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MARKTBREIT
Ein Marktbreiter Soldat vor und hinter der Front
Konrad Heermann (vorne 4. von links) im Kreise seiner Kameraden auf einem undatierten Foto, wohl während der Garnisonszeit.
Foto: Archiv Werner Heermann | Konrad Heermann (vorne 4. von links) im Kreise seiner Kameraden auf einem undatierten Foto, wohl während der Garnisonszeit.
Robert Haaß
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:57 Uhr

Dieser Krieg ist nicht dazu angetan, großartige Menschen zu bilden. Das ist der zentrale Satz aus den Briefen des Marktbreiter Soldaten Konrad Heermann (1896 – 1966). Er war von 1915 bis November 1918, also vor 100 Jahren, an verschiedenen Fronten des Ersten Weltkriegs im Einsatz. Geschrieben hat Heermann an seine Familie in Marktbreit – es waren viele Briefe in den vier Kriegsjahren.

Im Nachlass gefunden

Gefunden hat sie sein Neffe, Werner Heermann, im Nachlass seiner Tante Lina. Ein fest verschnürtes Bündel mit Briefen und Karten in altdeutscher Schrift. Nach seiner Pensionierung hat Werner Heermann in akribischer Arbeit die Briefe transkribiert und zu einem Buch mit Fotos von damals zusammengefasst. 100 Jahre nach dem Kriegsende entstand ein Buch, das aus einem ganz eigenen Blickwinkel ein Schlaglicht auf eine historische Zeit wirft. Eine Zeit, in der sich die Völker Europas in Schlachten und Stellungskriegen gegenseitig bekämpften.

Hoffnungen, Sorgen und Nöte

Es ist kein Buch, das Schlachtgetümmel beschreibt und verherrlicht. Eher ein Buch des Privaten, das die Hoffnungen, später die Sorgen und Nöte eines Soldaten schildert. Denn Kritik an den Herrschenden, am Militärischen war nicht möglich. Alle Briefe von der Front wurden von offizieller Seite gelesen und zensiert.

Da in nächster Zeit ein Kamerad vom Geschütz in Urlaub fährt, so will ich diesen Brief mit besorgen lassen. Wenn man bei uns die Post durch die Zensur schwindeln will, ist das sehr umständlich und gefährlich. So aus einem Brief vom 20. Februar 1916. Da ist Heermann schon gut sieben Monte im Einsatz.

1915 der erste Brief

Der erste Brief stammt von 11. März 1915 aus einer Garnison bei Weiden. Heermann, noch keine 20 Jahre alt, ist gerade eingezogen und wird ausgebildet. Wohin es geht, ist noch offen – Infanterie oder Artillerie. Drill bestimmt das Alltagsleben und noch herrscht Euphorie: Weil die Besichtigung heute so gut ausgefallen ist, haben wir zwei Maß spendiert erhalten, weshalb wir jetzt gemütlich in der Kantine sitzen und unsere vaterländischen Gefühle in schwunghaften Liedern zur Geltung bringen. Heute, Freitag, sind wir früh mit bespannten Fahrzeugen ausgerückt und wir Reitkanoniere ritten hinterdrein. Da wir uns ziemlich oft in Trab setzen und ich etwas schwitze, so habe ich meinen besseren Teil fast ganz aufgeritten.

An der Front und dahinter

Im Westen gibt es zwei Zustände: an der Front und hinter der Front. Immer wieder wechseln die Soldaten hin und her. Am meisten hatten wir unter Minen und Gewehrgranaten zu leiden. Zu allen Tageszeiten schlagen sie ein. Wenn eine 50 Meter vom Unterstand explodierte, so erzeugte dieselbe einen solchen Luftdruck, dass die Luft durch die Ritzen der Fenster und Lärm eindrang und die Zeitungen vom Tisch wehte. Verluste treten täglich auf. Ich habe Tote durch Gewehrgranaten gesehen. Das schreibt Heermann aus einer Feuerstellung im Februar 2016. Und danach: Ich war hinter der Front zur Entlausung.

Urlaub und Versorgung

Zwei Themen ziehen sich durch fast alle Briefe: Urlaub und Versorgung. Auf Urlaub muss der Soldat sehr lange warten. Das erste Mal sieht der junge Mann Marktbreit im Juli 1917 wieder – nach über zwei Jahren. Kurz zuvor schreibt er noch aus Rumänien. Er ist inzwischen an der Ostfront:

Man wird ganz stumpf von dem ewigen Einerlei. In zwei Jahren bekommt man so was richtig satt. Man darf den ärgsten Schauderroman lesen und doch kommt einem das ganz kindisch vor. Man ist eben an ganz andere Nervenreize schon gewöhnt. Mit dem Urlaub schaut es nach wie vor schlecht aus.

Bitte um Lebensmittel

Die Versorgungslage ist fast immer schlecht. Ständig bittet Heermann die Eltern um Geld. Lebensmittel kommen in Form von Kuchen, Wurst, Brot, Butter, ja gar Eiern von den Eltern und von Verwandten ständig an die Front. Gestern erhielt ich ein großes Paket von Oberkirch und eines vom Marktbreiter Roten Kreuz. Ersteres enthielt ein Buch aus der Bibliothek vom lieben Vetter Fritz zum Andenken an ihn. Dann noch Äpfel, Nusslikör, Taschentuch, Nähzeug und Backwerk. Das andere enthielt Zigarren, ein sehr praktisches Nähzeug, Lebkuchen, Schokolade und ein Büchlein. Heute kam ein Göllnersches Paket mit Backwerk. Da kann man gar nicht genug schreiben. (Dezember 2015).

Das Kriegselend

Zwischen den Zeilen ist auch von der Verrohung und vom Kriegselend zu lesen. Gestern kamen wir hier in Gologann an. Uns wurde ein kleines Häuschen mit einem heizbaren Zimmerchen und einem Vorraum zugewiesen. Es regnete, wir waren bereits vier Kilometer durch einen Dreck von oft einem Meter Tiefe gehopft und waren nicht in bester Laune dadurch. In dem Zimmerchen hockte jede Ecke voll Civil. Vier Weiber, ein alter Krauterer und eine Anzahl Kinder. Wir hatten Befehl, alle rauszuschmeißen. Jetzt sitzt die ganze Bagage mit vielen noch aus anderen Häusern vereint in einer Russenhütte aus Stroh draußen in Sturm und Wetter ohne Nahrung und Hilfsmittel, vertrieben von Haus und Hof. So geht es alle Tage. (Rumänien, Januar 1917).

Wie schlecht es der Zivilbevölkerung in Deutschland geht, wird deutlich als Heermann 1918 zur Offiziersausbildung nach Landsberg und München kommt. Im Feld war's mit dem Kohldampf nicht so schlimm wie hier. Wenn man sich halt wenigstens was Gescheites für sein Geld kaufen könnte. (April 1918) Mein verfügbares Geld geht morgen total zur Neige. Ich habe Euch am Sonntag telegrafiert, aber es ist bis jetzt noch nichts gekommen. Und es ist doch alles so furchtbar teuer hier. . . . Esse ich zu Mittag im Kasino, muss ich immer denken, dass mich der Spaß 2 M kostet; esse ich in der Stadt, so gehts auch nicht billiger ab; lege ich mich ins Bett, fällt mir der horrende Preis von 34 M (wohl die Miete, Anmerk. d. Red.) ein; betrachte ich mich selbst, so muss ich an den Preis für Uniform, Mütze, Handschuhe und Stiefel denken, was ich so notwendig brauche. Da sag dann noch mal einer: Es geht ihm gut. Es ist halt immer das ewige Lied in dem Krieg.“ (München Juni 1918).

Der Erste Weltkrieg geht für den Soldaten an der Westfont noch vier Monate weiter. Am 11. Dezember 1918 wird er aus der Armee entlassen. Im Zweiten Weltkrieg nimmt er am Polenfeldzug teil, wird dann aber als Ingenieur in der Bergbautechnik freigestellt. Später lebt er erst in Dortmund, nach seiner Pensionierung im Fränkischen. 1966 kommt Konrad Heermann bei einem Badeunfall am Gardasee ums Leben.

Konrad Heermann im Ersten Weltkrieg

März bis Mai 1915: Garnisonszeit in Landsberg am Lech.

Juni 1915 bis Ende Oktober 1916: Westfront, unter anderem Schlacht an der Somme. Dazwischen ein kurzfristiger Einsatz an der Ostfront in Galizien.

November 1916 bis November 1917: Rumänienfeldzug.

April 1918 bis August 1918: Offiziersaspirant in der Garnison Landsberg am Lech und München.

September bis November 1918: Westfront mit Kriegsende. Zwei Mal wird der Soldat verletzt, am 11. Dezember 1918 wurde Konrad Heermann aus der Armee entlassen.

Das Buch: Werner Heermann hat das Buch in einer ersten Auflage von 30 Stück aufgelegt. Es ist unter Tel.: (0 93 32) 41 45 zu erwerben. ro

Werner Heermann übergibt das Buch mit den Briefen seines Onkels Konrad an Archivarin Christiane Berneth, für die es ein wichtiges Dokument mit persönlichen Erfahrungen aus dem Erstem Weltkrieg mit lokalem Bezug ist.
Foto: Robert Haaß | Werner Heermann übergibt das Buch mit den Briefen seines Onkels Konrad an Archivarin Christiane Berneth, für die es ein wichtiges Dokument mit persönlichen Erfahrungen aus dem Erstem Weltkrieg mit lokalem Bezug ist.
Konrad Heermann während der Ausbildung 1915 in Landsberg.
Foto: Archiv Werner Heermann | Konrad Heermann während der Ausbildung 1915 in Landsberg.
Feldpost aus der Feuerstellung vom 5. April 1916.
Foto: Archiv Werner Heermann | Feldpost aus der Feuerstellung vom 5. April 1916.
 
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