Die "offene Wunde der Welt" – Im Jahr 2014 war dies noch in den Worten des damaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon Syrien. Der Islamische Staat war im Begriff, sich auf brutale Weise ein Staatsgebiet zu erobern, und die Welt eilte zusammen, um eine Lösung zu finden. Genau diesem Szenario widmeten sich 32 Schülerinnen und Schüler der Q11 des Gymnasiums Marktbreit unter Leitung von Hauptmann Philipp Nürnberger und Hauptmann Marius Erbrich, zwei Jugendoffizieren der Bundeswehr.
Bis ins Detail vorbereitete Materialien erleichterten die Einfindung in die Rollen. Nach einer kurzen Einstiegsphase begann der anfangs dem Ablauf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates nachempfundene Diplomatenalltag. Die Schülerinnen und Schüler hielten jeweils eine zweiminütige Rede zu den Leitlinien des von ihnen verkörperten Staates. Im Anschluss begann das eigentliche Politikgeschäft. Man wanderte von Tisch zu Tisch, verhandelte, schloss Allianzen, um dann einen Resolutionsentwurf zu diskutieren. Begleitet wurden die Verhandlungen durch die Pressevertreterinnen, die live auf einem Instagram-Account die mitgehörten Interna veröffentlichten und somit manche Staaten teils in plötzliche Bedrängnis brachten. Der Resolutionsentwurf scheiterte – wie in der Realität – am Veto Russlands, was bedeutete, dass die Staaten nun über Einzelbündnisse oder eben ohne rechtliche Grundlage wie ein UN-Mandat tätig wurden. Jede Gruppe platzierte ihre Ressourcen auf einer digitalen Karte. Beim Einsatz aber (ver)störten die Fragen der Simulationsleiter, z. B. ob man die Regierungen der Zielländer eingebunden habe oder welche Ziele man mit dem Militär verfolge, da die Bombe, die "nur die richtigen" treffe, eben "noch immer nicht erfunden" sei. Mancher lernte hier rasch die Grenzen der "eigenen" Überlegungen und Macht.
Abschließend wurden die Ergebnisse mit den ursprünglichen Zielsetzungen verglichen. Das Feedback der Spielleiter zeigte, dass man von der tatsächlichen Vorgehensweise gegen den Islamischen Staat nicht allzu weit entfernt gewesen war. Die Prinzipien internationaler Krisendiplomatie, die in der aktuellen Ukrainekrise genauso gelten wie damals, traten für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei wesentlich deutlicher zutage als im regulären Unterricht.
Die Spielleiter zeigten sich am Ende eines langen, intensiven Tages höchst angetan von der Leistung der Schülerinnen und Schüler, ihrem rhetorischen Niveau, dem Engagement in Planung und Debatte und der Qualität der Beiträge. Vor allem aber war die Konzentration und Empathie beeindruckend, mit der die Jugendlichen in einer für sie mehr als ungewohnten Rolle ein noch ungewohnteres Politikfeld einen ganzen Tag lang durchlebten.
Von: Arno Richter (Lehrer, Gymnasium Marktbreit)