Kaum ein anderes Instrument passt sich an die Intimität des gesprochenen Wortes besser an als die Gitarre. Mystischen Gedanken verleihen Gitarrenklänge gleichsam Flügel. Wenn Mystik aber auf Flamencoklänge trifft, dann verspricht das ein außergewöhnliches Hörerlebnis. Vielleicht mag dazu der Satz inspiriert haben „Wäre Gott ein Musiker – dann wäre die Flamencogitarre sein Instrument.“ Ein musikalisches wie gedankliches Experiment? – Falls man es als solches betrachtet, dann war es gelungen, was die Zuhörer im voll besetzten Kaminzimmer von Schloss Kirchschönbach erlebten.
Was die beiden begnadeten Gitarrenvirtuosen Jan Pascal und Alexander Kilian von Café del Mundo an Klängen aus ihren Instrumenten zauberten und was Markus Grimm, Schauspieler, Schriftsteller und Theologe, an Gedanken vortrug, berührte zutiefst. Mit seinen einleitenden Worten konnte Markus Grimm das Publikum für die Begegnung mit dem anspruchsvollen Gedankengut der mystischen Tradition und die begleitende Musik aufschließen. „In der Musik berührt uns das Ewige. Musik bewegt unsere Herzen, sie begeistert uns und tröstet. Sie verbindet uns mit einer anderen Welt – der Welt außerhalb von Raum, Zeit und Stoff.
Es ist die Welt der Mystik. Die Mystik sucht nach der Erfahrung dessen, was wahrhaft wirklich ist. Sie weiß: im Hintergrund der Dinge wohnt unser eigentliches Leben. Es kommt aus der Stille und geht wieder dorthin zurück. Und Musik ist hörbar gemachte Stille.“
Die Umsetzung des zunächst gewagt erscheinenden Projekts konnte nur deshalb so beeindruckend gelingen, weil auch die beiden Musiker in ihrer Ernsthaftigkeit und ihrem Verständnis von Musik eine Beziehung zur Mystik haben. Dazu Jan Pascal: „Musizieren ist für mich Innigkeit, Begegnung mit mir, dem Mitspieler, dem Publikum. Letztlich bleibt im Erleben von Musik immer ein unbegreiflicher Rest Mystik.“ Und über Schloss Kirchschönbach prägte er den Satz: „Wenn ich durch die Tür trete, umfängt mich die Aura dieser Umgebung. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt.“
Schon bei den ersten Tönen von „Viajeros – Reisende“ merkten die Zuhörer, dies ist nicht der traditionelle Flamenco. Er hätte wohl auch nicht zu den Gedanken der Mystiker gepasst. Vielmehr waren es überraschende, fein durchkomponierte Harmonien und Melodien mit unverkennbaren Einflüssen des Jazz. Und dennoch bewegten sie sich immer in den traditionellen Mustern des Flamenco, den Palos. Sie sprühten auch die Leidenschaft und die Intensität des Flamenco.
Und so wie in fast allen Konzerten von Café del Mundo etwas Neues entsteht, weil sich Stücke weiter entwickeln, so hatte Jan Pascal für das Eingangsstück den Teil „Mystik“ ganz neu komponiert. Auch wer unter den Zuhörern schon Café del Mundo erleben konnte, ist immer wieder fasziniert von der technischen Brillanz und der grandiosen Virtuosität und Musikalität der beiden Gitarristen.
Es war kein Nebeneinander von gesprochenem Wort und Musik. Es war ein Dreiklang, in dem sich die Gedanken der großen Mystiker wie Teresa von Avila, Johannes vom Kreuz, Johannes Tauler, Meister Eckhart und Angelus Silesius mit den Klängen der Flamencogitarren verwoben. Es waren Gedanken, die den Mensch zu seinem Innersten, zu sich selbst führen. Der Schlüssel zum Verständnis der oft schweren Gedankengänge war die beeindruckende, meisterhafte Vortragskunst von Markus Grimm. Bisweilen hätte man sich gewünscht, den Text dazu in Händen zu halten. Allein das Lesen allerdings hätte die Texte nicht in diesem Maße erschlossen.
Während der Applaus nach den tiefgehenden Wortbeiträgen oft noch zögerlich kam, weil die Zuhörer die Stille nicht stören und die Gedanken in den Gitarrenklängen weiter schwingen lassen wollten, fiel der Schlussapplaus für Markus Grimm umso herzlicher aus.
Dann das letzte Stück „Spain“ mit dem wundervoll gespielten „Adagio“ aus dem „Concerto de Aranjuez“ als Intro – eine Hommage von Café del Mundo an die spanischen Mystiker. Und als der Beifall nicht enden wollte und Markus Grimm meinte, jetzt sei es aber mit der Stille vorbei, bewegte die Begeisterung des Publikums die beiden Musiker zu drei Zugaben.
Dieser so ganz andere Sonntagnachmittag gab vielen Zuhörern das Gefühl, in doppelter Weise bereichert worden zu sein: Zum Einen führten die Gedanken in das Innerste und zugleich über das Eigene hinaus, setzten Impulse, vermögen weiter zu tragen. Und zum Anderen erlebten sie eine außergewöhnliche, auch das Innerste zutiefst berührende und faszinierende Musik auf der Flamencogitarre.