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IPHOFEN
Eine „existenzielle Frage“ für den Weinbau
Die Weinkulturlandschaft am Schwanberg mit Blick auf Iphofen: Um sie vor den Einflüssen des Klimawandels zu bewahren, braucht es in Zukunft wohl künstlicher Bewässerung.
Foto: Günther Fischer | Die Weinkulturlandschaft am Schwanberg mit Blick auf Iphofen: Um sie vor den Einflüssen des Klimawandels zu bewahren, braucht es in Zukunft wohl künstlicher Bewässerung.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:33 Uhr

Wenn im Wein tatsächlich Wahrheit liegt, kommt sie an diesem Abend ziemlich schonungslos daher. Die Summen, von denen am Montag im Iphöfer Stadtrat die Rede ist, holen so manchen, der in näherer Zukunft schon von der automatischen Weinbergsbewässerung geträumt hat, mit einem Schlag auf den Boden der Tatsachen zurück.

Sie lassen die Winzer, die hinten im Saal auf ihren Stühlen verharren, ernüchtert zurück. Selbst ein mit allen kommunalpolitischen Wassern gewaschener Bürgermeister wie Josef Mend wird am Ende sagen: „Ich kann mich in all den Jahren an kein derart kompliziertes Projekt erinnern.“

Fürchterliche Zahlen

„Fürchterliche Zahlen“ hat Mend zu Beginn der Sitzung angekündigt, und es zeigt sich: Der Mann hat nicht übertrieben. Auf bis zu 14,35 Millionen Euro kommt Diplom-Ingenieur Michael Hübner vom Planungsbüro BaurConsult bei seiner Berechnung. Das ist für den Stadtrat, der dem Vorhaben bislang sehr offen gegenübergestanden hat, dann doch ein kleines bisschen Horrorshow. Aber mit Blick auf die Komplexität des Themas hat man als Realist wohl kein anderes Ergebnis erwarten dürfen. Speichersee, Zuleitung vom Main, ein verzweigtes Rohrnetz durch die Weinberge – das geht in die Millionen. Wann und ob das wirklich kommen wird, ist so ungeklärt wie die Frage, wer das alles bezahlen soll.

Gegen den Klimawandel bewahren

Seit 2009 beschäftigt sich die Stadt Iphofen nun mit dem Thema, wie die „Weinkulturlandschaft am Schwanberg“ (Mend) gegen die Einflüsse des Klimawandels bewahrt werden kann. Nebenbei geht es dabei auch um das Auskommen der Winzer, die auf gut 260 Hektar Fläche am Julius-Echter-Berg, Kronsberg und an der Kalb ihre Reben bewirtschaften, ein Millionengeschäft. Viele konstruktive Ansätze, dieses Terrain mittels künstlicher Bewässerung durch heiße und trockene Sommer zu bringen, sind gescheitert. Dies lag zumeist in der Natur der Sache. Die Landschaft um Iphofen, sie ist rau.

Miserable Wasserqualität

Bei den Tiefbohrungen stießen die Experten im Jahr 2011 auf Hohlräume im Untergrund. Sie gefährden die Stabilität eines Speichersees, der laut Berechnungen bis zu 180 000 Kubikmeter Wasser tragen muss. Die untersuchte Wasserqualität in der Umgebung ist miserabel, zu viel Sulfat und damit völlig ungeeignet zur Bewässerung. Das Wasser technisch aufzubereiten käme zu teuer. „Jeden Bach, jeden Brunnen, jede Quelle haben wir geprüft“, sagt Diplomgeologin Heike Kraus von BaurConsult. 2015 keimte Hoffnung. Kraus entdeckte nördlich der Gumpertsmühle eine Stelle ohne die für die Gegend typischen Sulfatwerte.

„Kein Gips, aber dafür zu viel Salz“, sagt sie dazu. Die bohrende Suche nach einem geeigneten Brunnen wurde eingestellt – andere Lösungen mussten her.

Wasser aus dem Main

Das Wasser soll nun aus dem Main hergepumpt werden – von Kitzingen aus ist eine gut sieben Kilometer lange Leitung über öffentliche Wege geplant. Doch auch bei dieser Variante gibt es ein Problem: Das Wasserwirtschaftsamt lässt bislang eine Entnahme von Mai bis September nicht zu. Das Wasser müsste dem Fluss also im Winter entzogen und für ein Jahr auf Vorrat gelegt werden. Dazu bräuchte es den Berechnungen zufolge einen Speichersee mit rund 180 000 Kubikmeter Fassungsvermögen. Geplanter Standort: entweder zwischen Baugebiet Hündlein und Staatsstraße oder besser noch auf der anderen Seite der Straße. „Verhalten optimistisch“ gibt sich Ingenieur Hübner, dass hier der Untergrund trage. Jedoch stehe eine abschließende geologische Expertise noch aus.

Kosten über 11 Millionen Euro

Die Ingenieure gehen von der Annahme aus, dass im Jahr 145 000 Kubikmeter Wasser benötigt werden, acht bis zehn Liter pro Rebe. Dazu kommt eine Reserve von etwa 35 000 Kubikmetern, die etwa durch Verdunstung verloren geht. Das Wasser soll mittels einer Hauptleitung zu den einzelnen Kopfstationen gepumpt, dort verteilt werden und über Tröpfchenbewässerung gezielt zu den Reben gelangen. Allein der Speichersee ist mit Kosten von 3,1 Millionen Euro veranschlagt, die sieben Kilometer lange Zuleitung vom Main käme auf rund 1,8 Millionen Euro. Für das Leitungsnetz in die Weinberge, also die Strecke vom Speichersee zum Endverbraucher, müsste die Stadt weitere 6,5 Millionen Euro investieren.

Illusionen verloren

Mend, der beim Start des Projekts vor acht Jahren „begeistert“ war, hat manche Illusion verloren. Ein autarkes Bewässerungssystem werde man nicht hinbringen – und auch ein anderer Ansatz ist vom Tisch: Die Fernwasserversorgung Franken habe mitgeteilt, dass sie laut Satzung nicht berechtigt sei, Wasser für derartige Zwecke zu liefern. „Dass es in Iphofen so kompliziert sein würde, brauchbares Wasser zu finden, hätte ich nicht gedacht“, sagt der Bürgermeister an diesem Abend.

Er will die Machbarkeitsstudie, die in Unterfranken Pilotcharakter hat, nun dem Umweltministerium präsentieren und hofft wie die Iphöfer Winzer auf zarte Signale aus München.

Wertvolle Studie

Gefragt nach der Stimmung unter den Kollegen zu dem Projekt, sagt der Vorsitzende des Iphöfer Weinbauvereins, Hansi Ruck, am Montagabend: „Bei unserer Mitgliederversammlung vor einem Jahr war keiner dabei, der sich dagegen ausgesprochen hätte.“ Wie ein klares Bekenntnis klingt das nicht. Deutlicher wird da schon Uwe Matheus, Betriebsleiter beim größten Iphöfer Weingut Hans Wirsching. Er spricht von einer „existenziellen Frage für den Weinbau“ und findet die vom Freistaat geförderte Studie wertvoll. Bis aus ihr Realität wird, dürfte indes noch viel Wasser den Main hinabfließen.

 
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    Das Wasser des Mains wird nicht reichen um die fehlenden Niederschläge und den erhöhten Bedarf der Turbolandwirtschaft auszugleichen. Insofern muss sich Iphofen überlegen wie es mit der Trockenheit umgeht. Wein gibt's in rauhen Mengen. Warum soll mit Steuermittel jetzt ein teueres Projekt realisiert werden, das auf mittlere Sicht keinen Sinn macht. Möglicherweise könnten die zusätzlichen Einnahmen aus einem Tourismusgeschäft "Nationalpark Steigerwald" die geringeren Einnahmen aus dem Weingeschäft zumindest abfedern.
    PS.: ich bin mal gespannt, wann die Zuckerrübenbauern kommen und nach Wasser rufen. Auch da wird man sich über andere Fruchtfolgen Gedanken machen müssen.
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