren, sie gibt uns den Takt vor. Und wenn das Eis zu dick wird, geht nichts mehr. Wir machen nichts mit Gewalt“, sagt Schoppmann weiter.
Stahlarmierter Bug
Schiffsführer Edgar Köhler beschleunigt vorsichtig sein Schiff. Ein kraftvoller Motor mit gut 680 PS schiebt die Eisplatten auf dem Main auseinander. Laut krachend zerteilt der Bug, der mit Stahl besonders armiert ist, die Eisfläche. Im Zwei-Schicht-Betrieb ist das Boot unterwegs, Würzburg ist heute das Ziel. Zwei Matrosen unterstützen Köhler bei seiner Arbeit. Sie übernehmen alle technischen und nautischen Aufgaben und halten dem Käpt'n den Rücken frei, damit er sich voll auf den Weg konzentrieren kann.
Bis zur Schleuse Wipfeld, die gegen Mittag erreicht wird, geht es gut voran. Reger Funkverkehr lässt allerdings erahnen, dass sich die Situation verschärfen wird. Alle vier Stunden listet eine Bandansage die Behinderungen auf dem Main in Unterfranken auf. „Das ist wie der Verkehrsfunk im Autoradio“, so Köhler.
Vor dem Wehrbereich muss der Eisbrecher mehrfach hin- und herfahren, um die geschlossene Eisdecke zu zerteilen. In der Schleusenkammer dann das erste Problem: Die Tore am Ausgang lassen sich nicht mehr richtig öffnen. Eisschollen haben sich in den Tor-Nischen verklemmt. Mit Stangen versuchen die Mitarbeiter, das Eis aufzulockern. Es dauert, bis die Tore komplett aufgehen.
Zwischenzeitlich hat die Besatzung gewechselt. Das neue Team unter Schiffsführer Thomas Endrich hat quasi fließend übernommen. Endrich will gegen Abend in Würzburg sein. Bei Fahr (Lkr. Kitzingen) hat sich nach der Schleuse ein Schiff festgefahren, liegt regelrecht festgefroren am Ufer. Vorsichtig fährt der Eisbrecher von allen Seiten auf das Boot zu und wieder zurück. Durch das Aufsprengen der Eisschicht ist das Schiff wieder beweglich.
Und plötzlich ein Funkspruch aus der Leitzentrale: In Höhe Fahr hat sich das Frachtschiff Karlstein mitten im Main festgefahren. Endrich berechnet, dass sie in knapp zehn Minuten dort sein müssten. Man merkt, dass die Besatzung jetzt voll konzentriert ist. Der Schiffsführer beschleunigt – so gut wie es durch die Eisbildung geht – sein Schiff und gibt den beiden Matrosen Anweisungen, wo sie sich zu positionieren haben.
Ausgebremst
Mehr und mehr wird die Fahrt durch das dicker werdende Eis gebremst. Etwa 13 Kilometer pro Stunde beträgt die Geschwindigkeit, mehr geht nicht. Nach einer Flussbiegung bei Fahr rückt das festgefrorene Schiff ins Blickfeld: Es steht mitten in der Fahrrinne. Der Kapitän erklärt Endrich über Funk, dass sein Schiff wegen des dicker werdenden Eises immer langsamer wurde, bis es schließlich stehen blieb. Um die Maschine nicht zu überhitzen, musste er den Leerlauf einstellen.
„Wir versuchen jetzt, durch großen Wellenschlag das Schiff frei zu schaukeln. Geht das nicht, müssen wir es an den Haken nehmen“, unterweist Endrich seine Kollegen. Doch es klappt mit dem Schaukeln: Ganz langsam kann das Frachtschiff wieder Fahrt aufnehmen. Endrich gibt dem Kapitän die Weisung, genau in seiner Fahrrinne hinterherzufahren. Bei der nächsten Schleuse Volkach/Gerlachshausen soll dann ein geeigneter Liegeplatz gefunden werden.
Unterdessen nimmt die Eisdicke zu. „Wir haben etwa zehn Zentimeter“ meint Endrich. „Ab 20 wird es kritisch für die Mainschiffe. Wir selbst schaffen so um die 30 Zentimeter Dicke, dann ist Schluss,“ so Endrich weiter. Bei Volkach, wo der Altmain abbiegt und der Main-Kanal beginnt, wird das Eis plötzlich noch stärker. „Im Kanal ist kaum noch fließendes Wasser. Das begünstigt die Eisbildung“, sagt der Schiffsführer.
Das mit dem Hafen Würzburg wird nichts mehr. Mit nur noch zehn Kilometern pro Stunde geht es in Richtung Gerlachshausen. Dort beginnt wieder die Prozedur mit den Schleusentoren, jetzt nur noch schlimmer. Endrich telefoniert mit der Zentrale. Es wird vereinbart, dass das Schiff in Marktbreit abgestellt wird. Erst am nächsten Morgen geht es weiter, bei Dunkelheit wird nicht gefahren. „Zu gefährlich“, sagt Endrich knapp.