
Seufert ist dankbar, wenn er zurückblickt. "Ich hatte das Glück, mein Erwachsenenleben in einer Zeit ohne Krieg verbringen zu können." Er ist ein Kind des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs. Und den, sagt er, "verdanken wir zu einem großen Teil des wirtschaftspolitischen Ideen Ludwig Erhards".
Der hat dem Traditionsunternehmen in den 50er Jahren einen immer wieder gern zitierten Satz ins Gästebuch geschrieben: "Das größte Glück für ein Volk ist eine gesunde Wirtschaft. Ich wünsche dem Zehntkeller, dass er immer eine gesunde Wirtschaft bleiben möge."
Eine, die den Satz aus dem gebundenen Schmöker am Donnerstag zum ersten Mal gelesen hat, war Regina Erhard, die angeheiratete Nichte des Wirtschaftswunder-Politikers. Auf Vermittlung des Journalisten Elmar Marquart hatte sie den Weg nach Iphofen gefunden, um gemeinsam mit den Gastwirten auf den Spuren ihres prominenten Verwandten zu wandeln. Dabei verriet sie unter anderem, dass ihr "Onkel Lulu" einmal den Kopf zurecht rückte, als es um das Thema Marktwirtschaft ging und dass er ein ganz umgänglicher Typ gewesen sein muss.
Onkel Lulu war der Bruder ihres Schwiegervaters Willi Erhard aus Mainbernheim. Ihr Mann Karl Erhard, den sie 1957 heiratete, hat in Kitzingen sein Abi gemacht.
Als Heinrich Seufert ein Knirps war, nahm der Staatsmann mit fränkischen Wurzeln als Wanderer mit Rucksack wahr. Später rollte Erhard im schwarzen Mercedes an, um im Zehntkeller gut zu speisen. Das war zu einer Zeit, als die Kultur der gehobenen Gastronomie langsam wieder auflebte. Der Zehntkeller hatte einen Spitzenkoch aus Belgien. "Zwischen Würzburg und Nürnberg gab es damals keinen Küchenmeister dieser Art", sagt Seufert.
Des Küchenmeisters Kunst und gute Schoppen waren ganz nach Erhards Gusto. Er hatte einen Bruder in Mainbernheim und war schon in Vorkriegszeiten häufig Gast im Zehntkeller. In den ersten Nachkriegsjahren kam er als "alter Gast bei seinen Mainbernheim-Besuchen vorbei, in der Hoffnung, etwas Ess- oder Trinkbares zu bekommen, was eigentlich nicht hätte verkauft werden dürfen".
"Das größte Glück für ein Volk ist eine gesunde Wirtschaft"
Ludwig Erhard Vater des Wirtschaftswunders
"Optimismus" war am Donnerstag ein gern gesprochenes Wort im Zehntkeller. "Der Aufbruchsgeist der 50er Jahre täte uns gut", sagt Seufert. Das Wirtschaftsleben heute sei häufig von Ängstlichkeit bestimmt und von Überregulierung. Seine Kritik: "Es gibt keinen Gastwirt, der heute die Chance hat, die ihn betreffenden Gesetze auch nur ansatzweise zu kennen." Ein bisschen mehr Ludwig-Erhard-Geist täte gut.
Was dessen Geist in der Küche anbelangt: Werner Düring und Team haben Köstliches wie "Rinderfilet Strindberg mit Speckbohnen und Bratkartoffeln" oder "Masthahn Marengo" gezaubert, um ihren Gästen das "Speisen wie zu Wirtschaftwunderzeiten" zu ermöglichen. Der Zehntkeller bietet immer gegen Ende des Winters eine Themen-Speisekarte an. Diesmal, im März und passend zum Frühling, ist die Karte eine Hommage an die 50er Jahre. Onkel Lulu hätte seine Freude daran gehabt. Denn von ihm ist überliefert, dass er keinerlei Scheu vor Kalorien und durchaus Sinn für einen guten Schoppen hatte.